Der neue Audi A6 strebt nach Höherem
Enge Verwandtschaft zum Flaggschiff A8 ist zu spüren – Vier Motoren in der Startaufstellung und mehr Platz im Fond
Es ist der Traum jedes Vielfliegers in der Businessklasse: Die Maschine überbucht, der Termin droht zu platzen – und plötzlich kommt die Dame von der Airline und winkt mit einem Upgrade-Ticket für die First Class. Bingo! So kann die Reise beginnen. Dieses Gefühl gibt es allerdings nicht nur am Flughafen. Sondern man kann es künftig auch auf der Straße erleben, verspricht Audi Vielfahrern, die einen neuen A6 kaufen. Denn wenn im Juli die achte Generation der Limousine an den Start rollt, zahlen sie zwar BusinessClass und legen immerhin mindestens 58 050 Euro auf den Tresen, bekommen dafür aber First-Class-Feeling, argumentieren die Bayern und verweisen auf enge Verwandtschaftsverhältnisse: Schließlich ist der A6 auf der gleichen Plattform konstruiert wie das vor Jahresfrist eingeführte Flaggschiff A8.
Genau wie die Luxuslimousine bietet deshalb auch der heimliche Held der Viel- und Firmenfahrer eine digitale Bedienlandschaft, bei der das animierte Cockpit und zwei große Touchscreens alle Anzeigen und die meisten Schalter ersetzen. Zwar stehen nicht ganz so viele Spielereien wie im Flaggschiff zur Verfügung, und das Ambiente wirkt insgesamt etwas nüchterner. Aber keine andere Limousine in dieser Klasse kommt innen so aufgeräumt und vor allem so cool daher wie der A6.
Ebenfalls direkt aus dem A8 übernommen hat Audi die Assistenzsysteme für das neue Modell: 39 elektronische Helferlein, die dem Fahrer so ziemlich jede Arbeit abnehmen können, stehen in der stolze 84 Seiten langen Preisliste. Auf der Autobahn wird der Griff zum Lenkrad dann beinahe schon zur reinen Formalität, und beim Parken kann man gleich ganz aussteigen.
Kein großer Sprung im Design
Leider erinnert auch das Design wieder an die anderen Audi-Modelle. Zwar wird Designchef Marc Lichte nicht müde, eine neue Eigenständigkeit zu betonen, und kann aus dem Stegreif ein Dutzend Differenzierungsmerkmale aufzählen. Und natürlich hat der A6 einen anderen Grill und setzt mit seinen LEDScheinwerfern sowie den Lichtspielen am Heck eigene Akzente. Doch einen großen Sprung im Styling machen die Ingolstädter damit nicht.
Während man die technische Nähe zum A8 noch erwarten konnte, ist der Fahreindruck im A6 schon ein bisschen überraschend. Denn zumindest auf der Langstrecke fühlt sich die Business-Limousine tatsächlich genauso gut an wie der Luxusliner: Souverän und völlig unaufgeregt frisst sie mit großem Appetit Kilometer um Kilometer, bettet die Insassen dabei mit Massagesitzen und Luftfederung wie auf Wolken und packt sie, wenn schon nicht in Samt und Seide, dann wenigstens in Watte. Selbst dass man einen Diesel unter der Haube hat, merkt man – außer an der Tankstelle oder beim Blick auf den Drehzahlmesser – kaum. Denn der Wagen ist so gut gedämmt, dass die Passagiere vom Motor überhaupt nichts mitbekommen. Aber das ist angesichts der aktuellen politischen Stimmungslage vielleicht auch kein Fehler.
Dabei ist am Motor selbst eigentlich nichts auszusetzen. Nach der neuen Nomenklatur als 50 TDI geführt, steckt unter der Haube ein Sechszylinder, der aus drei Litern Hubraum solide 286 PS schöpft und über eine seidenweiche Achtgangautomatik bis zu 620 Newtonmeter an alle vier Räder schickt. Das reicht für einen Sprintwert von 5,5 Sekunden, für standesgemäße 250 km/h Spitze – und vor allem für eine Gelassenheit, die auf dem Wissen fußt, dass man jederzeit könnte, wenn man nur wollte. Denn ein Gasstoß genügt, schon dreht der Diesel auf und wischt am Vordermann vorbei, ohne dass man sich allzu viele Gedanken über das Ende der nächsten Geraden machen müsste.
Perfekter Dauerläufer
Zwar lässt sich der A6 fast so souverän und lässig bewegen wie der A8, und bei einem Verbrauch von theoretischen 5,5 Litern wird er zum perfekten Dauerläufer. Doch wer es darauf anlegt und dem rechten Fuß ein wenig mehr Nachdruck verleiht, kann sehr wohl einen Unterschied erfahren. Mit dem Drive-Mode auf Sport, mit straffer Feder, gierigem Gaspedal und vor allem der Allradlenkung wird aus dem biederen Business-Bomber ein Freund sportlicher Naturen.
Wie schon bei A8 und A7 spricht Audi auch beim A6 durchweg von elektrifizierten Antrieben – selbst wenn die Limousine keinen Meter elektrisch fahren kann. Aber alle Motoren haben einen mit 48 Volt betriebenen Startergenerator, der den Anlasser ersetzt: Er hat so viel Kraft, dass er beim Anfahren mit anschiebt, den Motor leichter anwerfen kann und deshalb längere Start-StoppPhasen erlaubt. Außerdem vermag er mehr Energie zu rekuperieren. So soll der A6 sportlicher werden und im Alltag trotzdem 0,7 Liter weniger verbrauchen.
Neben dem 286-PS-Diesel steht in der Startaufstellung zunächst ein V6-Benziner, der aus drei Litern Hubraum 340 PS generiert und mindestens 59 850 Euro kostet. Außerdem haben die Bayern einen 2,0-Liter-TDI mit 204 PS und einen weiteren V6-Diesel mit 231 PS in der Pipeline. Alle vier Triebwerke fahren mit Doppelkupplung oder Achtgang-Automatik, und bei den V6-Varianten ist auch der Quattroantrieb Standard.
Die Form hat Audi zumindest weiterentwickelt, und die Technik ist nagelneu. Doch am Format ändert sich kaum etwas: Gerade mal sieben Millimeter wird der A6 länger und misst nun 4,94 Meter, und auch die zwölf Millimeter mehr Breite sieht man ihm nicht an. Weil aber der Radstand wächst, bietet er innen trotzdem mehr Platz. Vor allem im Fond legt die Beinfreiheit zu, und die Hinterbänkler sitzen deshalb besser als im Fünfer oder in der E-Klasse.
Der wichtige Kombi fehlt noch
Der A8 primär fürs Image und der A7 für den schönen Schein – die ersten beiden Audi-Neuheiten in der Oberklasse waren kaum mehr als eine Fingerübung. Doch mit dem A6 wird es für die Ingolstädter langsam ernst. Und auch das ist streng genommen nur das Vorspiel. Denn zumindest für Europa wird es erst nach den Sommerferien so richtig spannend. Denn dann folgt auf die Limousine der neue, viel wichtigere Kombi.