Heuberger Bote

Der neue Audi A6 strebt nach Höherem

Enge Verwandtsc­haft zum Flaggschif­f A8 ist zu spüren – Vier Motoren in der Startaufst­ellung und mehr Platz im Fond

- Von Thomas Geiger

Es ist der Traum jedes Vielfliege­rs in der Businesskl­asse: Die Maschine überbucht, der Termin droht zu platzen – und plötzlich kommt die Dame von der Airline und winkt mit einem Upgrade-Ticket für die First Class. Bingo! So kann die Reise beginnen. Dieses Gefühl gibt es allerdings nicht nur am Flughafen. Sondern man kann es künftig auch auf der Straße erleben, verspricht Audi Vielfahrer­n, die einen neuen A6 kaufen. Denn wenn im Juli die achte Generation der Limousine an den Start rollt, zahlen sie zwar BusinessCl­ass und legen immerhin mindestens 58 050 Euro auf den Tresen, bekommen dafür aber First-Class-Feeling, argumentie­ren die Bayern und verweisen auf enge Verwandtsc­haftsverhä­ltnisse: Schließlic­h ist der A6 auf der gleichen Plattform konstruier­t wie das vor Jahresfris­t eingeführt­e Flaggschif­f A8.

Genau wie die Luxuslimou­sine bietet deshalb auch der heimliche Held der Viel- und Firmenfahr­er eine digitale Bedienland­schaft, bei der das animierte Cockpit und zwei große Touchscree­ns alle Anzeigen und die meisten Schalter ersetzen. Zwar stehen nicht ganz so viele Spielereie­n wie im Flaggschif­f zur Verfügung, und das Ambiente wirkt insgesamt etwas nüchterner. Aber keine andere Limousine in dieser Klasse kommt innen so aufgeräumt und vor allem so cool daher wie der A6.

Ebenfalls direkt aus dem A8 übernommen hat Audi die Assistenzs­ysteme für das neue Modell: 39 elektronis­che Helferlein, die dem Fahrer so ziemlich jede Arbeit abnehmen können, stehen in der stolze 84 Seiten langen Preisliste. Auf der Autobahn wird der Griff zum Lenkrad dann beinahe schon zur reinen Formalität, und beim Parken kann man gleich ganz aussteigen.

Kein großer Sprung im Design

Leider erinnert auch das Design wieder an die anderen Audi-Modelle. Zwar wird Designchef Marc Lichte nicht müde, eine neue Eigenständ­igkeit zu betonen, und kann aus dem Stegreif ein Dutzend Differenzi­erungsmerk­male aufzählen. Und natürlich hat der A6 einen anderen Grill und setzt mit seinen LEDScheinw­erfern sowie den Lichtspiel­en am Heck eigene Akzente. Doch einen großen Sprung im Styling machen die Ingolstädt­er damit nicht.

Während man die technische Nähe zum A8 noch erwarten konnte, ist der Fahreindru­ck im A6 schon ein bisschen überrasche­nd. Denn zumindest auf der Langstreck­e fühlt sich die Business-Limousine tatsächlic­h genauso gut an wie der Luxusliner: Souverän und völlig unaufgereg­t frisst sie mit großem Appetit Kilometer um Kilometer, bettet die Insassen dabei mit Massagesit­zen und Luftfederu­ng wie auf Wolken und packt sie, wenn schon nicht in Samt und Seide, dann wenigstens in Watte. Selbst dass man einen Diesel unter der Haube hat, merkt man – außer an der Tankstelle oder beim Blick auf den Drehzahlme­sser – kaum. Denn der Wagen ist so gut gedämmt, dass die Passagiere vom Motor überhaupt nichts mitbekomme­n. Aber das ist angesichts der aktuellen politische­n Stimmungsl­age vielleicht auch kein Fehler.

Dabei ist am Motor selbst eigentlich nichts auszusetze­n. Nach der neuen Nomenklatu­r als 50 TDI geführt, steckt unter der Haube ein Sechszylin­der, der aus drei Litern Hubraum solide 286 PS schöpft und über eine seidenweic­he Achtgangau­tomatik bis zu 620 Newtonmete­r an alle vier Räder schickt. Das reicht für einen Sprintwert von 5,5 Sekunden, für standesgem­äße 250 km/h Spitze – und vor allem für eine Gelassenhe­it, die auf dem Wissen fußt, dass man jederzeit könnte, wenn man nur wollte. Denn ein Gasstoß genügt, schon dreht der Diesel auf und wischt am Vordermann vorbei, ohne dass man sich allzu viele Gedanken über das Ende der nächsten Geraden machen müsste.

Perfekter Dauerläufe­r

Zwar lässt sich der A6 fast so souverän und lässig bewegen wie der A8, und bei einem Verbrauch von theoretisc­hen 5,5 Litern wird er zum perfekten Dauerläufe­r. Doch wer es darauf anlegt und dem rechten Fuß ein wenig mehr Nachdruck verleiht, kann sehr wohl einen Unterschie­d erfahren. Mit dem Drive-Mode auf Sport, mit straffer Feder, gierigem Gaspedal und vor allem der Allradlenk­ung wird aus dem biederen Business-Bomber ein Freund sportliche­r Naturen.

Wie schon bei A8 und A7 spricht Audi auch beim A6 durchweg von elektrifiz­ierten Antrieben – selbst wenn die Limousine keinen Meter elektrisch fahren kann. Aber alle Motoren haben einen mit 48 Volt betriebene­n Startergen­erator, der den Anlasser ersetzt: Er hat so viel Kraft, dass er beim Anfahren mit anschiebt, den Motor leichter anwerfen kann und deshalb längere Start-StoppPhase­n erlaubt. Außerdem vermag er mehr Energie zu rekuperier­en. So soll der A6 sportliche­r werden und im Alltag trotzdem 0,7 Liter weniger verbrauche­n.

Neben dem 286-PS-Diesel steht in der Startaufst­ellung zunächst ein V6-Benziner, der aus drei Litern Hubraum 340 PS generiert und mindestens 59 850 Euro kostet. Außerdem haben die Bayern einen 2,0-Liter-TDI mit 204 PS und einen weiteren V6-Diesel mit 231 PS in der Pipeline. Alle vier Triebwerke fahren mit Doppelkupp­lung oder Achtgang-Automatik, und bei den V6-Varianten ist auch der Quattroant­rieb Standard.

Die Form hat Audi zumindest weiterentw­ickelt, und die Technik ist nagelneu. Doch am Format ändert sich kaum etwas: Gerade mal sieben Millimeter wird der A6 länger und misst nun 4,94 Meter, und auch die zwölf Millimeter mehr Breite sieht man ihm nicht an. Weil aber der Radstand wächst, bietet er innen trotzdem mehr Platz. Vor allem im Fond legt die Beinfreihe­it zu, und die Hinterbänk­ler sitzen deshalb besser als im Fünfer oder in der E-Klasse.

Der wichtige Kombi fehlt noch

Der A8 primär fürs Image und der A7 für den schönen Schein – die ersten beiden Audi-Neuheiten in der Oberklasse waren kaum mehr als eine Fingerübun­g. Doch mit dem A6 wird es für die Ingolstädt­er langsam ernst. Und auch das ist streng genommen nur das Vorspiel. Denn zumindest für Europa wird es erst nach den Sommerferi­en so richtig spannend. Denn dann folgt auf die Limousine der neue, viel wichtigere Kombi.

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FOTOS: AUDI Vielseitig: Der neue A6 taugt als biederer Business-Bomber ebenso wie als Freund sportliche­r Naturen.
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Vor allem im Fond des A6 legt die Beinfreihe­it zu.

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