Aus dem Dunkel der Schränke
„Drunter & Drüber“: Gewerbemuseum zeigt Unterwäsche der letzten rund 150 Jahre
Gewerbemuseum zeigt Unterwäsche der letzten rund 150 Jahre.
SPAICHINGEN –Zurzeit macht es richtig Spaß, im Gewerbemuseum die Treppe zum Festsaal hochzusteigen: Das Treppenhaus zeigt sich auf seine alten Tagen noch einmal sexy gestylt: Im Rahmen der neuen Ausstellung „Drunter & Drüber“haben sich Museumsleiterin Angelika Feldes und die Mitglieder des Spaichinger Heimatvereins mit Thomas Steidle an der Spitze eine Menge einfallen lassen, um Unterwäsche der letzten rund 150 Jahre mit Pep zu präsentieren.
Da hängen Hemden aus grobem Leinen, die damals bei Tag und Nacht getragen wurden, neben Hosen und Beinkleidern. In Glasvitrinen sind Spitzen und Borten zu bewundern, die die jungen Mädchen damals in mühevoller Handarbeit in Klöppel-, Häkel- und Sticktechniken herstellten, um ihre Aussteuer-Weißwäsche zu verzieren. Daneben liegen die Schablonen für die Monogramme. Die Anfangsbuchstaben ihres Mädchennamens in Weiß in die gesamte Wäsche einzusticken, war bis ins 20. Jahrhundert ein absolutes Muss und Zeichen eines kultivierten Lebensstils. Aber auch „moderne“Hüfthalter mit Strapsen und Korsetts oder Badkleidung gab es zu bewundern.
Thomas Steidle durfte sich wie bei jeder Ausstellungseröffnung über ein volles Haus freuen. Gemeinderat Karsten Frech überbrachte die Grüße der Stadtverwaltung und des Gemeinderats. Auf das „anziehende Ausstellungsthema“ging er geschickt ein, indem er bis zu Adam und Eva zurückblickte. Und dass Kleider Leute machten, sei bis heute aktuell geblieben.
Angelika Feldes machte mit ihren Zuhörern eine höchst aufschlussreiche Zeitreise durch die Kulturgeschichte der Unterwäsche. Weil sich über die Jahre im Fundus des Gewerbemuseums eine reiche Auswahl an Leib- und Unterwäsche angesammelt hätte, sei es höchste Zeit, die „Unaussprechlichen und auch einiges Aussprechliche aus dem Dunkel der Schränke an das Licht der Öffentlichkeit zu holen.“Peinlich sei es keinesfalls, das früher Unschickliche heute für jedermann – auch für den Mann – auszustellen. Denn „so unschuldig weiß und rein wie die Tagund Nachthemden, die Achselschlussund Trägerhemden, die Bettjäckchen und natürlich auch die offenen und geschlossenen Beinkleider (Merke: Männer trugen Unterhosen, Frauen Beinkleider!) kommt in unserem Depot kaum etwas daher.“
„Stehbrunzhosen“für Feldarbeit
Die Erklärung, wie die sogenannten „Stehbrunzhosen“funktionierten, zauberte so manchem Besucher ein Lächeln ins Gesicht: „Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trugen ältere Bäuerinnen die im Schwäbischen so genannten Stehbrunzhosen“. Sie seien bei der Feldarbeit praktisch gewesen, weil es den Frauen möglich gewesen sei, „mit diesem Kleidungsstück auf dem Feld stehend zu pinkeln“.
Von der heimischen Textilindustrie, vom Handarbeitsunterricht der Mädchen, von der Frauenarbeitsschule, die im heutigen Museum untergebracht war, erzählte Feldes ebenso wie von der international agierenden Spaichinger Firma SORA, die Kunden in 43 Ländern mit modischer Damenbekleidung belieferte.
Bei der Besichtigung der Exponate waren vor allem die älteren Frauen entzückt über die spitzenbesetzten Hemdchen und Leibchen. Eine Besucherin streichelte die zarten Stoffe und verriet: „In heißen Nächten geht nichts über ein Nachthemd aus kühlendem Batist.“
Alissa Hergenröder (Violine) und Samuel Fehrenbacher (Klavier) boten drei tolle musikalische Intermezzi. Der Heimatverein kredenzte den Gästen nach dem offiziellen Teil Getränke.