„Da lebt schon jeder in seiner Welt“
Kunsthistoriker Dieter Brunner fächert die Geschichte der Stahlskulptur auf
- Zu einem Vortrag über die Geschichte der Stahlskulptur sind am Freitagabend zahlreiche Gäste ins Aldinger Heimatmuseum in den Räumen der früheren Hengstler-Fabrik gekommen. Er wurde von dem Heilbronner Kunsthistoriker Dieter Brunner gehalten.
Museumsleiter Roland Heinisch begrüßte den Referenten des Abends. Dessen Vortrag begleitete die derzeit laufende Doppelausstellung im Museum und in der Galerie von Heide Streitberger, mit Objekten des Künstlers Rüdiger Seidt.
Seinen Vortrag startete Dieter Brunner mit der Definition von Begriffen. Er stellte Eisen als chemisches Element und Stahl als Legierung aus verschiedenen Metallen vor. Somit ist Eisen starr, Stahl jedoch formbar, erfuhren die Zuhörer. An diese Aussage knüpfte Brunner ein Zitat von Pablo Picasso, der einmal sagte „Ich suche nicht, ich finde“. Die Zuhörer erfuhren auch, dass in den Anfängen das Material Stahl nur kurze Zeit eine Rolle spielte. Diese Anfänge lagen in den 1920er-Jahren, als Pablo Picasso sich mit einigen Entwürfen an den spanischen Bildhauer Julio González wandte. So gilt bis heute González als Vater der Eisenskulptur. Er beeinflusste die nachfolgenden Werke bedeutender Bildhauer in Deutschland, Amerika und England.
Aus dem Vortrag von Dieter Brunner ging weiterhin hervor, dass die Metallskulpturen in den Anfängen modelliert wurden, während sie später additiv wurden, dem Metall also Gegenstände beigefügt wurden, um eine Skulptur zu schaffen. Linienskulpturen, eine Art von „Zeichnen in den Raum hinein“, war eine weitere Erscheinungsform.
In den 1970er-Jahren begannen die Künstler, auf Sockel zu verzichten. Zum Teil entstanden riesige Objekte, die statisch exakt berechnet im Boden verankert wurden. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Kunst auch gegenständlich. So schuf zum Beispiel der Schweizer Künstler Jean Tinguely ein kinetisches Objekt, das wie eine riesige Maschine erscheint. Zu dieser Zeit gewann auch Stahl in der Metallskulptur wieder an Bedeutung. Er wurde gewalzt, gebogen, oder gefaltet.
In jüngster Zeit gewinne „CortenStahl“stark an Bedeutung in der Kunst. Das Material entwickelt eine Patina, die das Objekt in einer RostOptik erscheinen lässt, was aktuell oft als schön empfunden wird.
So führte Dieter Brunner in seinem Vortrag, den er mit vielen Bildern begleitete, durch die Zeit und die Geschichte der Metallskulptur. Den anwesenden Künstlern waren möglicherweise viele Informationen bereits bekannt, die den Laien bisher noch nicht zugänglich waren. Ein Zuhörer fragte in der sich anschließenden Diskussionsrunde, ob es für einen Künstler denn nicht seltsam wäre, seine Entwürfe abzugeben und mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten, wie es bei Picasso und González der Fall war. Dazu sagte der Tuttlinger Jörg Bach, dass er das in einem Fall auch als sehr befremdlich empfunden habe. „Ich habe mich so weiterentwickelt, dass ich das heute nicht mehr machen muss“, erläuterte er. Roland Heinisch interessierte die Frage, ob es Trennlinien, oder Gemeinsamkeiten zwischen den Metall- und den Steinbildhauern gibt. „Da lebt schon jeder in seiner Welt“, räumte Dieter Brunner ein.