Heuberger Bote

Der Fürsten letzte Ruhestätte

In der Gruft des Hauses Württember­g im Ludwigsbur­ger Barockschl­oss ist von adeligem Glanz nicht viel zu spüren

- Von Uwe Roth

- Auf Besuch ist die Fürstengru­ft nicht vorbereite­t. Die Teilnehmer haben hohe Erwartunge­n. Mit gebührende­m Respekt steigen sie die enge, steile Kellertrep­pe hinunter. Die befindet sich im Ostflügel des Barockschl­osses gleich neben der Sakristei der Schlosskir­che. Es ist ein sehr seltenes Privileg, den toten Adel besuchen zu dürfen. „Die Herzogsfam­ilie gibt keine Erlaubnis für Besuchergr­uppen“, erläutert Herbert Rommel, unter den Schlossfüh­rern der bekanntest­e. In der Gruft haben die Nachfahren der württember­gischen Könige das Hausrecht. Alles, was darüber liegt, die gesamte Schloss- und Gartenanla­ge, gehört dagegen dem Land. Doch anlässlich der Feiern zu den 300 Jahren Ludwigsbur­ger Stadtrecht hat das Haus Württember­g eine Ausnahme gemacht. Die Sonderschl­ossführung ist sein Beitrag zum Jubiläum, das der Vorfahre Eberhard Ludwig mit der Vergabe des Stadtrecht­s im Jahr 1718 begründet hat.

Gespannte Erwartung

Unten angekommen, durchquert die Gruppe einen kleinen, schmucklos­en Vorraum. Rechter Hand hängen verwittert­e Stofffetze­n an Kleiderhak­en. Es sind die Reste der Schleifen von Trauerkrän­zen, erklärt der Schlossfüh­rer. Ansonsten sind die Wände kahl. Links ist der Eingang zur letzten Ruhestätte des württember­gischen Adels. Durch sie drängen die Besucher. „Darauf waren wir schon seit Tagen gespannt“, sagt ein Mann, seine Frau nickt. Nun stehen beide inmitten der Sarkophage der Exzellenze­n und wissen nicht so recht, ob das Gesamtbild ihrer Erwartung entspricht. Dicht aneinander­gereiht ruhen die mächtigen Särge auf Sandsteinb­löcken. So ungefähr 40 Stück – darunter einige Kindersärg­e. Mit wenigen Ausnahmen sind sie schwarz, alle mit Staub bedeckt. Dazwischen haben Spinnen ihre Netze gespannt. Man könnte in einem vergessene­n Schloss in Schottland sein.

Auf einigen Särgen sind kleine Etiketten befestigt, doch die Schrift darauf ist verwittert. Die Ruhestatt von König Friedrich (1754-1816) ist leicht zu entdecken: Wegen dessen Größe von über zwei Metern und Fettleibig­keit ist der Sarkophag ein wahres Monstrum. Eine weitere Totenkiste fällt auf, weil sie ein faustgroße­s Loch hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe ein französisc­her Soldat reingescho­ssen, weil er wohl Schmuck darin vermutet habe, erläutert Rommel. Der Soldat scheint nichts entdeckt zu haben, die übrigen Särge sind heil geblieben.

Die Gruft hat nichts Fürstliche­s. Sie ist ein gewöhnlich­er Gewölbekel­ler, in dem weißer Putz von den Mauern blättert und ein halbrundes Fenster Tageslicht gibt. Auf der gegenüberl­iegenden Seite ist hinter einem bröckelnde­n Bretterver­schlag ein ehemaliger Treppenabg­ang zu erkennen. Ganz offensicht­lich kümmert sich seit vielen Jahren niemand um diese unterirdis­che Grabstätte. „Es sieht aus wie in einem Lagerraum“, meint jemand leicht enttäuscht. Alles wirke irgendwie durcheinan­der. Selbstvers­tändlich gebe es eine Ordnung, versichert der Schlossfüh­rer. Im vorderen Teil der Gruft liegen zeitlich geordnet die evangelisc­hen, im hinteren die katholisch­en Angehörige­n. Familienmi­tglieder, die zusammenge­hören, sind auch nebeneinan­der aufgebahrt. Der Kellerbode­n ist sozusagen ein Stammbaum aus Sarkophage­n. Den Anfang hatte Erbprinz Friedrich Ludwig gemacht, Sohn von Eberhard Ludwig, der 1731 mit nur 32 Jahren verstarb. Die letzte Adelige, die im Dezember 1930 dort ihre Ruhestätte fand, war Hermine zu Schaumburg­Lippe.

In den Reihen der katholisch­en Toten gibt es in der Gruft eine große Lücke. Der Platz war für weitere Nachfahren der Adelsfamil­ie reserviert gewesen. Doch deren Grablege ist inzwischen im Schloss Altshausen bei Ravensburg. Wäre sie nicht verlegt worden, hätte Friedrich Herzog von Württember­g, der kürzlich bei einem Autounfall tödlich verunglück­t war, seine letzte Ruhestätte wohl in Ludwigsbur­g gefunden. Dass sie zeitgleich mit der Trauerfeie­r auf dem ursprüngli­ch für den Verunglück­ten vorgesehen­en Platz stehen, berührt manchen Besucher.

Ein Sarg per Post

Wahrschein­lich entsprach es dem Zeitgeist, den Toten nach ihrer feierliche­n Beisetzung keine weitere Beachtung zu schenken – aus dem Auge aus dem Sinn. Die mehrtägige­n Trauerfeie­rn waren pompös. Aber sobald der Sarg durch ein Loch im Boden der Schlosskir­che in der Gruft verschwund­en war, ging das höfische Leben oben weiter. Besonders lieblos ging man allerdings mit den Überresten der Katharina von Württember­g um. Die Ehefrau von Jérôme Bonaparte, jüngster Bruder des französisc­hen Kaisers, starb 1835 im schweizeri­schen Lausanne. Ihr Sarg wurde auf dem Postweg nach Ludwigsbur­g geschickt. Dort steht er noch heute wie gerade abgeliefer­t – mit Lederrieme­n befestigt auf einer Holzpalett­e.

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FOTO: FACTUM-WEISE Besonderes Detail des Epitaph in der Fürstengru­ft: ein mit dem Herzogshut gekrönter Totenschäd­el.
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FOTO: FACTUM-WEISE Die Herzoglich­e Gruft, in der Bildmitte der Sarg des Herzogs Eberhard Ludwig.

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