Nato drückt aufs Tempo und will mehr Geld
30 000 Mann zu Lande, 300 Flugzeuge und mindestens 30 Kriegsschiffe oder U-Boote, sollen innerhalb eines Monats oder noch kürzerer Zeit einsatzbereit sein. Bis 2020 soll der Großverband mit zwei bis drei Heeres-Divisionen zur Verfügung stehen: Wenn die Verteidigungsminister der Nato am Donnerstag und Freitag beschließen, dass das Bündnis deutlich schneller als bisher reagieren soll, bedeutet dies vor allem mehr Tempo angesichts weltweiter Krisenherde. Der Zeitplan ist im schwerfälligen und bürokratischen Bündnis mehr als ehrgeizig.
Die Verbündeten müssten sich auf eine „unberechenbarere Welt“einstellen, begründet Generalsekretär Jens Stoltenberg den Plan. Das Bündnis bleibe dabei „defensiv“und handele „verhältnismäßig“. Es gehe nicht um Aufrüstung, sondern um eine erhöhte Einsatzbereitschaft bereits vorhandener Kräfte.
Spannend wird nun die Frage der Lastenverteilung: Welches Mitgliedsland steuert welchen Beitrag bei? Dass sich dabei die Erwartungen ihrer Kollegen in Brüssel besonders auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) richten werden, ist sicher. Die Ressortchefin betont stets vollmundig, Deutschland werde mehr Verantwortung übernehmen. Sie hat aber nur wenig Substanz vorzuweisen. Von der Leyen bleibt bisher den Beweis schuldig, dass sie ab 2019 genügend gefechtsfähige Panzer für die vorhandene, 5000 Mann starke Speerspitze der Nato auf den Kasernenhof befiehlt. Dass Deutschland angeboten hat, das neue Nato-Hauptquartier zur schnelleren Verlegung von Truppen und Material innerhalb Europas in Ulm aufzunehmen, wird dankend zur Kenntnis genommen: Doch dürfte dieser Beitrag, den die Minister ebenfalls beschließen werden, nicht ausreichen.
Vielmehr setzen die Partner darauf, dass sich die Bundeswehr qualitativ ähnlich stark wie im Baltikum engagiert: mit Kampftruppen. Seit dem Ukraine-Konflikt und der Annexion der Krim durch Russland hat das Bündnis rund 4000 Soldaten in den drei baltischen Staaten und in Polen stationiert – darunter ist derzeit das Jägerbataillon 292 aus Donaueschingen.
Gleichzeitig werden die Minister sich ums Geld streiten: Erste Schätzungen für die Verteidigungsausgaben der Verbündeten im laufenden Jahr sollen in Brüssel auf den Tisch kommen. Die im Bündnis vereinbarte und bis 2024 angestrebte Zwei-Prozent-Regelung für den Wehretat sorgt auch innerhalb der großen Koalition regelmäßig für Spannungen. Aktuell liegen die deutschen Militärausgaben bei 1,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Angesichts der Diskussionen, sogar Zerwürfnisse im Bündnis und der Unsicherheiten im Umgang mit den USA, der bisher unumstrittenen Nato-Führungsmacht, kündigt der französische Präsident Emmanuel Macron eine Europäische InterventionsInitiative an. Macron will den direkten Draht zwischen den Generalstäben europäischer Länder. Das ist kein Zufall. Frankreich möchte nicht nur eine gemeinsame strategische Kultur entwickeln, sondern seinen Anspruch als europäische Führungsnation festigen.