Neue Gespräche über die Zukunft des Standortes Schalke
Divisionen bei ZF sollen prüfen, ob sie Geschäft nach Gelsenkirchen abgeben können
- Es gibt neue Gespräche. Das war die Botschaft, die Betriebsrat und Konzernvertreter auf der Betriebsversammlung am Mittwoch den ZF-Beschäftigten in Gelsenkirchen verkündeten. Fünf Möglichkeiten, den Standort Schalke Nord profitabel zu machen, werde das Unternehmen ernsthaft prüfen, um die erste Werksschließung in Deutschland in der Geschichte von ZF doch noch zu vermeiden.
Bereits am Mittag trafen sich dann Vertreter von IG Metall und Betriebsrat mit Managern des Autozulieferers. Dabei ging es um „einen ersten Aufschlag“, Ergebnisse seien nicht zu erwarten gewesen, wie IGMetall-Sekretär Jörn Meiners erklärte. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Unternehmenskreisen sind nun auch die Divisionsleiter bei ZF angewiesen, an all ihren Standorten nach möglichem Ersatzgeschäft für Gelsenkirchen zu suchen. Die aufgewühlte Stimmung in der Belegschaft hat sich nach Ansicht von Meiners in den vergangenen Tagen „insgesamt etwas beruhigt“, obwohl im Grundsatz nichts Neues gesagt worden sei. „Wir sind noch keinen Schritt weiter“, sagte Meiners.
Auch im Wirtschaftsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages war ZF am Mittwoch Thema. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), der sich in den vergangenen Tagen ebenfalls in den Streit um die Schließung des Werkes eingemischt hatte, stellte einen Bericht der Landesregierung vor. „Im persönlichen Gespräch hat mir ZF-Vorstand Franz Kleiner klar signalisiert: Wir haben gut qualifizierte Mitarbeiter in Gelsenkirchen, arbeiten ernsthaft an einer neuen Perspektive für den Standort und prüfen dabei fünf Optionen“, sagte Pinkwart der „Schwäbischen Zeitung“. „Andernfalls will das Unternehmen einem nennenswerten Teil der Belegschaft Arbeitsplätze in der weiteren Umgebung anbieten und eine Transfergesellschaft mitfinanzieren.“
ZF hatte am 9. Mai verkündet, die Produktion im Werk Schalke Nord zum Jahresende voraussichtlich einstellen zu müssen. ZF sieht keine Perspektive mehr für die Fabrik in Gelsenkirchen, in der vor allem mechanisch und hydraulisch geprägte Lenkungen hergestellt werden, die die Konkurrenten von ZF seit Langem im billigeren Ausland herstellen. In den vergangenen beiden Jahren sei das Werk knapp profitabel gewesen, seit Mai erwirtschafte ZF in Gelsenkirchen Verluste, ohne Aussicht in absehbarer Zeit wieder in die Gewinnnzone zu kommen. In den vergangenen Jahren habe ZF für die Produktionslinien in Gelsenkirchen keinen substanziellen Auftrag gewinnen können. In Gelsenkirchen arbeiten 500 Menschen, 350 davon in der Produktion.
„Ergebnisoffener Prozess“
ZF begründet die nochmalige Prüfung damit, dass das Unternehmen auf den Betriebsversammlungen in Gelsenkirchen immer wieder mit „Zweifeln an der Seriosität“der Analysen konfrontiert worden sei. „Das wollen wir so nicht stehen lassen“, sagte ein ZF-Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“. Aus diesem Grund werde sich der Konzern die fünf aussichtsreichsten Optionen für das Werk noch einmal ansehen – „in einem tiefergehenden und ergebnisoffenen Prozess.“Vor allem IG-MetallFunktionär Frank Iwer, der für die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des Automobilzulieferers sitzt, hatte Anfang Mai dem ZF-Vorstand vorgeworfen, nicht ernsthaft nach einer Lösung gesucht zu haben. „Seit fast einem Jahr werden die Kollegen in Gelsenkirchen jetzt hingehalten: mal mit leeren Versprechungen, mal mit Prüfaufträgen, die am Ende immer mit ,leider geht nicht‘ enden“, sagte Iwer am 9. Mai, als ZF verkündete, die Produktion im Werk Schalke Nord Ende des Jahres auslaufen zu lassen. „Diesen Vorwurf wollen und werden wir nicht auf uns sitzen lassen“, antwortete der ZF-Sprecher nun an die Adresse der IG Metall. „Ein solches Vorgehen würde nicht zu den Unternehmenswerten von ZF passen.“
Der ZF-Gesamtbetriebsrat lehnt die Schließung des Werkes ab. „Dem Management fehlen die Argumente, das Werk auf Schalke dicht zu machen“, sagt Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich. „Wir haben dort hochqualifizierte Arbeitskräfte, die Strukturen stimmen, die Produktivität ist hoch. In anderen Werken kommen die Kollegen nicht hinterher, die Aufträge im Lenkungsbereich abzuarbeiten.“Die Schuld daran, dass das Werk Gelsenkirchen im Mai in die roten Zahlen gerutscht ist, trage das Management. „Schalke hat jahrelang satte Gewinne abgeliefert – und zwar bis April“, erklärt Dietrich. „Dass die Schalker jetzt Verluste einfahren, liegt daran, dass es versäumt wurde, für das Werk rechtzeitig die Weichen zu stellen und Ersatz für einen verloren gegangenen Großauftrag zu beschaffen.“