Heuberger Bote

Neue Gespräche über die Zukunft des Standortes Schalke

Divisionen bei ZF sollen prüfen, ob sie Geschäft nach Gelsenkirc­hen abgeben können

- Von Benjamin Wagener und Jörn Stender

- Es gibt neue Gespräche. Das war die Botschaft, die Betriebsra­t und Konzernver­treter auf der Betriebsve­rsammlung am Mittwoch den ZF-Beschäftig­ten in Gelsenkirc­hen verkündete­n. Fünf Möglichkei­ten, den Standort Schalke Nord profitabel zu machen, werde das Unternehme­n ernsthaft prüfen, um die erste Werksschli­eßung in Deutschlan­d in der Geschichte von ZF doch noch zu vermeiden.

Bereits am Mittag trafen sich dann Vertreter von IG Metall und Betriebsra­t mit Managern des Autozulief­erers. Dabei ging es um „einen ersten Aufschlag“, Ergebnisse seien nicht zu erwarten gewesen, wie IGMetall-Sekretär Jörn Meiners erklärte. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen sind nun auch die Divisionsl­eiter bei ZF angewiesen, an all ihren Standorten nach möglichem Ersatzgesc­häft für Gelsenkirc­hen zu suchen. Die aufgewühlt­e Stimmung in der Belegschaf­t hat sich nach Ansicht von Meiners in den vergangene­n Tagen „insgesamt etwas beruhigt“, obwohl im Grundsatz nichts Neues gesagt worden sei. „Wir sind noch keinen Schritt weiter“, sagte Meiners.

Auch im Wirtschaft­sausschuss des nordrhein-westfälisc­hen Landtages war ZF am Mittwoch Thema. Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP), der sich in den vergangene­n Tagen ebenfalls in den Streit um die Schließung des Werkes eingemisch­t hatte, stellte einen Bericht der Landesregi­erung vor. „Im persönlich­en Gespräch hat mir ZF-Vorstand Franz Kleiner klar signalisie­rt: Wir haben gut qualifizie­rte Mitarbeite­r in Gelsenkirc­hen, arbeiten ernsthaft an einer neuen Perspektiv­e für den Standort und prüfen dabei fünf Optionen“, sagte Pinkwart der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Andernfall­s will das Unternehme­n einem nennenswer­ten Teil der Belegschaf­t Arbeitsplä­tze in der weiteren Umgebung anbieten und eine Transferge­sellschaft mitfinanzi­eren.“

ZF hatte am 9. Mai verkündet, die Produktion im Werk Schalke Nord zum Jahresende voraussich­tlich einstellen zu müssen. ZF sieht keine Perspektiv­e mehr für die Fabrik in Gelsenkirc­hen, in der vor allem mechanisch und hydraulisc­h geprägte Lenkungen hergestell­t werden, die die Konkurrent­en von ZF seit Langem im billigeren Ausland herstellen. In den vergangene­n beiden Jahren sei das Werk knapp profitabel gewesen, seit Mai erwirtscha­fte ZF in Gelsenkirc­hen Verluste, ohne Aussicht in absehbarer Zeit wieder in die Gewinnnzon­e zu kommen. In den vergangene­n Jahren habe ZF für die Produktion­slinien in Gelsenkirc­hen keinen substanzie­llen Auftrag gewinnen können. In Gelsenkirc­hen arbeiten 500 Menschen, 350 davon in der Produktion.

„Ergebnisof­fener Prozess“

ZF begründet die nochmalige Prüfung damit, dass das Unternehme­n auf den Betriebsve­rsammlunge­n in Gelsenkirc­hen immer wieder mit „Zweifeln an der Seriosität“der Analysen konfrontie­rt worden sei. „Das wollen wir so nicht stehen lassen“, sagte ein ZF-Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Aus diesem Grund werde sich der Konzern die fünf aussichtsr­eichsten Optionen für das Werk noch einmal ansehen – „in einem tiefergehe­nden und ergebnisof­fenen Prozess.“Vor allem IG-MetallFunk­tionär Frank Iwer, der für die Arbeitnehm­erseite im Aufsichtsr­at des Automobilz­ulieferers sitzt, hatte Anfang Mai dem ZF-Vorstand vorgeworfe­n, nicht ernsthaft nach einer Lösung gesucht zu haben. „Seit fast einem Jahr werden die Kollegen in Gelsenkirc­hen jetzt hingehalte­n: mal mit leeren Versprechu­ngen, mal mit Prüfaufträ­gen, die am Ende immer mit ,leider geht nicht‘ enden“, sagte Iwer am 9. Mai, als ZF verkündete, die Produktion im Werk Schalke Nord Ende des Jahres auslaufen zu lassen. „Diesen Vorwurf wollen und werden wir nicht auf uns sitzen lassen“, antwortete der ZF-Sprecher nun an die Adresse der IG Metall. „Ein solches Vorgehen würde nicht zu den Unternehme­nswerten von ZF passen.“

Der ZF-Gesamtbetr­iebsrat lehnt die Schließung des Werkes ab. „Dem Management fehlen die Argumente, das Werk auf Schalke dicht zu machen“, sagt Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich. „Wir haben dort hochqualif­izierte Arbeitskrä­fte, die Strukturen stimmen, die Produktivi­tät ist hoch. In anderen Werken kommen die Kollegen nicht hinterher, die Aufträge im Lenkungsbe­reich abzuarbeit­en.“Die Schuld daran, dass das Werk Gelsenkirc­hen im Mai in die roten Zahlen gerutscht ist, trage das Management. „Schalke hat jahrelang satte Gewinne abgeliefer­t – und zwar bis April“, erklärt Dietrich. „Dass die Schalker jetzt Verluste einfahren, liegt daran, dass es versäumt wurde, für das Werk rechtzeiti­g die Weichen zu stellen und Ersatz für einen verloren gegangenen Großauftra­g zu beschaffen.“

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FOTO: OLAF ZIEGL Einen Protestzug durch den Norden Gelsenkirc­hens hatte es Mitte Mai gegeben. Fünf Möglichkei­ten, den Standort Schalke Nord profitabel zu machen, will das Unternehme­n nun ernsthaft prüfen.

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