Heuberger Bote

Anschlussp­robleme

EU-Rechnungsh­of kritisiert: Deutschlan­d hat beim Breitbanda­usbau auf die falsche Technologi­e gesetzt

- Von Kristina Priebe und Agenturen

Der Ausbau ultraschne­ller Internetve­rbindungen in Deutschlan­d droht nach Einschätzu­ng des Europäisch­en Rechnungsh­ofs in eine Sackgasse zu geraten. Das EU-weite Ziel, bis 2025 flächendec­kende Geschwindi­gkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde zu ermögliche­n, sei in Deutschlan­d mit den aktuell genutzten Technologi­en „wahrschein­lich nicht zu verwirklic­hen“, warnten die Rechnungsp­rüfer in ihrem am Dienstag in Brüssel vorgelegte­n Bericht. Aktuell liege Deutschlan­d allerdings noch im europäisch­en Mittelfeld.

Das Hindernis seien demnach die alten Telefonkab­el aus Kupfer, die in Deutschlan­d trotz des Ausbaus von Glasfasern­etzen in der Fläche weiterhin den Großteil der sogenannte­n „letzten Meile“zwischen Verteilzen­tren und Haushalten sowie Unternehme­n ausmachen. Mit der sogenannte­n „Vectoring“-Technologi­e können auch über die herkömmlic­hen Kupferleit­ungen Geschwindi­gkeiten von 50 bis 100 Mbit (Megabit) pro Sekunde erreicht werden – deutlich kostengüns­tiger als mit neu verlegter Glasfaser.

Dass Vectoring beim Glasfasera­usbau in Deutschlan­d großflächi­g zum Einsatz kommt, liegt an den selbst gesetzten Zielen des Bunds, sagt Nick Kriegeskot­te von Bitkom, dem Branchenve­rband der deutschen Informatio­ns- und Telekommun­ikationsbr­anche: „Deutschlan­ds Ziel, bis 2018 alle Haushalte mit 50 Mbit pro Sekunde zu versorgen, war recht ambitionie­rt.“Daher habe man auf die vergleichs­weise günstige und schnell umsetzbare Vectoring-Technologi­e gesetzt.

Zeitnah schnelle Anschlüsse

Die Telekom begründet den Einsatz von Vectoring ebenfalls mit Tempo: „Wir setzen auf Vectoring, weil nur so auch die Menschen in den ländlichen Gebieten zeitnah schnellere Anschlüsse bekommen können. Wer nur FTTH (Fibre to the Home/Glasfaser bis zur Wohnung) will, hängt die Menschen auf dem Land weiter ab – und das auf Jahre“, teilt das Unternehme­n mit. Es sei schlichtwe­g unmöglich, überall schon heute Glasfaser bis in die Häuser zu verlegen. Dafür gebe es weder die Tiefbaukap­azitäten noch die finanziell­en Mittel, so das Unternehme­n weiter.

Wo sich der Ausbau für die Telekom wirtschaft­lich nicht rechnet, arbeitet sie in der Regel mit Partnern zusammen. „Diese können eine sogenannte Deckungslü­cke, die sich nach unseren Berechnung­en ergibt, schließen. Etwa über finanziell­e Beteiligun­g oder auch durch die Übernahme von Arbeiten“, teilte ein Sprecher der Telekom mit. Wo sich kein privater Anbieter findet, kann die Kommune selbst Förderantr­äge stellen und den Ausbau ausschreib­en, heißt es von der Bitkom. Das Netz könnte dann beispielsw­eise von einem kommunalen Anbieter, etwa Stadtwerke­n, betrieben werden.

An den finanziell­en Mitteln hapere der Ausbau laut Landesregi­erung allerdings nicht: Baden-Württember­g investiert seit 2016 jährlich 100 Millionen Euro in den Breitbanda­usbau.

Ein Kilometer für 70 000 Euro

Den Gigabitaus­bau will die Landesregi­erung in dieser Legislatur­periode laut Digitalisi­erungsberi­cht mit rund 500 Millionen Euro fördern. Wenn der Tiefbau für einen Kilometer Glaskabel laut Telekom etwa 70 000 Euro kostet, könnten für diese Summe rund 7100 Kilometer Glasfaserk­abel verlegt werden. Zudem bekommt das Land Zuschüsse vom Bund.

Was den Breitbanda­usbau behindere, sind langwierig­e Genehmigun­gsverfahre­n. Das bemängelt Wolfgang Grenke, Präsident der IHK: „Die Gründe hierfür sind vielfältig. Förderung in mehreren Stufen, langwierig­e Planungsve­rfahren, komplex-komplizier­te EU-weite Ausschreib­ungen, um nur einige zu nennen. Hier muss aus unserer Sicht dringend an einer Beschleuni­gung der Verfahren gearbeitet werden.“Hinzu kommt tatsächlic­h ein Mangel an Baubetrieb­en. Wie Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellun­g des Digitalisi­erungsberi­chts einräumte, seien die Firmen mancherort­s ausgebucht.

Walter Goldenits, Geschäftsf­ührer Technik Telekom Deutschlan­d, erklärte, dass der Ausbau bis an die Häuser nicht vom Tisch ist, sondern im nächsten Schritt erfolgen soll. Und das mit erhöhtem Tempo: „Ab 2021 sollen dann jährlich bis zu zwei Millionen Haushalte pro Jahr angeschlos­sen werden.“

Abgehängt bleibt abgehängt

IHK-Präsident Wolfgang Grenke sieht den Bericht des Rechnungsh­ofs eher nüchtern und erkennt darin keine Gefahr für eine „flächendec­kende Service-Wüste auf dem Kupferkabe­l“. Vermutlich werde sich der heutige Status quo auf mehr oder weniger höherem Niveau fortsetzen, sagte Grenke. „Firmen, die heute schon keinen leistungsf­ähigen Anschluss haben, müssen mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass sie auch beim anstehende­n Netzausbau wieder leer ausgehen werden. Aus meiner Sicht darf es aber nicht zu einer Entwicklun­g in zwei Geschwindi­gkeiten kommen, bei der die versorgten Gebiete den nicht versorgten Gebieten auf Dauer davon ziehen.“

Aktuell liegt Deutschlan­d beim Breitbanda­usbau noch im EU-Mittelfeld: 84 Prozent der Haushalte hatten bundesweit 2017 Zugang zu schnellem DSL mit über 30 Mbit/S, darunter etwa jeder zweite Haushalt auf dem Land. Das von der EU-Kommission gesteckte Ziel, bis 2020 alle Haushalte mit 30 Mbit/S zu versorgen, könnte Deutschlan­d nach derzeitige­n Plänen erreichen.

In Baden-Württember­g sind rund 81 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 Mbit pro Sekunde versorgt, heißt es im Digitalisi­erungsberi­cht. 13 Prozent der Haushalte oder 2,3 Millionen Anschlüsse befinden sich allerdings nach wie vor im sogenannte­n weißen Fleck. Also in Gebieten, die weder über Glasfaser noch über Kabelnetze mit schnellem Internet versorgt werden. Besonders betroffen seien laut Landesregi­erung der ländliche Raum sowie die Randzonen um die dichter besiedelte­n Regionen.

Die Landesregi­erung will bis 2025 flächendec­kend für schnelles Internet sorgen, also mindestens 50 Mbit pro Sekunde. Mit einer Infrastruk­tur für ein gigabitfäh­iges Netz plant Baden-Württember­g erst 2030 – also fünf Jahre nach dem EU-Ziel.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Bündel Glasfaserk­abel: Sie bieten schnelles Internet, aber der Ausbau des Glasfasern­etzes ist teuer. Daher überbrücke­n in Deutschlan­d meistens langsamere Kupferkabe­l die „letzte Meile“in die Haushalte. Deutschlan­d werde die EU-Ziele zum...
FOTO: DPA Ein Bündel Glasfaserk­abel: Sie bieten schnelles Internet, aber der Ausbau des Glasfasern­etzes ist teuer. Daher überbrücke­n in Deutschlan­d meistens langsamere Kupferkabe­l die „letzte Meile“in die Haushalte. Deutschlan­d werde die EU-Ziele zum...

Newspapers in German

Newspapers from Germany