Anschlussprobleme
EU-Rechnungshof kritisiert: Deutschland hat beim Breitbandausbau auf die falsche Technologie gesetzt
Der Ausbau ultraschneller Internetverbindungen in Deutschland droht nach Einschätzung des Europäischen Rechnungshofs in eine Sackgasse zu geraten. Das EU-weite Ziel, bis 2025 flächendeckende Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde zu ermöglichen, sei in Deutschland mit den aktuell genutzten Technologien „wahrscheinlich nicht zu verwirklichen“, warnten die Rechnungsprüfer in ihrem am Dienstag in Brüssel vorgelegten Bericht. Aktuell liege Deutschland allerdings noch im europäischen Mittelfeld.
Das Hindernis seien demnach die alten Telefonkabel aus Kupfer, die in Deutschland trotz des Ausbaus von Glasfasernetzen in der Fläche weiterhin den Großteil der sogenannten „letzten Meile“zwischen Verteilzentren und Haushalten sowie Unternehmen ausmachen. Mit der sogenannten „Vectoring“-Technologie können auch über die herkömmlichen Kupferleitungen Geschwindigkeiten von 50 bis 100 Mbit (Megabit) pro Sekunde erreicht werden – deutlich kostengünstiger als mit neu verlegter Glasfaser.
Dass Vectoring beim Glasfaserausbau in Deutschland großflächig zum Einsatz kommt, liegt an den selbst gesetzten Zielen des Bunds, sagt Nick Kriegeskotte von Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche: „Deutschlands Ziel, bis 2018 alle Haushalte mit 50 Mbit pro Sekunde zu versorgen, war recht ambitioniert.“Daher habe man auf die vergleichsweise günstige und schnell umsetzbare Vectoring-Technologie gesetzt.
Zeitnah schnelle Anschlüsse
Die Telekom begründet den Einsatz von Vectoring ebenfalls mit Tempo: „Wir setzen auf Vectoring, weil nur so auch die Menschen in den ländlichen Gebieten zeitnah schnellere Anschlüsse bekommen können. Wer nur FTTH (Fibre to the Home/Glasfaser bis zur Wohnung) will, hängt die Menschen auf dem Land weiter ab – und das auf Jahre“, teilt das Unternehmen mit. Es sei schlichtweg unmöglich, überall schon heute Glasfaser bis in die Häuser zu verlegen. Dafür gebe es weder die Tiefbaukapazitäten noch die finanziellen Mittel, so das Unternehmen weiter.
Wo sich der Ausbau für die Telekom wirtschaftlich nicht rechnet, arbeitet sie in der Regel mit Partnern zusammen. „Diese können eine sogenannte Deckungslücke, die sich nach unseren Berechnungen ergibt, schließen. Etwa über finanzielle Beteiligung oder auch durch die Übernahme von Arbeiten“, teilte ein Sprecher der Telekom mit. Wo sich kein privater Anbieter findet, kann die Kommune selbst Förderanträge stellen und den Ausbau ausschreiben, heißt es von der Bitkom. Das Netz könnte dann beispielsweise von einem kommunalen Anbieter, etwa Stadtwerken, betrieben werden.
An den finanziellen Mitteln hapere der Ausbau laut Landesregierung allerdings nicht: Baden-Württemberg investiert seit 2016 jährlich 100 Millionen Euro in den Breitbandausbau.
Ein Kilometer für 70 000 Euro
Den Gigabitausbau will die Landesregierung in dieser Legislaturperiode laut Digitalisierungsbericht mit rund 500 Millionen Euro fördern. Wenn der Tiefbau für einen Kilometer Glaskabel laut Telekom etwa 70 000 Euro kostet, könnten für diese Summe rund 7100 Kilometer Glasfaserkabel verlegt werden. Zudem bekommt das Land Zuschüsse vom Bund.
Was den Breitbandausbau behindere, sind langwierige Genehmigungsverfahren. Das bemängelt Wolfgang Grenke, Präsident der IHK: „Die Gründe hierfür sind vielfältig. Förderung in mehreren Stufen, langwierige Planungsverfahren, komplex-komplizierte EU-weite Ausschreibungen, um nur einige zu nennen. Hier muss aus unserer Sicht dringend an einer Beschleunigung der Verfahren gearbeitet werden.“Hinzu kommt tatsächlich ein Mangel an Baubetrieben. Wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung des Digitalisierungsberichts einräumte, seien die Firmen mancherorts ausgebucht.
Walter Goldenits, Geschäftsführer Technik Telekom Deutschland, erklärte, dass der Ausbau bis an die Häuser nicht vom Tisch ist, sondern im nächsten Schritt erfolgen soll. Und das mit erhöhtem Tempo: „Ab 2021 sollen dann jährlich bis zu zwei Millionen Haushalte pro Jahr angeschlossen werden.“
Abgehängt bleibt abgehängt
IHK-Präsident Wolfgang Grenke sieht den Bericht des Rechnungshofs eher nüchtern und erkennt darin keine Gefahr für eine „flächendeckende Service-Wüste auf dem Kupferkabel“. Vermutlich werde sich der heutige Status quo auf mehr oder weniger höherem Niveau fortsetzen, sagte Grenke. „Firmen, die heute schon keinen leistungsfähigen Anschluss haben, müssen mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass sie auch beim anstehenden Netzausbau wieder leer ausgehen werden. Aus meiner Sicht darf es aber nicht zu einer Entwicklung in zwei Geschwindigkeiten kommen, bei der die versorgten Gebiete den nicht versorgten Gebieten auf Dauer davon ziehen.“
Aktuell liegt Deutschland beim Breitbandausbau noch im EU-Mittelfeld: 84 Prozent der Haushalte hatten bundesweit 2017 Zugang zu schnellem DSL mit über 30 Mbit/S, darunter etwa jeder zweite Haushalt auf dem Land. Das von der EU-Kommission gesteckte Ziel, bis 2020 alle Haushalte mit 30 Mbit/S zu versorgen, könnte Deutschland nach derzeitigen Plänen erreichen.
In Baden-Württemberg sind rund 81 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 Mbit pro Sekunde versorgt, heißt es im Digitalisierungsbericht. 13 Prozent der Haushalte oder 2,3 Millionen Anschlüsse befinden sich allerdings nach wie vor im sogenannten weißen Fleck. Also in Gebieten, die weder über Glasfaser noch über Kabelnetze mit schnellem Internet versorgt werden. Besonders betroffen seien laut Landesregierung der ländliche Raum sowie die Randzonen um die dichter besiedelten Regionen.
Die Landesregierung will bis 2025 flächendeckend für schnelles Internet sorgen, also mindestens 50 Mbit pro Sekunde. Mit einer Infrastruktur für ein gigabitfähiges Netz plant Baden-Württemberg erst 2030 – also fünf Jahre nach dem EU-Ziel.