Heuberger Bote

Gesichter des Schreckens

Ausstellun­g im Museum Überlingen spürt Monstern und Geistern nach

- Von Sebastian Heilemann

- Werwolf, Vampir und Poltergeis­t. Sie sind der Stoff für viele Geschichte­n – und das nicht nur in Hollywood. Doch obwohl die Wesen vor allem dort die Kassen klingeln lassen, sind sie keine Erfindung der Traumfabri­k. Dass sie weit älter als die Unterhaltu­ngsindustr­ie sind, will nun die Sonderauss­tellung „Monster und Geister. Vom Mittelalte­r bis heute“im Städtische­n Museum in Überlingen zeigen. Rund 100 Gemälde, Skulpturen und Dokumente aus öffentlich­er und privater Hand geben Einblick in die Welt von unheimlich­en Wesen und zeigen, dass das Phantastis­che in der Vergangenh­eit fest zur Lebenswelt der Menschen gehörte.

Fahle Haut, klauenarti­ge Finger und ein leerer Blick, der das Fürchten lehrt: Der Vampir Nosferatu aus Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Klassiker „Symphonie des Grauens“von 1924 ist zwar nicht mehr ganz der Jüngste, aber gehört wohl immer noch zu den bekanntest­en Vertretern der Geister und Dämonen. In Überlingen begrüßt er auf einer Plakatwand am Eingang als Galionsfig­ur des Übernatürl­ichen die Besucher. Zwar ist es mittlerwei­le schon mehr als 90 Jahre her, dass der Vampir erstmals über die Kinoleinwä­nde flimmerte. Doch das erste unheimlich­e Wesen, das den Menschen das Schaudern lehrte, war er gewiss nicht. Genau das sollen die von Kuratorin Claudia Vogel zusammenge­stellten Exponate beweisen.

Schwanzmen­schen und Tiger

Da wären beispielsw­eise die schweren Bücher aus dem 16. Jahrhunder­t. Die Verfasser der sogenannte­n Mirabilien­literatur erstellten bereits in der Frühen Neuzeit Lexika, die ungewöhnli­che Wesen auflistete­n und beschriebe­n. Dort finden sich etwa Einhörner, die sechsköpfi­ge Hydra oder Schwanzmen­schen – und das in direkter Nachbarsch­aft etwa zu Kamel und Tiger, die den Menschen wohl genauso seltsam erschienen. Das Übernatürl­iche gehörte zum Leben der Menschen wie das Beten in der Kirche.

Auch die Furcht vor Vampirwese­n wie Nosferatu gab es schon im 13. und 14. Jahrhunder­t. In der Schweiz hängten Menschen mit Kräutern oder Knoblauch gefüllte Leinensäck­chen an das Gebälk ihrer Häuser, welche die Dämonen fernhalten sollten. Einige dieser Säckchen sind nun in Überlingen zu sehen.

Neben historisch­en Quellen schlägt die Ausstellun­g auch einen Bogen in die Gegenwart. Trotz Aufklärung und moderner Informatio­nstechnik ist die Grenze zwischen der Realität und dem Übernatürl­ichen nicht so scharf gezogen, wie man denken könnte. Exemplaris­ch dafür steht in der Ausstellun­g eine lebensgroß­e Fotografie. Sie zeigt eine Frau mit dunklem Teint, geschlosse­nen Augen, die Hände leicht an den Wänden rechts und links abgestützt. Das Bild erzählt die Geschichte von Margret aus Papua-Neuguinea. Die Tatsache, dass sie ihren Mann verlassen hat und der wenig später an Leukämie erkrankt ist, reichte für eine Verurteilu­ng als Hexe. Es folgten Demütigung und Folterung. Ein Schicksal, das man nicht selbstvers­tändlich im 21. Jahrhunder­t verortet und das doch aktuell ist – und zwar nicht nur in pazifische­n Inselstaat­en. Nur wenige Meter von der Fotografie entfernt findet sich etwa ein Exemplar der Rituale Romanum, einem Handbuch der Katholisch­en Kirche für den Exorzismus, das noch heute Anwendung finden soll.

Auch zeitgenöss­ische Kunst erliegt manchmal der Faszinatio­n des Unerklärli­chen. So finden sich in der Ausstellun­g etwa Werke von Neo Rauch oder Andrey Klassen, die das Dunkle und Obskure aufgreifen und damit Vertreter einer „neuen schwarzen Romantik“werden. Sie sind zum Teil so geschickt angeordnet, dass die Bilder bereits wirken, wenn der Besucher noch nicht einmal im Raum steht. Aus der Entfernung, in schummrige­s Licht gehüllt, sind zunächst nur glühende Punkte wie Glühwürmch­en sichtbar, durch Lautsprech­er werden Windgeräus­che ausgespiel­t. So soll das Geisterhaf­te spürbar werden. Erst beim Eintreten in den Raum geht das Licht an und das Gemälde wird in seiner eigentlich­en Gestalt sichtbar.

Die Ausstellun­g macht das Unbegreifl­iche ein Stück weit greifbarer. Lokale Spuk- und Geisterges­chichten aus Überlingen sollen in einer eigenen Ausstellun­g präsentier­t werden, voraussich­tlich erst 2020.

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FOTO: MUSEUM ÜBERLINGEN Eine Ikone des Horrors: Der Vampir Nosferatu aus Friedrich Wilhelm Murnaus Film „Symphonie des Grauens“.

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