Gesichter des Schreckens
Ausstellung im Museum Überlingen spürt Monstern und Geistern nach
- Werwolf, Vampir und Poltergeist. Sie sind der Stoff für viele Geschichten – und das nicht nur in Hollywood. Doch obwohl die Wesen vor allem dort die Kassen klingeln lassen, sind sie keine Erfindung der Traumfabrik. Dass sie weit älter als die Unterhaltungsindustrie sind, will nun die Sonderausstellung „Monster und Geister. Vom Mittelalter bis heute“im Städtischen Museum in Überlingen zeigen. Rund 100 Gemälde, Skulpturen und Dokumente aus öffentlicher und privater Hand geben Einblick in die Welt von unheimlichen Wesen und zeigen, dass das Phantastische in der Vergangenheit fest zur Lebenswelt der Menschen gehörte.
Fahle Haut, klauenartige Finger und ein leerer Blick, der das Fürchten lehrt: Der Vampir Nosferatu aus Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Klassiker „Symphonie des Grauens“von 1924 ist zwar nicht mehr ganz der Jüngste, aber gehört wohl immer noch zu den bekanntesten Vertretern der Geister und Dämonen. In Überlingen begrüßt er auf einer Plakatwand am Eingang als Galionsfigur des Übernatürlichen die Besucher. Zwar ist es mittlerweile schon mehr als 90 Jahre her, dass der Vampir erstmals über die Kinoleinwände flimmerte. Doch das erste unheimliche Wesen, das den Menschen das Schaudern lehrte, war er gewiss nicht. Genau das sollen die von Kuratorin Claudia Vogel zusammengestellten Exponate beweisen.
Schwanzmenschen und Tiger
Da wären beispielsweise die schweren Bücher aus dem 16. Jahrhundert. Die Verfasser der sogenannten Mirabilienliteratur erstellten bereits in der Frühen Neuzeit Lexika, die ungewöhnliche Wesen auflisteten und beschrieben. Dort finden sich etwa Einhörner, die sechsköpfige Hydra oder Schwanzmenschen – und das in direkter Nachbarschaft etwa zu Kamel und Tiger, die den Menschen wohl genauso seltsam erschienen. Das Übernatürliche gehörte zum Leben der Menschen wie das Beten in der Kirche.
Auch die Furcht vor Vampirwesen wie Nosferatu gab es schon im 13. und 14. Jahrhundert. In der Schweiz hängten Menschen mit Kräutern oder Knoblauch gefüllte Leinensäckchen an das Gebälk ihrer Häuser, welche die Dämonen fernhalten sollten. Einige dieser Säckchen sind nun in Überlingen zu sehen.
Neben historischen Quellen schlägt die Ausstellung auch einen Bogen in die Gegenwart. Trotz Aufklärung und moderner Informationstechnik ist die Grenze zwischen der Realität und dem Übernatürlichen nicht so scharf gezogen, wie man denken könnte. Exemplarisch dafür steht in der Ausstellung eine lebensgroße Fotografie. Sie zeigt eine Frau mit dunklem Teint, geschlossenen Augen, die Hände leicht an den Wänden rechts und links abgestützt. Das Bild erzählt die Geschichte von Margret aus Papua-Neuguinea. Die Tatsache, dass sie ihren Mann verlassen hat und der wenig später an Leukämie erkrankt ist, reichte für eine Verurteilung als Hexe. Es folgten Demütigung und Folterung. Ein Schicksal, das man nicht selbstverständlich im 21. Jahrhundert verortet und das doch aktuell ist – und zwar nicht nur in pazifischen Inselstaaten. Nur wenige Meter von der Fotografie entfernt findet sich etwa ein Exemplar der Rituale Romanum, einem Handbuch der Katholischen Kirche für den Exorzismus, das noch heute Anwendung finden soll.
Auch zeitgenössische Kunst erliegt manchmal der Faszination des Unerklärlichen. So finden sich in der Ausstellung etwa Werke von Neo Rauch oder Andrey Klassen, die das Dunkle und Obskure aufgreifen und damit Vertreter einer „neuen schwarzen Romantik“werden. Sie sind zum Teil so geschickt angeordnet, dass die Bilder bereits wirken, wenn der Besucher noch nicht einmal im Raum steht. Aus der Entfernung, in schummriges Licht gehüllt, sind zunächst nur glühende Punkte wie Glühwürmchen sichtbar, durch Lautsprecher werden Windgeräusche ausgespielt. So soll das Geisterhafte spürbar werden. Erst beim Eintreten in den Raum geht das Licht an und das Gemälde wird in seiner eigentlichen Gestalt sichtbar.
Die Ausstellung macht das Unbegreifliche ein Stück weit greifbarer. Lokale Spuk- und Geistergeschichten aus Überlingen sollen in einer eigenen Ausstellung präsentiert werden, voraussichtlich erst 2020.