Aus der Flasche in die Soße
Bier ist eine spannende Kochzutat – mit viel mehr Anwendungsmöglichkeiten, als es zunächst scheint
(dpa) - Es ist Pils, Alt oder Weizen, es ist unteroder obergärig, dunkel oder hell – Bier hat viele Facetten. Viele Profiund Hobbyköche verwenden das Gebräu auch als Zutat im Essen. In der Soße zum Beispiel, als das gewisse Etwas im Brot und manchmal sogar für die Zitrusnote im Dessert.
Die meisten Feinschmecker kennen die Kochzutat Bier aber vermutlich in ihrer klassischen Form – als Marinade für große Stücke Fleisch. Im Schweinebraten etwa, wie es Sternekoch Daniel Achilles noch aus seiner Ausbildung kennt: „Da werden Gewürze und Zitrone mit Bier richtig in das Fleisch massiert und dann 24 bis 48 Stunden stehen gelassen – da gibt es dann wenig Besseres“, erzählt der Küchenchef des Berliner Restaurants „Reinstoff“.
Neu ist diese Variante eher nicht – aber ein gutes Beispiel dafür, warum Bier sich als Kochzutat so gut macht. „In dem Fall hat das Bier verschiedene Wirkungen“, erklärt Achilles. Denn erstens nimmt das Fleisch den Geschmack vom Bier auf. Zweitens gibt es die Zuckerbestandteile im Malz, die beim Garen für einen karamellisierenden Effekt sorgen. Und drittens macht die natürliche Hefe den Braten schön mürbe. „Im Idealfall trinken sie dazu dann noch etwas von dem Bier, mit dem das Fleisch mariniert wurde, dann ist das eine sehr runde Sache.“
Damit Bier im Essen schmeckt, muss es nicht immer über Stunden mariniertes Fleisch sein: Als schnellere Alternative empfiehlt Achilles zum Beispiel eine Brotcreme mit Calamari oder Austern – und dazu dann einen Fond oder eine Vinaigrette mit Bier.
Denkbar sind aber auch noch ganz andere Rezepte. Im Prinzip sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, sagt Sandra Ganzenmüller (Foto: sampics/kommunikation.pur/dpa) vom Verband der Diplom-Biersommeliers. „Man kann mit Bier Soßen ablöschen, Nachspeisen verfeinern, man kann es auch zum Backen verwenden, in einem Früchtebrot zum Beispiel“, zählt sie auf. „Im Grunde kann man in jedem Rezept, in dem Wasser zum Einsatz kommt, das Wasser versuchsweise ganz oder teilweise durch Bier ersetzen. Da lohnt es sich, einfach mal zu experimentieren.“
Allerdings ist Bier nicht gleich Bier – und nicht jede Sorte gleichermaßen zum Kochen geeignet. Einsteigern empfiehlt Ganzenmüller eher dunkle Biere: Durch ihren hohen Malzgehalt geben die bei vielen Gerichten einen ordentlichen Aromaschub.
Helle Biere können zwar ebenfalls eine gute Zutat sein – bei einem zu hohen Hopfenanteil wird es aber gefährlich. Denn der produziert zwar eine leckere Zitrusnote, bekannt aus dem Hefeweizen zum Beispiel. In einem Dessert oder Gebäck macht die sich oft auch sehr gut – bei langem Einkochen oder Reduzieren geht sie aber verloren. „Stattdessen kann das Gericht etwas bitter werden“, warnt Ganzenmüller.
Hell und Dunkel, Malz und Hopfen sind aber längst nicht die einzigen Unterscheidungsmerkmale für Bier. „Es gibt 150 eingetragene Bierstile – bis hin zu Sorten wie dem belgischen Fruchtbier, das wir hierzulande vielleicht gar nicht mehr als Bier erkennen“, sagt Ganzenmüller. Entsprechend groß sind auch die Experimentier-Möglichkeiten – spätestens seit die Craft-Beer- und Microbrew-Welle aus Nordamerika nach Deutschland geschwappt ist.
Einer der Experten für Craft Beer und Co. ist der kanadische Buchautor Stephen Beaumont (Foto: Micha Dahan/dpa). Auch er hat längst erkannt, dass die neue Masse an ungewöhnlichen, lokal gebrauten Biersorten nicht nur zum Trinken taugt. „Wir haben heute eine viel größere Anzahl an Geschmäckern zur Auswahl“, sagt er. „Und damit auch viel mehr Möglichkeiten, wenn es ums Kochen geht.
Was das heißt, demonstriert er in seinem Buch „Bier: Kochen, Kombinieren, Genießen“: Darin findet sich zum Beispiel Biersenf mit dunklem Porter oder Steaksoße aus dem fast schwarzen Stout. Daneben gibt es Schweinerippchen in Schoko-Biersoße und sogar eine Hollandaise auf Bierbasis – zu einem über Hopfen geräucherten Lachs. Muscheln kocht er in Kokosnussmilch und belgischem Weizenbier, serviert am besten mit einem Kölsch. Und die „Grits“genannte Mais- oder Grieß-Grütze aus den US-Südstaaten bekommt mit Kürbis und Stout eine ganz besondere Note.
Der Biersommelier berät
Bei derartiger Vielfalt lässt sich aus Biergerichten sogar ein ganzes Menü zusammenbauen. Viele Restaurants tun das inzwischen auch, selbst in der Welt der Sterneköche, wie Fachmann Daniel Achilles erzählt: So leisten sich immer mehr Häuser neben dem örtlichen Weinkenner auch einen Biersommelier, der ganze Menüs mit passender Getränkebegleitung auf Malz- und Hopfenbasis versieht. „Bier hat in der Spitzengastronomie mittlerweile einen festen Platz – sowohl auf der Getränke- als auch auf der Speisekarte“, sagt Achilles.