Lieber Michelle als jemand anders
Mike Halder aus Meßkirch ist in der TCR Germany zugleich Teamchef, Ratgeber und Gegner seiner Schwester
- Stets Multitasking, gern auch abrupte Rollenwechsel, die Rennwochenenden pickepackevoll: Manchmal stresst der Doppeljob. „Aber“, Mike Halder grinst, „mir macht’s auf jeden Fall Spaß. Und ’s funktioniert ja, wie man sieht.“Mike Halder ist 22, die dritte Saison fährt er in der ADAC TCR Germany – den aktuellen Honda Civic TCR heuer für das Chemnitzer Team Honda ADAC Sachsen. Mike Halder ist zugleich (und das ist eine Premiere) Teamchef in der Tourenwagen-Serie.
Im Meßkircher Profi-Car Team Halder chauffiert seine Schwester Michelle sein 2017er-Auto, einen Cupra León TCR. Boss der 18-Jährigen ist der ältere Bruder. Eine Konstellation, die ihresgleichen sucht. Aber eben funktioniert. Vier der 14 Saisonläufe sind vorbei. Einen hat Mike Halder gewonnen, bei einem holte Michelle Halder die vollen 40 Punkte. Momente, die bleiben werden, nicht satt machen, nicht langsamer. Zu vieles kann noch kommen. Ein Podium zum Beispiel mit zwei Halders. Oder zwei Coups im TCR-Endklassement.
Zwei Teams, zwei Geschwisterpaare
Der Wechsel Mitte März wollte wohl überlegt sein. Als „perfekt“hatte Mike Halder 2017 das Miteinander bei WolfPower Racing erlebt; Gesamtzweiter der TCR Germany wird man nicht, wenn es im Rennstall nicht stimmt. Jetzt jedoch signalisierte Markus Fugel Interesse, Mike Halder prüfte, verglich, sagte schließlich zu. Der Mehrwert beim Fugel’schen Team Honda ADAC Sachsen? Der diesjährige Civic erwies sich rasch als ähnlich schnell wie das (ziemlich schnelle) Vorgängermodell. Und: Den treuen, vom ausgebildeten Kfz-Mechatroniker Mike Halder aufwendig gewarteten Cupra konnte Michelle Halder übernehmen – ihre endgültige Eintrittskarte in die TCR Germany nach zuvor Formel 4 und mehreren Gaststarts in der Spezial-Tourenwagen-Trophy.
Michelle Halders Kollege im ProfiCar Team Halder ist 17: Markus Fugels Sohn Marcel. Dominik Fugel, vier Jahre älter, sitzt im Rennsport-Ableger der väterlichen Autohandel-Gruppe im zweiten Fronttriebler-Cockpit – zwei Teams, zwei Geschwisterpaare. Die Mischung stimmt. Originalton Mike Halder: „Das zwischen den Fugels und uns, das passt tipptopp.“Könnte mit den Stockacher Wurzeln Markus Fugels zu tun haben (keine 18 Kilometer Luftlinie sind es nach Meßkirch!), zeigt sich an „sehr, sehr viel Spaß auf der Rennstrecke“. Dein Teamkollege, dein ...? Noch einmal Mike Halder: Das sei kein Duell der Familien. „Jeder guckt, dass wir gemeinsam da vorne mitfahren können.“
Das gelang – bisher – bevorzugt den Halders. Zunächst aber musste Mike Halder in der Motorsportarena Oschersleben einen 24. Platz quittieren. Ärgerlich, weil von der Pole-Position aus, ärgerlich auch, weil letztlich einer Drive-Trough-Strafe geschuldet, die durchaus diskutabel war. Wut im Bauch deshalb bei 30-Minuten-Sprintrennen Nr. 2? „Schon relativ viel!“Mike Halder allerdings lenkt kopfgesteuert, und so arbeitete er sich (bei umgekehrter Startreihenfolge der Michelle Halder auf die Frage, inwieweit es ihr wichtig ist, dass sie in Most auch die zweite Frau im TCR-Germany-Feld, die Schweizerin Jasmin Preisig, hinter sich gelassen hat.
Qualifikationsschnellsten) von Rang zehn aus „durchs Feld. Ich hab’ dann in der letzten Runde den Erstplatzierten überholt – schöner hätte mein erster TCR-Sieg nicht sein können, das war ein richtig geiles Rennen.“Kopfnicken bei Schwester Michelle. Als 13., dann als 15. hat sie in Oschersleben die karierte Flagge gesehen, bei immerhin 28 Startern, bei (noch) recht wenig eigener Tourenwagen-Erfahrung. „Wir waren schon sehr positiv überrascht, dass wir so gut mitgehen konnten.“Hilfreich waren natürlich die Cupra-Insidertipps des Bruders, hilfreich auch, dass dessen bewährter Mechanikertross 2018 weiterschraubt. Verteilt auf zwei Teams und zwei Autos: auf den Honda mit der Startnummer 7, den León mit der 53.
Ihn stellte Michelle Halder am letzten Aprilfreitag im tschechischen Most auf Position acht der Startaufstellung, Platz 18 im ersten Wertungslauf beschäftigte sie keine 24 Stunden. Couragierte 17 Runden belohnte dann die 18.: Ganz vorne, außer Konkurrenz, Pétr Fulin, Gaststarter. Weil Luca Engstler, der erste Verfolger, sich fatal vertat, zu früh siegesgewiss das Gas lupfte, zog Michelle Halder vorbei. Zweite war sie im Ziel, als Erste wird sie gewertet, ist Siegerin nach Punkten. „Ich konnt’s am Anfang gar nicht glauben.“Auch nicht, dass sie, die Neue, TCR-Geschichte geschrieben hat: „Das erste Mädle auf dem Podium!“Kollektiv der Respekt der Bezwungenen, riesig die Freude des Teamchefs. Der, als Fahrer, hinter der kleinen Schwester? Zu verkraften: „Lieber Michelle als jemand anders.“
In Most zeitweise auf Schlagdistanz
In Most, Part I, hieß der Andere Antti Buri. Erneut auf der Pole-Position, hatte Mike Halder den Finnen beim Start noch auf Distanz gehalten, „auf der nächsten Geraden“aber war er ein „leichtes Fressen“. Auch, weil das Reglement der Serie über einen „Balance of Performance“-Passus Fahrzeugparameter anpasst. Das Paket Honda/Halder war stark in Oschersleben, das hieß für Tschechien: weniger Motorleistung, mehr Gewicht. Platz zwei unter diesen Umständen war aller Ehren wert, und doch treibt die Frage um, ob da nicht eher Fahrerparameter nivelliert werden.
Most, Part II, sah einen wieder flotten Mike Halder, eingebremst jedoch durch eine abermalige Durchfahrtstrafe. Zehnter, der Triumph der Schwester versüßte das. Kurzzeitig lagen die Geschwister in diesem Lauf auf Schlagdistanz: sie Dritte, er Vierter. „Da fährst du mit bissle mehr Gedanken als sonst“, verrät Mike Halder. „Es ist schon teilweise echt witzig.“
Womöglich bleibt es das ja. Dieses Wochenende auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg (erstes Rennen Sa., 11.55 Uhr/Sport1; zweites Rennen So., 14.45 Uhr/Sport1.de), am Saisonende, wenn zusammengezählt wird. Mike Halders Antrieb ist der Titel, aktuell ist er Gesamtvierter. Michelle Halder, Achte im TCR-Klassement, möchte die Rookie-Wertung der Serieneinsteiger für sich entscheiden und „so oft wie möglich noch mal auf dem Podium stehen. Am besten mit Mike.“
Siegerehrungen gehen nämlich immer. Auch an pickepackevollen Doppeljob-Tagen.
„Hauptsach’, als Erste über die Ziellinie!“