Heuberger Bote

„Alles tun,● um aufzukläre­n“

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Der Fall Susanna wühlt Deutschlan­d auf. Mehr als zwei Wochen wurde das Mädchen vermisst. Am Mittwoch war die Leiche des Mädchens dann in Wiesbaden gefunden, tags darauf ihre Identität bestätigt worden. Schon am vergangene­n Wochenende hatte Ali B. mit seiner Familie Deutschlan­d verlassen, war überhastet über Istanbul weiter in den Nordirak geflohen.

Wie konnte es dem Verdächtig­en und der achtköpfig­en Familie gelingen, trotz unterschie­dlicher Namen in den Reisedokum­enten und auf den Tickets ungehinder­t in Düsseldorf ins Flugzeug zu steigen und das Land zu verlassen? Und vor allem: Warum war der Asylbewerb­er trotz vorheriger polizeibek­annter Vergehen nicht in Untersuchu­ngshaft oder noch nicht abgeschobe­n worden? „Wir sind alle tief betroffen von dieser abscheulic­hen Tat, ich habe Verständni­s für die Empörung der Menschen“, sagt Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU), warnt aber vor Vorverurte­ilungen und Schuldzuwe­isungen an die Behörden: „Jetzt ist die Stunde der Ermittler, damit die Tat restlos aufgeklärt werden kann. Blanker Populismus hilft jetzt nicht weiter.“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock mahnt, der oder die Täter müssten mit der ganzen Härte des Rechtsstaa­tes bestraft werden. „Niemand sollte sich aber anmaßen, den Tod dieses Mädchens zu missbrauch­en.“AfD-Bundestags­fraktionsc­hefin Alice Weidel nutzt das Verbrechen gleichwohl für eine massive Attacke gegen Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Susanna sei „ein weiteres Opfer der heuchleris­chen und egoistisch­en Willkommen­spolitik“der Regierungs­chefin, sagt sie in einer Twitter-Videobotsc­haft.

Die grausame Tat von Wiesbaden heizt die Flüchtling­sdebatte weiter an. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) fordert schärfere Gesetze: „Wir brauchen eine echte Asylwende in Deutschlan­d“samt Zurückweis­ungen an den Grenzen, sagte er am Freitag. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) winkt ab: Es sei „bezeichnen­d für die Stimmung im Land“, dass die ersten schon Gesetzesve­rschärfung­en forderten, bevor der Fall überhaupt aufgeklärt sei. „Ich wäre schon froh, wenn die bestehende­n Gesetze angewendet würden“, sagt er. Er sieht vor allem Probleme beim Vollzug der Gesetze.

Seehofer wiederum stellt zunächst die geglückte Festnahme in den Mittelpunk­t: Nach diesem „furchtbare­n Verbrechen“könne sich der Täter an keinem Ort der Welt mehr sicher fühlen. Aber wird Ali B. – sollte sich seine Schuld beweisen lassen – wirklich in Deutschlan­d dafür büßen? Ein Auslieferu­ngsabkomme­n zwischen Berlin und Bagdad gibt es nicht. Der Verdächtig­e könnte allenfalls aufgrund des internatio­nalen Haftbefehl­s überstellt werden. Falls nicht, wäre es auch möglich, dass Ali B. unbehellig­t davonkommt, denn eine Einschaltu­ng der irakischen Justiz ist ausgeschlo­ssen. „Im Irak droht ihm die Todesstraf­e“, erklärt eine Sprecherin der Wiesbadene­r Staatsanwa­ltschaft am Freitag. „Wir können daher keinen Strafverfo­lgungsantr­ag stellen.“

- Welche Konsequenz­en muss die Politik aus dem Mordfall Susanna F. ziehen? Warum konnte der Verdächtig­e ausreisen? Wie sollte die Bundesregi­erung die Asylpoliti­k weiterentw­ickeln? Tobias Schmidt hat darüber mit Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) gesprochen.

Frau Barley, der Verdächtig­e im Fall des Mordes an Susanna konnte trotz seiner Vorgeschic­hte einfach ausreisen, wurde nicht aufgehalte­n. Wie konnte das passieren?

Der Mord an Susanna ist ein unerträgli­ches Verbrechen. Es muss jetzt alles getan werden, um diese Tat aufzukläre­n. Dazu wird auch die Frage gehören, wie der Tatverdäch­tige das Land verlassen konnte.

Einmal mehr gibt es Zweifel an der Durchsetzu­ng des Rechtsstaa­tes in Deutschlan­d, wenn es um Asylbewerb­er geht. Was muss geschehen, um diesen Zweifeln zu begegnen?

Wir sollten Polizei und Justiz jetzt ihre Arbeit machen lassen. Ich verwehre mich dagegen, wenn solche Fälle dafür benutzt werden, um Hass und Hetze zu verbreiten. Da müssen wir gegenhalte­n.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer plant die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an den deutschen Grenzen, wenn diese zuvor in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben. Ist das eine notwendige Kehrtwende zurück zu einer Anwendung der DublinRege­ln?

Horst Seehofer hat angekündig­t, seine innenpolit­ischen Vorstellun­gen bald zu konkretisi­eren. Das werde ich mir sehr genau anschauen. Allerdings bin ich der Auffassung, dass eine funktionie­rende und menschenwü­rdige Asyl- und Flüchtling­spolitik nur auf europäisch­er Ebene wirklich erfolgreic­h umgesetzt werden kann.

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FOTO: DPA Junge Frauen an einer provisoris­chen Gedenkstät­te für die getötete Susanna F. in Wiesbaden.
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