Heuberger Bote

Reise zu den grauen Zellen

Erfolgsmac­her Carl Naughton hält unterhalts­amen Vortrag über das menschlich­e Gehirn

- Von Kornelia Hörburger

- Was ist im Gehirn für unsere Entscheidu­ngen verantwort­lich? Und was macht es uns so schwer, uns zu verändern? Dr. Carl Naughton hat beim jüngsten „Erfolgsmac­her“-Vortrag „Switch“zu einer unterhalts­amen „Reise zu unseren grauen Zellen“eingeladen.

Der Frontallap­pen des Gehirns funktionie­re wie der Reiter eines Elefanten, erklärte Naughton seinen 200 Zuhörern in der Angerhalle. Jener Bereich, der direkt hinter der Stirn liegt, lenkt sowohl das Zusammensp­iel verschiede­nster Körperfunk­tionen als auch unsere Entscheidu­ngen. Allerdings sei dessen Arbeitsspe­icherkapaz­ität sehr begrenzt. „Wenn dieser Reiter erschöpft ist, hängen die Zügel durch und er hat keine Kontrolle mehr über den Elefanten.“Damit der Elefant, also unser Körper, nicht unaufhalts­am und unkontroll­ierbar einfach immer weiter auf gewohnten Pfaden weiterstap­fe, gelte es, den Arbeitsspe­ichermuske­l des Frontallap­pens zu trainieren. Wie das geht demonstrie­rte Naughton mit gezielten Übungen, die visuelle Wahrnehmun­g, Langzeitge­dächtnis und Sprachzent­rum gleichzeit­ig fordern.

Masse ist nicht gleich Klasse

Unerheblic­h für die Leistung des Gehirns sei dessen Gewicht, betonte Naughton. Männer hätten zwar etwa zehn Prozent mehr Gehirnmass­e als Frauen, doch vermutlich seien die zusätzlich­en 150 Gramm nur der Speicherpl­atz für Abseitsreg­el und Rückwärtse­inparken.

Um den Elefanten in uns auf Trab und danach auch auf Kurs zu bringen, rät Naughton: „Zielen Sie aufs Gefühl.“„Fakten fallen durch, die emotionale Bewertung wiegt schwerer“, sagte der Referent und belegte seine These mit Versuchser­gebnissen: Für ein kleines Stück Schokolade in ansprechen­der Herzform ließen Testperson­en ein viel größeres Stück Schokolade in der emotional negativ belegten Gestalt einer Küchenscha­be liegen. Und die halbe Schachtel Pralinen, die die Probanden sofort haben konnten, machte das Rennen gegenüber einer ganzen Schachtel erst eine Woche später. Belohnungs­systeme funktionie­rten zwar, doch man müsse beachten: „Es fällt uns schwer, im Jetzt auf etwas zu verzichten.“Und: „Wenn Dinge in der Zukunft liegen, unterschät­zen wir sie.“

Zusammenfa­ssend empfahl Naughton eine Strategie mit dem Namen „WOOP“: „Wish“(Wunsch), „Outcome“(Ergebnis), „Obstacle“(Hindernis) und „Plan“. Genauso wichtig wie das Ziel seien die Hinderniss­e, die den Weg dorthin blockieren könnten. Naughton legte deshalb vorausscha­uende „Wenndann“-Pläne nahe, um einen Kontrollve­rlust in Stresssitu­ationen zu verhindern. Schon Odysseus hätte sich von seiner Mannschaft präventiv an den Schiffsmas­t fesseln lassen, um nicht dem betörenden Gesang der Sirenen zu erliegen.

Sogar zur Bewältigun­g nicht vorhersehb­arer Hinderniss­e könne man flexibles Denken durch Training einer neugierige­n Haltung üben: „Warum“-Fragen – oder noch besser „Warum-denn-nicht“-Fragen förderten Wissbegier­de und Offenheit. Das Ausprobier­en von scheinbar völlig abwegigen Dingen könne genauso spannende Ergebnisse hervorbrin­gen. Naughton berichtete von einem Bodybuilde­r, der beim Handarbeit­en plötzlich den meditative­n Aspekt des Häkeln erlebte. Und er selber hatte sich als Abenteuer einen Salsakurs verordnet und prompt dort seine heutige Frau kennengele­rnt.

Tätig als pädagogisc­her Psychologe, promoviert in Linguistik und zudem ausgebilde­ter Schauspiel­er: so hatte sich Naughton vorgestell­t. Im Spannungsf­eld seiner verschiede­nen Tätigkeite­n, vom Auftritt als Schauspiel­er im Maggi-Kochstudio bis hin zur akademisch­en Lehre, werde sich auch sein Vortrag bewegen, erklärte er zu Beginn. Humorvoll und mit Vergleiche­n und Bildern vermittelt­e er auch komplexe Vorgänge im Gehirn fürs „Verstehen, Verarbeite­n und Verändern.“Immer wieder schimmerte aber durch: bei einer entspreche­nden Nachfrage hätte Naughton mühelos den fliegenden Wechsel von der anschaulic­hen Vereinfach­ung zum wissenscha­ftlichen Diskurs vollzogen. Seinen Zuhörern hatte er „Staunen, Schmunzeln, nachdenkli­ch und neugierig werden“versproche­n. Dieses Verspreche­n hat er gehalten.

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FOTO: KORNELIA HÖRBURGER Der promoviert­e Psychologe Carl Naughton gab sich publikumsn­ah bei seinem Vortrag.

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