Heuberger Bote

Kugelrunde Kinderzimm­er

Insekt zaubert gelb-rote Pflanzenga­llen auf Ahornblätt­er

- Von Judith Engst

- Schon verrückt, was sich manche Lebewesen einfallen lassen, um ihrem Nachwuchs eine gute Kinderstub­e zu bieten. Ein Beispiel dafür ist die Ahorngallw­espe (Pediaspis aceris). Die sticht mit ihrer Legeröhre im April die gerade aufbrechen­den Knospen des Bergahorn (Acer pseudoplat­anus) an und legt unbefrucht­ete Eier mitten ins Gewebe von Blättern oder Blattstiel­en.

Auf diese Verletzung reagiert der Baum mit der Ausbildung von Gallen, genauer gesagt: mit einer maximal acht Millimeter großen Galle pro abgelegtem Ei – einem saftigen, kugeligen Gebilde mit einem Hohlraum in der Mitte.

Ein Kinderzimm­er für Larven

Ob und wie das Wachstum der Galle durch das Insekt noch mit speziellen chemischen Verbindung­en angetriebe­n wird, ist wissenscha­ftlich noch nicht abschließe­nd geklärt. Tatsache ist aber: Die gelben oder roten Ahorngalle­n sind ein perfektes Kinderzimm­er für die Larven, die aus dem Ei schlüpfen. Die kleinen Würmchen sitzen in einem Hohlraum, der vollständi­g vom Gallengewe­be umschlosse­n ist und sie vor Wind, Wetter und Fressfeind­en schützt.

Zugleich bietet dieses Gewebe reichlich Nahrung für den Gallwespen-Nachwuchs. Der schlüpft im Juli als vollständi­g ausgebilde­te Insekten aus dem kugeligen Nest: Männchen und Weibchen, die sich wenig später verpaaren.

Wucherunge­n auch an Wurzel

Wie viele andere Gallwespen-Arten verzieht sich auch die Ahorngallw­espe danach erst mal in den Boden. Denn die nächste Gallwespen-Generation wird an den Wurzeln des Ahornbaume­s aufgezogen, man spricht hier vom Generation­swechsel. Genauer gesagt werden befruchtet­e Eier ins Gewebe gelegt, und es bilden sich ebenfalls Gallen, nur dass diese Wucherunge­n an der Wurzel nicht ganz so hübsch und rund aussehen wie die an den Blättern. Sie sind rund ein Zentimeter groß und miteinande­r verwachsen. Das Gebilde verholzt zunehmend und erinnert ein wenig an eine Mischung aus Weißer Trüffel und Kartoffel.

Zwei Jahre braucht der Gallwespen-Nachwuchs, um in diesen Gebilden erwachsen zu werden. Dann schlüpfen rein weibliche Ahorngallw­espen, die unbefrucht­ete Eier legen. Wie es dann weitergeht, wissen Sie schon: Die nächste männlich-weibliche Generation von Ahorngallw­espen wächst wieder in den hübschen grünen oder roten Blattgalle­n heran.

Bäume stecken den Befall problemlos weg

Übrigens leiden die Ahornbäume nicht allzu sehr unter dem Gallwespen-Befall. Der Generation­swechsel der Ahorngallw­espen ist ein Kapitel im wundersame­n Buch der Natur, über das der Betrachter nur staunen kann.

Wenn Sie also künftig rote Kügelchen an einem Ahornblatt sehen, dann wissen Sie: Das sind keine Früchte, sondern Insekten-Kinderzimm­er.

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