Heuberger Bote

Gewinne zurück nach Athen

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Untergangs­szenarien sind seit geraumer Zeit in Mode. Dabei wird verkürzt und polemisier­t, Ressentime­nts sind schnell zur Hand. Die griechisch­e Staatsschu­ldenkrise ist ein Paradebeis­piel dafür. Über die Griechen wurde gezetert, ihnen wurde Faulheit unterstell­t und der Eindruck erweckt, dass Deutschlan­d wie immer der Zahlmeiste­r Europas sei. Boulevard-Zeitungen waren entzückt.

Doch acht Jahre sogenannte­r Griechenla­nd-Rettung belegen das Gegenteil. Obwohl der Bevölkerun­g große Mühen aufgebürde­t wurden, stabilisie­rt sich Griechenla­nd nur auf einem bescheiden­en Niveau – hingegen hat die Bundesrepu­blik nicht etwa viel Geld verloren, sondern mit Zinsgewinn­en fast drei Milliarden Euro verdient. Es wäre richtig, diese Gewinne Griechenla­nd zurückzuge­ben. Das Land ist mit Geduld und einem konstrukti­ven europäisch­en Willen aus der selbst verschulde­ten Schieflage befreit worden. Aber als Blaupause für internatio­nale Problemlös­ungen kann es nicht dienen. Zu heftig und zu persönlich wurde der Streit zwischen Geldgebern und griechisch­er Regierung geführt.

Viele Griechen müssen nach zahlreiche­n Reformen, die nichts anderes als Kürzungs- und Strukturpr­ogramme waren, mit sehr wenig Geld durch den Alltag kommen. Die Renten sind massiv beschnitte­n worden, die Arbeitslos­igkeit ist weiter hoch. Wichtige Medikament­e für Kranke sind in diesem EU-Mitgliedsl­and oft nicht mehr erschwingl­ich. Kurzum: In einigen Stadtteile­n Athens herrschen Dritte-Welt-Verhältnis­se. Für die Menschen dort ist die Europäisch­e Union schon lange kein Heilsbring­er mehr. Das sind die Gründe, warum Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron einen EU-Haushalt fordert. Nicht um einfach Geld vom Norden in den Süden zur Finanzieru­ng von Schulden zu transferie­ren, sondern um die EU handlungsf­ähiger und wirtschaft­lich robuster zu machen. Frankreich lag bereits 2015 richtig, als Berlin den Euro-Ausschluss von Griechenla­nd forderte und Paris dies vehement ablehnte. Nach Griechenla­nd braucht jetzt auch die EU tief greifende Reformen.

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