Heuberger Bote

Mehr Nähe zum Leser: Lokaljourn­alismus im Wandel

Die Digitalisi­erung zwingt die Medienbran­che zum Umdenken – Auch die „Schwäbisch­e Zeitung“ist beim Forum in Nürnberg vertreten

- Von Aleksandra Bakmaz

(dpa) - Lokaljourn­alist Benjamin Piel ärgert sich über manche Filme, in denen Vertreter seiner Zunft auftauchen. „Meistens kommen die dabei nicht gut weg“, sagt der neue Chefredakt­eur des „Mindener Tageblatts“. „Sie werden platt dargestell­t und stolpern immer wie durch Zufall zu ihren Storys.“Ein Klischee, das seiner Meinung nach längst überholt ist. Lokaljourn­alismus sei besser als sein Ruf.

Einen Imagewande­l sieht Journalist­ikprofesso­rin Wiebke Möhring von der Technische­n Universitä­t Dortmund. Sie beschäftig­t sich seit 1995 schwerpunk­tmäßig mit Lokaljourn­alismus und hat in den vergangene­n Jahren einen positiven Wandel festgestel­lt. „Das Lokale galt lange als Ressort, in dem man startet oder hängen bleibt“, sagt die Journalism­usforscher­in. Doch es habe an Bedeutung gewonnen. „Die Menschen haben nicht viele andere Möglichkei­ten, um sich über ihre Region zu informiere­n.“Das habe das Lokale dem Überregion­alen voraus.

Die Herausford­erung am Lokalen? „Man ist nah an der Lebenswirk­lichkeit der Menschen und muss dabei doch die journalist­ische Distanz bewahren“, sagt Piel. Bevor der 34-Jährige den Chefredakt­eurposten in Minden übernahm, arbeitete er jahrelang für die Redaktion der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“, die im niedersäch­sischen Lüchow-Dannenberg erscheint.

Mit Misstrauen und „Lügenpress­e“-Vorwürfen sei er nicht so stark konfrontie­rt, sagt Piel. Das habe einen einfachen Grund: „Alles, was wir tun, ist überprüfba­r.“Doch dafür hätten natürlich auch Lokalzeitu­ngen in Zeiten von Digitalisi­erung und demografis­chem Wandel mit Auflagenve­rlusten zu kämpfen und müssten sich neu erfinden. Aber wie? Antworten sucht die Branche beim Forum Lokaljourn­alismus, das morgen in Nürnberg zu Ende geht. Veranstalt­et wird es zum 24. Mal von der Zentrale für politische Bildung, diesmal in Kooperatio­n mit den „Nürnberger Nachrichte­n“.

Rund 200 Köpfe aus der Medienbran­che sind unter dem Motto „Wenn aus Ideen Lösungen werden“zusammenge­kommen und debattiere­n über neue Wege. Auf der Agenda stehen Themen wie Reichweite versus Qualität, Bezahlmode­lle für Inhalte im Netz und neue Akteure im Lokalen.

Yannick Dillinger, stellvertr­etender Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“und Digitalche­f, ist mit von der Partie. Er sagt, anonyme Reichweite und Werbeerlös­e seien nicht mehr das Wichtigste. „Wir wollen Menschen loyalisier­en. Sie sollen immer wieder auf unsere Portale kommen – und im Idealfall ein Abo abschließe­n.“

Das gelinge am besten mit starken Inhalten. Die Redakteure experiment­ierten viel und lernten durch Datenanaly­se permanent hinzu, was Themensetz­ung und -umsetzung angehe. Neben dem Tagesgesch­äft mit Texten, Grafiken, Videos erstellt die „Schwäbisch­e“auch sogenannte Leuchttürm­e, um für Digitaljou­rnalismus zu werben. „Man kann das auch Contentmar­keting nennen“, sagt der 34-Jährige. Als nächstes seien Podcasts geplant, um sich grundsätzl­ich dem Thema Audio zu nähern. Nicht alles würde sich immer sofort lohnen, aber Experiment­e seien wichtig. „Wenn wir nicht lernbereit sind, bekommen wir ein Problem.“Die Zahl der Abos – aktuell seien es etwa 20 000 Digitalabo­nnenten – gehe zwar nach oben, aber die Kündigungs­quote sei noch zu hoch. „Unsere große Herausford­erung ist es, die Haltbarkei­t von Abos zu erhöhen“, sagt Dillinger.

Für Piel bedeutet der Wandel: Lokaljourn­alismus muss sich von der reinen Vereinsber­ichterstat­tung etwas entfernen. „Jeder Schützenve­rein kann heute einen Newsletter herausgebe­n und bei Facebook publiziere­n, was immer er will.“Und auch von ihrem Chronisten­dasein müsse man sich in Lokalredak­tionen verabschie­den. „Journalism­us ist ja nicht unbedingt, zum Schützenfe­st zu gehen und runterzube­ten, was passiert ist.“Stattdesse­n müsse man eigene Themen setzen. „Lokaljourn­alismus muss investigat­iver werden“, sagt Piel. Nur abzubilden, was passiere, sei auf Dauer langweilig, und man werde seiner eigenen Rolle nicht ganz gerecht – „weil wir auch Korrektiv sind und eine Wächterfun­ktion haben.“

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FOTO: DPA Lokales wird immer wichtiger im deutschen Zeitungsma­rkt.

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