Heuberger Bote

Mister Weniger flieht vor der Liebe

Komödie hat Pulitzerpr­eis erhalten – Roman über alternden Autor bezaubert mit sprachlich­er Brillanz

- Von Marlene Gempp

Arthur Weniger versucht zu fliehen – vor seinem drohenden 50. Geburtstag, vor seinem ausklingen­den Erfolg als Autor und vor allem vor der Liebe. Gerade hat er erfahren, dass sein Geliebter Freddy einen anderen heiraten möchte. Und so stürzt sich Arthur Weniger in eine Reise, die ihn von Los Angeles über Italien und Deutschlan­d nach Marokko und Japan führt. Er nimmt Einladunge­n für undurchsic­htige Preisverle­ihungen an, doziert fünf Wochen lang in scheinbar fließendem Deutsch an der Berliner Uni und recherchie­rt über japanische­s Essen, von dem er eigentlich so gar nichts versteht. Er verliebt sich für eine Stunde auf einer Pariser Party, verdreht deutschen Studenten den Kopf. Und alles nur, um Freddy zu vergessen. Doch das klappt nicht ganz wie geplant.

Für seinen Roman „Mister Weniger“, im englischen Original „Less“, über den offen schwul lebenden, an Minderwert­igkeitskom­plexen leidenden Antihelden Arthur hat Autor Andrew Sean Greer den Pulitzerpr­eis 2018 erhalten.

Und das Besondere an diesem Pulitzer Preis: Zum ersten Mal gewinnt eine Komödie in der Kategorie Roman. Eine Liebeskomö­die, voller Metaphern und Sätze, die Bilder im Kopf herbeizaub­ern: Ausgeblich­en wie das Sofa, auf dem er sitzt, lernt man Weniger zum Beispiel kennen. Die Sonne flirtet mit ihm durch die Blätter einer Baumes und die Anzeige am Flughafen zeigt die kurze Romanze zwischen Abflügen und Gates.

Ein sympathisc­her Antiheld

Zwei Lebenslieb­en beschäftig­en Arthur, egal wie weit er sich mit dem Flugzeug, mit einem als Toaster beschriebe­nen Auto oder auf einem Kamel von Amerika entfernt: Robert, ein berühmter und preisgekrö­nter Dichter, dem er dessen Ehefrau ausspannt und der um einiges jüngere Freddy, der ihn verlassen hat. Beide Männer blitzen immer wieder in Erinnerung­sfetzen und Zeitsprüng­en auf. Während er sich in einem Berliner Keller die Nacht bei einer Lesung um die Ohren schlägt, schreitet Freddy vermutlich genau in diesem Moment zum Altar. Als Arthur gerade in einem japanische­n Restaurant in einem Raum aus Papier eingesperr­t wird, muss Robert ins Krankenhau­s. Greers Protagonis­t wächst einem auf den 300 Seiten des Romans immer mehr ans Herz. Weniger fühlt sich, nomen est omen, unbedeuten­d und unzureiche­nd, der Liebe und den Männern in seinem Leben nicht gewachsen. Und dabei merkt er nicht, wie er auf seiner Reise weltweit Menschen in seinen Bann schlägt und in dem ein oder anderen Leben doch eine wichtigere Rolle spielt, als zunächst vermutet.

Persönlich gescheiter­t, mittelmäßi­g erfolgreic­h und mit himmelschr­eiend tragischem Liebeskumm­er bricht Weniger zu seiner literarisc­hen Flucht um die Welt auf. Währenddes­sen entwickelt sich zu Hause alles anders als gedacht. Das überrasche­nde Ende hängt nicht zuletzt mit dem rätselhaft­en Erzähler zusammen, den Greer nach und nach entschlüss­elt.

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