Drazen D. soll länger als 15 Jahre in Haft
Dreifachmord: Staatsanwalt stellt „besondere Schwere der Schuld“fest
- Neuneinhalb Monate nach dem Dreifachmord von Villingendorf und dreieinhalb Monate nach Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Rottweil hat Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich am gestrigen 16. Verhandlungstag lebenslange Haft mit „Feststellung der besonderen Schwere der Schuld“für den Angeklagten Drazen D. gefordert.
Das würde bedeuten, dass der 41Jährige nicht wie gemeinhin üblich nach 15 Jahren freikommt, sondern frühestens nach etwa 20 Jahren einen Antrag stellen kann.
Die sieben Nebenkläger schlossen sich dem an und forderten zudem im Namen der Opfer, dass Drazen D. so lange wie möglich „weggesperrt“werde.
Der Angeklagte hatte gestanden, den neuen Freund seiner Ex-Partnerin, dessen Cousine und den eigenen sechsjährigen Sohn aus nächster Nähe mit einem Kriegsgewehr aus dem früheren Jugoslawien erschossen zu haben. Er habe eigentlich nur reden wollen, aber dann „wie in Trance“geschossen.
„Er kam, um zu töten, nicht um zu reden“
„Er kam, um zu töten, nicht um zu reden“, sagte Oberstaatsanwalt Dittrich. Der Angeklagte habe drei Familien zerstört. Das Motiv sei Rache gewesen, weil ihm verboten worden sei, seinen Sohn zu sehen. Er habe die Tat aus niederen Beweggründen und heimtückisch verübt, womit zwei Mordmerkmale erfüllt seien, betonte der Ankläger. Der Angeklagte habe nicht im Affekt gehandelt, sondern sei sehr gezielt vorgegangen, habe die Tat Wochen vorher geplant. Seine Ex-Freundin habe er verschont, „damit sie ein Leben lang leiden“müsse. An der Schuldfähigkeit gebe es, wie vom psychiatrischen Gutachter festgestellt, keine Zweifel, so Dittrich weiter, auch wenn Drazen D. an einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung“leide. Das Verhältnis zu seiner Freundin sei von Schlägen, Drohungen und Aggressionen geprägt gewesen. Den Sohn habe er, nicht wie behauptet und von Zeugen auch bestätigt, geliebt, sondern aus einer egoistischen Haltung heraus als Eigentum betrachtet, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt.
Er widersprach den während des Prozesses von Zeugen mehrfach erhobenen Vorwürfen, vor allem die Polizei hätte – nach gezielten Ankündigungen, Warnungen und Anzeigen – den Dreifachmord verhindern können (siehe Blick). „Niemand wusste, dass er eine Schusswaffe hatte“, sagte Dittrich.
„Es ist eine Tat, die fassungslos macht“, räumte Verteidiger Bernhard Mussgnug zu Beginn seines Plädoyers ein. Er bestätigte den Ermittlern und dem Staatsanwalt, das Geschehen „hoch professionell“aufgearbeitet und dem Gericht, „sehr akribisch“verhandelt zu haben.
Verteidigung verhalten
Der Anwalt betonte, er und seine Kollegen hätten aus Rücksicht auf die Opfer auf eine „Konfliktverteidigung“verzichtet. Trotzdem gebe es auch entlastende Aspekte für seinen Mandanten: Mit seinem umfassenden Geständnis und der Erklärung, er würde die Tat ungeschehen machen, wenn er könnte, habe er durchaus Verantwortung übernommen. Es sei für ihn eine Provokation gewesen, dass seine Ex-Freundin weiterhin im Radolfzeller Swingerclub ihres früheren Mannes gearbeitet habe und wohl auch sonst im Milieu tätig gewesen sei. Ebenso, dass sie den gemeinsamen Sohn mehrfach monatelang zu ihren Eltern nach Lettland gebracht habe. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe die lapidare telefonische Mitteilung ihres neuen Freundes, er werde künftig entscheiden, wann der Vater seinen Sohn sehen könne.
Die Mordmerkmale seien weniger eindeutig wie vom Staatsanwalt behauptet, sagte Mussgnug. Besonders hob er auf den Befund des psychiatrischen Gutachters ab, wonach Drazen D. voll schuldfähig sei: Es gebe auch Argumente dagegen, sagte Mussgnug. Sein Kollege Fritz Döringer bekräftigte das: „Das ist ganz nah an schuldunfähig.“
Die beiden Verteidiger wollten keinen konkreten Strafantrag stellen, baten aber das Gericht, ihre Argumente zu berücksichtigen. Mussgnug ließ anklingen, er habe intern dafür geworben, dass der Angeklagte das Urteil – egal wie es ausfalle – noch im Gerichtssaal akzeptiere, „das wäre das höchste Maß an Verantwortung“. Aber da sei er mit seinem Kollegen noch nicht ganz einig.
Drazen D. nutzte die Gelegenheit zum „letzten Wort“und sagte: „Es tut mir leid für die Familie, mehr kann ich nicht sagen.“
Das Urteil wird am kommenden Dienstag um 9 Uhr verkündet.