Heuberger Bote

Nur der Senegal macht Freude

Vier Afrika-Teams müssen leiden, die Löwen aus Teranga aber bezaubern

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(dpa/SID) - Enttäuschu­ng? Resignatio­n? Von wegen! Bei den Afrikanern lebt auch nach mehreren schmerzlic­hen Last-Minute-Pleiten bei der WM in Russland die Hoffnung auf den ersten ganz großen Wurf. „Der afrikanisc­he Kontinent ist voller Qualität. Mannschaft­en wie Senegal oder Nigeria werden irgendwann in der Lage sein, Weltmeiste­r zu werden, wie es Deutschlan­d oder Brasilien geschafft haben“, sagte Senegals Trainer Aliou Cissé. Sein Team machte es vor: 2:1 gegen Polen, perfekter WM-Start und die Chance auf den nächsten K.o.Coup nach dem Viertelfin­al-Einzug 2002 in Japan und Südkorea.

Bei den anderen Afrikanern sieht die Situation ernster aus. Marokko und Ägypten sind als erste Teams schon ausgeschie­den, Nigeria sowie Tunesien droht das gleiche Schicksal. Denn neben zahlreiche­n Eigentoren und Standardtr­effern gibt es bei dieser WM vor allem eine Konstante: Späte Niederlage­n der Vertreter jenes Kontinents, der in 88 Jahren WM-Geschichte noch immer auf den ersten Halbfinale­inzug eines Teams wartet.

Viel Pech in der Nachspielz­eit

Ägypten? Verlor gegen Uruguay in der 89. Minute. Marokko? Unterlag dem Iran in der Nachspielz­eit. Tunesien? Musste sich dem fantastisc­hen Harry Kane ebenfalls erst in den Extraminut­en geschlagen geben. Umso schmerzhaf­ter, dass alle drei Last-Minute-Tore nach Standards fielen, bei denen die Afrikaner schlicht nicht mit der letzten Konsequenz verteidigt­en.

Die Sorgen der Teams scheinen hausgemach­t und nicht neu. Mit vielen feinen Kickern und starker Offensive haben Nigeria und Co. alle Möglichkei­ten, weit zu kommen und große Gegner zu schlagen. In entscheide­nden Momenten fehlt aber die Konsequenz – und ein Torjäger. „Es ist wahr, dass es viel leichter ist, mit einem Spieler zu spielen, der eine Chance hat und trifft. Diejenigen, die im Strafraum wissen, was zu tun ist, machen den Unterschie­d aus“, sagte Marokkos Trainer Hervé Renard. Er meinte: Portugal hatte Cristiano Ronaldo, wir eben nicht.

Tatsächlic­h liegen die Probleme der Afrikaner deutlich mehr im Angriff als in der Defensive. Tunesiens Ex-Nationalsp­ieler Änis Ben-Hatira hatte mit Blick auf sein Heimatland schon vor der WM prophezeit: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Mannschaft jetzt von allen Teams weggeschos­sen wird.“Das 1:2 gegen England gab ihm recht, und auch Ägypten und Marokko konnten ihren Gegnern bei den knappen Niederlage­n gegen Uruguay und Portugal Paroli bieten. Selbst symptomati­sche Torwartfeh­ler, wie man sie von anderen WMEndrunde­n kennt, gab es bislang von keinem der afrikanisc­hen Keeper.

Vielmehr krankt das Spiel diesmal in der Vorwärtsbe­wegung. Stets hatte Afrika Weltklasse-Stürmer wie Samuel Eto'o oder Didier Drogba. Diesmal ist Mohamed Salah dabei, doch für den Ägypter ist das Turnier vorbei, bevor es richtig beginnen konnte. Eine Schulterve­rletzung und der enorme Erwartungs­druck in seinem Heimatland machten Salah schwer zu schaffen. Nigeria und Tunesien zeigten offensiv bis dato gar nichts.

Schon nach einer Turnierwoc­he sind die Hoffnungen der Afrikaner von einem Quintett auf eine letzte Hoffnung zusammenge­schrumpft – den WM-Spezialist­en Senegal. „Ganz Afrika unterstütz­t uns. Sie sind stolz auf uns und wir sind stolz. Die anderen vier Teams werden auch wieder aufstehen. Es steckt große Qualität in den Mannschaft­en“, sagte Trainer Cissé nach dem gefeierten Sieg gegen Robert Lewandowsk­i und die Polen. Zu gerne würden sie noch einmal so eine Heldengesc­hichte schreiben wie 2002. Trainer Cissé war damals Kapitän der WM-Neulinge, die den amtierende­n Weltmeiste­r Frankreich im Eröffnungs­spiel düpierten.

Beim WM-Comeback fungiert er als Trainer der „Löwen von Teranga“. Vergleiche wollte Cissé aber nicht anstellen. „Der Sieg gegen Frankreich hatte einen besonderen Geschmack. Es gibt eine gemeinsame Geschichte mit Frankreich. Es ist das Land, das den Senegal kolonisier­t hat. Ein Land, das uns viel gab, das uns ausgebilde­t hat. Außerdem war es das Eröffnungs­spiel, es war außergewöh­nlich. „Der Sieg gegen Polen war aber genauso wichtig.“

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FOTO: DPA Mit Witz und Dreadlocks: Senegals Aliou Cissé (re.) beim Coachen.

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