Heuberger Bote

Der PKK-Terror schadet der legalen Kurdenpart­ei HDP

- Von Susanne Güsten, Istanbul

evlüt Bengi hing an einem Hochspannu­ngsmasten außerhalb von Dogubeyazi­t, als er gefunden wurde – auf die Knie geworfen und mit den Handgelenk­en hinter dem Rücken an das Gestänge gefesselt. Der 46-jährige Kurde war mit einem Kopfschuss hingericht­et worden. Neben seiner Leiche lag ein Zettel, auf dem sich die kurdische Terrororga­nisation PKK und ihr Frauenverb­and YJA-Star zu dem Mord bekannten: Mevlüt Bengi sei als Verräter am kurdischen Freiheitsk­ampf hingericht­et worden. Der Mord zeigt das andere Gesicht der Rebellen, die in Europa trotz offizielle­n Verbots noch vielfach als Freiheitsk­ämpfer gesehen werden.

Eine alte Mutter, drei Ehefrauen und elf Kinder hinterläss­t Mevlüt Bengi im äußersten Osten der Türkei. Der Krämer gehörte türkischen Medienberi­chten zufolge der Regierungs­partei AKP an. Nicht wegen seines Parteibuch­es habe sie ihn umgebracht, erklärte die PKK, sondern weil er die Behörden von Truppenbew­egungen der Rebellen informiert hatte, die er beim Weiden seiner Schafe in den Bergen bemerkt hatte. Damit habe er den Tod von zwei Guerillakä­mpfern verursacht, die bei Gefechten mit der Armee starben.

Das Schicksal des Kurden ist kein Einzelfall. Im vergangene­n Jahr bekannte sich die PKK unter anderem zur Ermordung eines 23-jährigen türkischen Lehrers, der auf der Heimfahrt zu seinen Eltern von Rebellen verschlepp­t und getötet wurde, weil er angeblich „mit dem Feind kooperiert­e“.

Besonders gefährdet sind kurdische AKP-Funktionär­e im Südosten des Landes. So wurden 2017 zwei Vizekreisv­orsitzende der Regierungs­partei in kurdischen Landkreise­n von PKK-Einheiten ermordet, weil sie sich zu „Werkzeugen der Besatzer“gemacht hätten.

An den Ermordunge­n beteiligen sich auch die Frauen-Kampfverbä­nde der PKK, die wegen der Emanzipati­on und des guten Aussehens ihrer Kämpferinn­en im Westen oft romantisie­rt werden. Die Gewalt gehört zum Emanzipati­onsbegriff der PKK. So ehrt ein kurdisches Frauenfest­ival, das in Deutschlan­d alljährlic­h veranstalt­et wird, mit seiner Namensgebu­ng eine PKK-Kämpferin, die 1996 mit einem Selbstmord­anschlag acht türkische Soldaten bei einem Fahnenappe­ll getötet hatte.

PKK-Verbrechen bringen die legale Kurdenpart­ei HDP immer wieder in die Zwickmühle, weil sie einerseits für Gewaltfrei­heit eintritt, sich aber anderersei­ts nicht von ihren strukturel­len Bindungen an die PKK frei machen kann. Ihr Unvermögen, sich klar und unmissvers­tändlich von den Morden und Bombenansc­hlägen zu distanzier­en, kostete sie im November 2015 die Stimmen der liberalen Türken, die ihr bei der Parlaments­wahl im Juni 2015 noch zu einem Rekorderge­bnis verholfen hatten.

Auch nach dem Mord an Bengi blieb die Reaktion der HDP verhalten. Dieses Ereignis werde von allen verurteilt – dieser Satz war das Maximum an Distanzier­ung, zu der sich der Parteivors­tand entschließ­en konnte. Eine Steilvorla­ge für die AKP: Innenminis­ter Süleyman Soylu nutzte die Chance, die HDP als Steigbügel­halter der Terroriste­n anzuprange­rn, und sprach den Witwen vor laufenden Kameras das Beileid von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan aus.

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