Kramer wird zum deutschen Lineker
Nicht alle internationalen TV-Experten geben bei der WM eine gute Figur ab
(SID) – Gary Lineker ist ja mittlerweile auch schon 57 Jahre alt, aber immer noch erstaunlich gut in Form – und das ist für Englands TV-Zuschauer keine schlechte Nachricht. Sollten die Three Lions nämlich in Russland wirklich den WM-Titel gewinnen, will der Experte der BBC im Mankini à la Borat, also äußerst knapp bekleidet, eine Sendung moderieren. „Es wäre großartig“, sagte Lineker, der weiß, wie man Aufmerksamkeit schafft.
Das „Who is Who“des Fußballs kommentiert wieder das Geschehen rund um die WM und Lineker ist so etwas wie der Anführer. Der ehemalige Angreifer ist schlagfertig, selbstironisch, meinungsstark und bietet dem Publikum auch Emotionen. „Es macht mir nichts aus zuzugeben, dass ich danach eine Träne im Auge hatte“, sagte Lineker nach Englands historischem Triumph im Elfmeterschießen gegen Kolumbien. Seine Kollegen Alan Shearer, Frank Lampard und Rio Ferdinand stellt er mit seiner lockeren Art wie selbstverständlich in den Schatten.
Hitzlsperger mit Liebe zum Detail
Im ZDF deutete Christoph Kramer an, dass er der deutsche Lineker werden könnte. Der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach nutzte seine Chance als Ersatz für Sebastian Kehl mit erfrischender Ehrlichkeit, der 27-Jährige verzichtete auf leere Worthülsen in seinen Analysen und bewies Humor. Die Zuschauer trauerten, nachdem sich neben der DFB-Elf auch der Shootingstar am Mikrofon von der WM verabschiedete. Kramer sei der einzige Weltmeister von 2014 gewesen, der während des Turniers Leistung gezeigt habe, hieß es in den sozialen Netzwerken. Bei der ARD überzeugt Chefkritiker Thomas Hitzlsperger mit Liebe zum Detail. Auch Hannes Wolf und Stefan Kuntz haben einige Befürworter.
Eine treue Fan-Gemeinde hat sich längst Eric Cantona erarbeitet. Der komische Kauz unter den Experten macht sich mit witzigen Videos bei Eurosport über die großen WM-Themen lustig. So nennt der Ex-Stürmer seinen Rollkoffer mittlerweile Neymar. „Man muss ihn nur leicht berühren und er dreht und dreht sich – für Stunden“, sagt Cantona, der auch von einem „Albtraum“heimgesucht wurde: „England dominierte so wie die Deutschen, und Deutschland hatte Probleme wie sonst England.“Bittere Realität ist der Sexismus gegenüber Frauen, die die WM-Spiele kommentieren oder analysieren. Neben Claudia Neumann (ZDF) wurden auch Hanna Marklund (Schweden) und Vicki Sparks (England) angefeindet. Auf der Insel analysieren mit Alexandra Scott (BBC) und Eniola Aluko (ITV) auch erstmals zwei Expertinnen die Partien.
Derweil irrlichtert Diego Maradona nicht mehr nur auf der Tribüne umher, auch vor der Kamera ist der einstige Wunderknabe kaum noch ernst zu nehmen. In seiner Show bei Telesur (Venezuela) sprach er von einem „monumentalen Betrug“, der Kolumbien gegen England um das Viertelfinale gebracht habe und deutete wegen der Ansetzung des Schiedsrichters Mark Geiger aus den USA eine FIFA-Verschwörung an.
Massive Kritik zogen auch ExTorwart Peter Schmeichel und Startrainer José Mourinho auf sich, die sich für ihre Auftritte bei Russia Today – auch „Tele-Putin“genannt – fürstlich entlohnen lassen. Doch Mourinho hat ganz andere Probleme. Das Schwierigste an dem Job sei es, „sich jeden Morgen zu rasieren“. Das mache er normalerweise nicht.