Der gefühlte Uruguayer
Griezmanns Koketterie für das Land des Viertelfinal-Gegners nervt Suárez
(dpa) - Antoine Griezmann könnte eigentlich Edinson Cavani ersetzen. Immerhin sagt er: „Ich fühle mich fast wie ein Uruguayer, ich himmle die Nationalität an, ich himmle die Leute an“, sagt der Fußballer. Doch gibt es ein Problem: Griezmann ist Franzose! Zudem 27 Jahre alt und spielt seit seinem 14. Lebensjahr in Spanien.
Dennoch: Das 3,5-Millionen-Einwohner-Land in Südamerika hat es Griezmann besonders angetan. Einstellung zum Fußball, Lebensgefühl. All das. Und die Vorliebe für MateTee. Praktisch nirgendwo geht Griezmann hin ohne Thermoskanne mit heißem Wasser zum Nachfüllen der typischen Mate-Tassen.
Uruguay ist die „Amour fou“, die verrückte Liebe, wie es die „L'Équipe“bezeichnet, des französischen Tempo-Dribblers. Uruguays Kapitän und Abwehrchef Diego Godín ist nicht nur sein Teamkollege bei Atlético Madrid. Der 32 Jahre alte knallharte Manndecker ist einer der besten Kumpel des Filigran-Fußballers und dazu noch der Patenonkel von Griezmanns Tochter. Griezmanns erster Trainer bei seinem Debüt in der Primera Division für Real Sociedad San Sebastian war – wie könnte es anders sein – ein Uruguayer.
Sie begleiten seine Karriere. Und sie prägen Griezmann. Vom Stil auf dem Platz sei er ein bisschen wie Cavani, der wegen seiner Wadenverletzung das Abschlusstraining (16 Uhr MESZ) nur einzeln absolvierte und dem womöglich höchstens eine Ersatzrolle bleibt, und Godín. Nie aufgeben und voller Einsatz für die Mannschaft, sagt Griezmann.
Einen nervt Griezmanns Koketterie mit Uruguay gewaltig – Angreifer Luis Suárez. Verletzter Nationalstolz könnte dem packenden Duell eine zusätzliche Note verleihen. „Antoine kann so oft sagen, wie er will, dass er Halb-Uruguayer ist. Er ist aber Franzose und kennt nicht das Gefühl, ein Uruguayer zu sein“, motzte Uruguays „Beißer“Luis Suárez: „Er weiß nichts von den Anstrengungungen und der Hingabe, die nötig sind, um im Fußball mit einer so kleinen Bevölkerung zu triumphieren.“Oder auch die Opfer, die man als Kind bringen müsse.
Auf Gegenliebe sollte Griezmann, der in Mâcon nahe dem malerischen Lyon geboren wurde, also nicht hoffen. Mit seiner drei Jahre älteren Schwester Maud, die am 13. November 2015 die Terroranschläge von Paris im Club Bataclan überlebte, kickte er bereits als kleiner Bub daheim.
Eher schmächtig, nicht gerade der Größte, ganz leicht hatte es auch Griezmann nicht, bis er es zu einem der besten Stürmer der Welt schaffte, der auch schon die hochdekorierten Abwehrspieler des FC Bayern narrte.
58 Länderspiele hat Griezmann für Frankreich absolviert. 22 Tore erzielte er. Bei der WM in Russland traf er bisher zweimal. Ähnlich wie bei der Heim-EM vor zwei Jahren, als er mit Frankreich erst im Finale an Portugal scheiterte, kommt Griezmann auch bei der WM mit ein bisschen Verzögerung in Schwung. Auch er hatte eine lange Saison, die er mit dem Gewinn der Europa League zusammen mit Godín und José Giménez aus der uruguayischen Nationalmannschaft krönte.
Die beiden Verteidiger kennen ihn also nur zu gut. Umgekehrt gilt das genauso. Die Freundschaften werden ruhen auf dem Platz, Griezmanns Liebe zu Uruguay hat im himmelblau und weißen WM-Stadion an der Wolga dann ebenfalls Pause.