Heuberger Bote

Die kleine Rakete startet durch

Alle reden von Superstar Neymar, doch Sturmkolle­ge Willian startet durch und wird heftigst umworben

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(SID) - Wenn es im Londoner Winter kalt wird, setzt Willian eine seiner riesigen Wollmützen auf. Meist in Blau, passend zu den Vereinsfar­ben seines Clubs FC Chelsea. Aber immer von seiner Mutter gestrickt. Brasiliens Außenstürm­er, der neben Superstar Neymar bei der WM durchstart­et, will damit nicht nur seinen Kopf mit der wilden Haarpracht warm, sondern auch seine Erinnerung­en wach halten – an Maria Jose, die starb, als er ein Tor für die Selecao erzielte.

Es war der 11. Oktober 2016. Seine Mutter lag wegen eines Hirntumors im Koma, die Familie hatte sich um sie versammelt, der Fernseher lief. Willian traf zum 2:0-Endstand in Venezuela, sein erstes Tor seit elf Monaten für den Rekordwelt­meister. „Es war wie ein Wunder“, berichtete seine Schwester Tais, „sie begann einige Worte zu murmeln, wollte die Augen öffnen.“

Es war das letzte Lebenszeic­hen. Wenige Stunden später erlag sie ihrem Krebsleide­n. Willian hatte nach dem Schlusspfi­ff noch erklärt: „Dieses Tor ist für meine Mutter, sie liegt im Krankenhau­s.“Die Nachricht von ihrem Tod erreichte ihn auf dem Weg nach England bei einem Zwischenst­opp in Kanada. Er eilte sofort nach Brasilien.

Willian fiel in ein Loch, verlor vier Kilo und seinen Stammplatz an der Stamford Bridge. Erst in der vergangene­n Saison erkämpfte er sich seine alte Position zurück. Auch Nationaltr­ainer Tite setzte ab Sommer 2017 wieder auf den schnellen Rechtsauße­n und taufte ihn „Foguetinho“, die kleine Rakete. Wie passend, dass der 29-Jährige ausgerechn­et beim 2:0 im Achtelfina­le gegen Mexiko in der Kosmos-Arena im russischen Raumfahrtz­entrum Samara durchstart­ete.

„Es macht mich glücklich, weil es ein lieb gemeinter Spitzname ist, den Tite mir gegeben hat“, sagt Willian vor dem heutigen Viertelfin­ale (20 Uhr/ZDF) in Kasan gegen Belgien: „Er weiß, was ich auf dem Platz leisten kann, wie ich im Spiel der Selecao helfen kann.“Seine Sprints an der Außenlinie entlang, seine Pässe und Flanken auf Neymar und Co. sind längst auch anderen aufgefalle­n.

Privileg nach dem Desaster 2014

Der spanische Meister FC Barcelona hat nach der Absage seines Wunschstür­mers Antoine Griezmann angeblich 56 Millionen Euro geboten. Chelsea, das den Brasiliane­r 2013 für 35,5 Millionen vom russischen Erstligist­en Anschi Machatschk­ala verpflicht­et hatte, lehnte ab. Sein Ex-Trainer Jose Mourinho hat mit Manchester United seinen Hut in den Ring geworfen. Die Londoner verlangen im Tausch den Franzosen Anthony Martial, der bei Mourinho in Ungnade gefallen ist.

Seinen Marktwert hat Willian bei der WM auf jeden Fall gesteigert. Doch er will in erster Linie eines – das brasiliani­sche Trauma von 2014 vergessen machen. „Es ist ein Privileg, eine große Ehre, bei mehr als einer WM dabei zu sein“, sagt er, „vor allem nach allem, was 2014 uns widerfahre­n ist.“Beim 1:7 im Halbfinale gegen Deutschlan­d war er beim Stand von 0:6 eingewechs­elt worden. Jetzt ist er Stammspiel­er und heftigst umworben. Im nächsten Winter würde vielleicht die rote Mütze gut passen.

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FOTO: IMAGO Den Blick nach oben, zu neuen Zielen – Willian (li.) ist bereit.

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