EU-Innenminister setzen auf Abschottung
Seehofer und seine Amtskollegen aus Italien und Österreich wollen stärkeren Grenzschutz
(dpa/epd/AFP) - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat mehrere Abkommen mit EU-Staaten zur beschleunigten Rücknahme von Flüchtlingen in Aussicht gestellt. Sein österreichischer Amtskollege Herbert Kickl (FPÖ) betonte beim Treffen der EU-Minister in Innsbruck am Donnerstag zudem, es habe einen „sehr, sehr breiten Konsens“für den Schutz der EU-Außengrenzen gegeben. Kickl nannte die Stärkung der Grenzschutztruppe Frontex sowie „Grenzschutzmaßnahmen“in Herkunfts- und Transitländern von Migranten. Auch zu den sogenannten Ausschiffungsplattformen habe es breite Übereinstimmung gegeben. Damit ist gemeint, auf dem Mittelmeer gerettete Menschen in ein Land außerhalb der EU zu bringen. Dort soll ihr Asylanspruch geprüft werden.
Kickl gilt, genau wie sein italienischer Amtskollege Matteo Salvini, als Hardliner in der Migrationspolitik. Kickl, Salvini und Seehofer kamen am Rande des EU-Ministertreffens zu Gesprächen zusammen. Gemeinsam inszenierten sie den Schulterschluss. Dabei widersprechen sich ihre Interessen in zentralen Punkten. Seehofer will vor allem, dass Salvini Flüchtlinge von Deutschland zurücknimmt. Salvini, der Chef der fremdenfeindlichen Lega ist, betonte mehrfach, dazu nicht bereit zu sein. Falls die Gespräche scheitern und Seehofer im Alleingang Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich abweist, wäre die Alpenrepublik betroffen.
Dennoch zeigte sich CSU-Chef Seehofer zu den Abkommen mit EUStaaten zur beschleunigten Rücknahme von Flüchtlingen optimistisch: „Ich habe hier sehr viel Zuspruch bekommen, dass auch andere Länder da dabei sein wollen.“Zusagen gebe es aktuell aber nur von elf Staaten und nicht mehr von 14, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem EUGipfel Ende Juni erklärt hatte. Bis spätestens Anfang August strebt Seehofer solche Abkommen auch mit Österreich und Italien an, die sich dem bislang verweigern. Diese Vereinbarungen zur Rücknahme bereits registrierter Flüchtlinge sind zentraler Bestandteil der Einigung im Asylstreit der Großen Koalition. Falls sie nicht zustande kommen, stellt Seehofer erneut nationale Alleingänge in Aussicht. Merkel lehnt diese vehement ab.
- Der Konflikt, der zwischen Österreich und Deutschland aufgebrochen war, weil Horst Seehofer angekündigt hatte, künftig Flüchtlinge an der deutschösterreichischen Grenze zurückzuweisen, ist vorerst entschärft. Am Rande des EU-Innenministertreffens am Donnerstag in Innsbruck einigte sich Seehofer mit seinen Fachkollegen Matteo Salvini (Italien) und Herbert Kickl (Österreich) darauf, sich gemeinsam vorrangig auf die bessere Abschottung der EU-Außengrenzen zu konzentrieren.
Kickl, dessen Land bis Ende des Jahres die EU-Präsidentschaft innehat, kündigte eine „Kooperation der Tätigen“mit dem Ziel an, „die illegale Migration gegen null zu bringen“. Am 19. Juli soll in Wien auf Beamtenebene beraten werden, mit welchen Mitteln das erreicht werden kann. Seehofer betonte mehrfach, europäische Lösungen seien natürlich immer besser als nationale. Nur wenn sie nicht zustande kämen, müsse nationalstaatlich gehandelt werden. Wenn Österreich mit seinen Bemühungen Erfolg habe, könne man das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen – „und nur darum geht es“. Nun sei die EU-Kommission in der Pflicht, entsprechende Vorschläge zu machen.
Herbert Kickl wiederholte im Wesentlichen, was sein Kanzler Sebastian Kurz schon beim EU-Gipfel vor zwei Wochen verkündet hatte: Europa brauche einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik. Man müsse sich auf den Schutz der Außengrenzen konzentrieren und durch die Zusammenarbeit mit Herkunftsund Drittländern sicherstellen, dass nur noch wirklich Schutzbedürftige nach Europa kämen – das aber sei eine verschwindend kleine Minderheit. Darauf angesprochen, dass inzwischen zahlreiche Länder wie Ägypten, Marokko, Mazedonien und Albanien strikt abgelehnt haben, auf ihrem Gebiet Camps zu errichten, von wo aus Wirtschaftsmigranten in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, sagte Kickl: „Bevor es Reinhold Messner probiert hat, glaubte auch niemand, dass man ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest besteigen kann.“
Ganz ähnlich äußerte sich der italienische Innenminister. Er sei sehr zufrieden, dass seine Vorschläge nun von allen anderen akzeptiert würden, sagte Salvini. „Wir reduzieren die Zahl der Flüchtenden, die in Boote steigen, damit reduzieren wir automatisch auch die Zahl der Toten und die ökonomischen und sozialen Probleme einer Migration, die wir nicht mehr tragen können.“Die Freundschaft zwischen Deutschland, Österreich und Italien sei die Keimzelle für eine Trendwende. „Endlich schützt Europa seine Grenzen wieder und verteidigt die Rechte von 500 Millionen Europäern. All das war noch vor wenigen Jahren undenkbar.“Die innereuropäischen Probleme würden dadurch automatisch gelöst.
Von Alleingängen ist keine Rede
Seehofer erinnerte daran, dass es gegenüber dem Flüchtlingspakt mit der Türkei zunächst sehr große Vorbehalte gegeben habe. „Gerade Bayern war da sehr kritisch. Aber: Es kam zustande, es funktioniert, dort leben 3,9 Millionen Flüchtlinge. Deshalb sollten wir uns etwas zutrauen, wenn es um die Errichtung von Flüchtlingszentren außerhalb der EU geht.“Nach dem zuletzt von ihm angedrohten Alleingang gab sich Seehofer am Donnerstag betont proeuropäisch. „Gewinnen wir das Vertrauen der Bevölkerung wieder, wie es Europa als großes Zukunftsprojekt verdient“, forderte er. Er fahre nach diesem Treffen „mit einem frohen Herzen“zurück nach Bayern.