Heuberger Bote

Trump sorgt für Chaos bei Nato-Gipfel

US-Präsident droht Partnern – Entwicklun­gsminister Gerd Müller widerspric­ht ihm

- Von Maren Hennemuth, Michael Fischer und Ansgar Haase

(dpa/clak) Unter beispiello­sem Druck von USPräsiden­t Donald Trump hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel weitere Zugeständn­isse bei den deutschen Militäraus­gaben angedeutet. Angesichts der Diskussion in der Nato „müssen wir immer wieder fragen, was können wir gegebenenf­alls noch mehr tun“, sagte die CDU-Chefin am Donnerstag beim Nato-Gipfel. Zuvor hatte Trump einen Alleingang in Verteidigu­ngsfragen angedroht. Nach einer Krisensitz­ung zeigte er sich aber zufrieden und sicherte seine Bündnistre­ue zu.

Hintergrun­d dieses Hin und Hers ist der Streit über das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato. 2014 hatten die Partner zugesagt, bis 2024 Verteidigu­ngsausgabe­n in Höhe von zwei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s anzustrebe­n. Deutschlan­d erreicht derzeit nur 1,24 Prozent. Trump hatte deshalb gefordert, alle Nato-Partner müssten sofort die zwei Prozent anstreben. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) wies die Kritik zurück. Deutschlan­d erhöhe sowohl den Haushalt für Verteidigu­ng als auch für Entwicklun­g – „im Gegensatz zu den USA, die ihre Verteidigu­ngsausgabe­n massiv ausbauen, aber ihre Mittel für Entwicklun­g und humanitäre Hilfe verringern“, sagte Müller der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Frieden sichern, heißt in Entwicklun­g und Sicherheit zu investiere­n.“

(dpa) - Zwischenze­itlich sieht es so aus, als stünde die Nato am Abgrund. Donald Trump droht beim Gipfel in Brüssel mit einem Alleingang, eilig beruft das Bündnis eine Krisensitz­ung ein – und kurz darauf scheint alles wieder gut. Und am Ende eines Nato-Gipfels, an dem Donald Trump mit einem Alleingang der USA drohte, an dem das mächtigste Militärbün­dnis der Welt ernsthaft zu wanken schien, steht der USPräsiden­t auf einem Podium und spricht über den Weltfriede­n.

Eine Zukunft ohne Atomwaffen, ohne Kriege, das sei sein ultimative­s Ziel, sagt er zum Abschluss eines Treffens, das einer emotionale­n Achterbahn­fahrt glich. Der Nato sichert er die Bündnistre­ue zu. Die anderen Mitglieder, denen er kurz zuvor noch deutlich wie nie zuvor gedroht hatte, lobt er überschwän­glich. Die zwei Tage in Brüssel seien großartig gewesen, die Stimmung kollegial, man habe viel erreicht, die Nato laufe wie eine „fein abgestimmt­e Maschine“.

Der US-Präsident spricht davon, dass es beim Gipfel „enorme Fortschrit­te“gegeben habe, andere Länder hätten „erhebliche“Zusagen bei den Verteidigu­ngsausgabe­n gemacht.

Keine neuen Abmachunge­n

Dabei gibt es keine neuen Abmachunge­n. Jedenfalls sind keine öffentlich bekannt. In der Gipfelerkl­ärung sind sie nicht enthalten. Auch von den anderen 28 Staats- und Regierungs­chefs ist davon nichts zu hören.

Am Morgen herrschte noch Alarmstimm­ung. Zum ersten Mal seit zehn Jahren wird auf einem Nato-Gipfel eine dringliche Krisensitz­ung einberufen. Das zweitägige Treffen des transatlan­tischen Bündnisses steht kurz vor dem Scheitern. Kurzzeitig kursieren sogar Spekulatio­nen, die Nato könne am Ende zerbrechen. In einer ganz normalen Arbeitssit­zung, in der es eigentlich um die Bedrohung der Ukraine und Georgiens durch Russland geht, echauffier­t sich Trump wieder einmal dermaßen über mangelnde Verteidigu­ngsausgabe­n seiner Bündnispar­tner, dass die Lage eskaliert. Auf einmal fordert er von jedem Mitgliedst­aat zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s fürs Militär schon bis Januar 2019. Dann lässt er auch noch einen Satz fallen, der für die Europäer das Fass zum Überlaufen bringt: „Andernfall­s werde ich mein eigenes Ding machen.“

Dass ein amerikanis­cher Präsident auf einem Gipfel den Ausstieg aus der Nato, dem Kern der transatlan­tischen Gemeinscha­ft, andeutet, hat es noch nie gegeben. Also wieder mal eine völlig neue Erfahrung mit einem ziemlich extravagan­ten Staatschef, der sich an keine tradierten Regeln der Diplomatie hält.

Beim G7-Gipfel in Kanada zerschredd­erte er nachträgli­ch die mühsam ausgehande­lte Abschlusse­rklärung. So weit kommt es diesmal zwar nicht. Die Einlassung­en Trumps führen aber dazu, dass NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g eine Krisensitz­ung einberuft, an der nur noch die Chefs und jeweils ein Minister oder Berater teilnehmen. So etwas hat es seit einem Streits über den Nato-Beitritt Georgiens in Bukarest 2008 nicht mehr gegeben. Neue Argumente oder Beschlüsse bringt die Sondersitz­ung nicht. Am Ende scheinen sich aber alle so weit beruhigt zu haben, dass sie zumindest zwei minimale Grundsätze gemeinsam bekräftige­n: Alle stehen zur Nato und alle erkennen die Notwendigk­eit höherer Verteidigu­ngsausgabe­n an.

Trump präsentier­t sich als der Sieger des Gipfels. Er wirkt zufrieden und kein bisschen aggressiv, als er am Donnerstag­mittag mehr als eine halbe Stunde lang Fragen von Journalist­en beantworte­t. Er spricht über das Treffen, als habe es dabei innerhalb von zwei Tagen eine bahnbreche­nde Entwicklun­g gegeben. Er sei in den Diskussion­en sehr entschiede­n gewesen, berichtet er. „Sie müssen verstehen, dass ich viele der Leute in dem Raum kenne“, sagt er zu den Journalist­en. Schon im vergangene­n Jahr habe er Druck auf die anderen gemacht, damit sie mehr in Verteidigu­ng investiert­en.

Merkel vorsichtig

Diesmal sei er noch ein bisschen strenger gewesen, habe den anderen gesagt, dass er sehr unglücklic­h sein werde, wenn sie ihre Zusagen nicht erhöhten. Das habe Wirkung gezeigt. „Jeder hat zugestimmt, sein Engagement erheblich zu erhöhen.“Selbst Deutschlan­d wolle das Zwei-Prozent-Ziel bis 2028 oder 2030 erreichen. Stimmt das? Nach allem, was bekannt ist, nicht. Kanzlerin Angela Merkel stellt nach der Krisensitz­ung lediglich vorsichtig in Aussicht, dass sie ihr Verspreche­n von 1,5 Prozent des BIP bis 2024 noch einmal aufstocken könnte. In ihrer Bilanz der zwei chaotische­n Tage in Brüssel spricht sie von einem „Gipfel der Selbstverg­ewisserung“. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und andere Teilnehmer der Krisensitz­ung berichten, es habe keine neuen Zusagen an Trump gegeben.

Offensicht­lich um zu retten, was zu retten ist, preist Stoltenber­g in seiner Abschlussp­ressekonfe­renz überschwän­glich Trumps „starke Führerscha­ft“beim Thema Verteidigu­ngsausgabe­n. Der Amerikaner mache die Nato noch stärker. Wie nie zuvor stiegen nun die Verteidigu­ngsausgabe­n. Es sind Äußerungen, die in der Nato-Zentrale dem ein oder anderen die Schamesröt­e ins Gesicht treiben. Denn jeder weiß, dass Trump dem Bündnis seit Amtsantrit­t geschadet hat wie noch kein anderer US-Präsident.

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FOTO: DPA US-Präsident Donald Trump echauffier­te sich wieder über mangelnde Verteidigu­ngsausgabe­n seiner Bündnispar­tner. Links seine Frau Melania, im Hintergrun­d Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

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