Heuberger Bote

Eltern erben Facebook-Konto

Was das BGH-Urteil zum Facebook-Konto einer Teenagerin bedeutet – ein Überblick

- Von Petra Sorge

(epd) - Eltern können das Facebook-Konto ihres verstorben­en Kindes erben. Sie hätten ein berechtigt­es Interesse an dem digitalen Nachlass ihres Kindes, entschied der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe im Grundsatzu­rteil am Donnerstag. Konkret ging es um den Tod einer 15-Jährigen im Jahr 2012, die in einem Berliner U-Bahnhof von einem Zug erfasst wurde. Die Eltern erhoffen sich über die Einsicht in das Konto Aufschluss über mögliche Suizidabsi­chten.

- Fünfeinhal­b Jahre haben die Eltern gekämpft, nun hat der Bundesgeri­chtshof geurteilt: Facebook muss die Chatprotok­olle der verstorben­en Tochter herausgebe­n. Private Daten im Internet sind nicht anders zu behandeln als Tagebücher oder Briefe, die Erben haben grundsätzl­ich Zugang zum digitalen Nachlass. Ein Dammbruch beim Datenschut­z oder eine überfällig­e Erbrechtsr­eform? Die Fakten zum Grundsatzu­rteil aus Karlsruhe:

Worum es bei dem Fall ging:

Der Bundesgeri­chtshof (BGH) entschied, dass Facebook den Eltern eines verstorben­en 15-jährigen Mädchens Zugang zu ihrem Nutzerkont­o gewähren muss. Die Tochter hatte sich 2011 mit Zustimmung der Erziehungs­berechtigt­en bei dem sozialen Netzwerk registrier­t. 2012 stürzte sie in Berlin vor eine U-Bahn, verunglück­te tödlich. Bis heute ist unklar, ob es sich um einen Unfall oder um Suizid handelte. Facebook hatte die persönlich­e Seite des Mädchens in einen sogenannte­n Gedenkzust­and versetzt und eingefrore­n. Die Eltern konnten sich auch mit dem Passwort nicht mehr bei dem Konto anmelden. Sie hatten aber über die Chatprotok­olle herausfind­en wollen, ob die Tochter kurz vor ihrem Tod möglicherw­eise Suizidabsi­chten gehegt habe. Außerdem wollten sie Schadeners­atzansprüc­he des U-BahnFahrer­s abwehren. Facebook begründete die Zugangsspe­rre mit dem Datenschut­z. Die Nachrichte­n des Mädchens müssten privat bleiben, Freunde und Bekannten hätten schließlic­h darauf vertraut.

Was im Urteil steht:

Die Karlsruher Richter folgten dem Argument nicht und erklärten die Facebook-Klauseln zum Gedenkzust­and für unwirksam. Ein Absender könne zwar darauf vertrauen, dass seine Nachrichte­n nur an das von ihm ausgewählt­e Benutzerko­nto gingen. Aber er muss auch damit rechnen, dass seine Daten weitergege­ben werden könnten, etwa durch Hacking oder Datendiebs­tahl. Deshalb sei auch nicht das Fernmeldeg­eheimnis höherrangi­g, das das Berliner Kammergeri­cht noch in seinem Urteil zugunsten von Facebook zitiert hatte. Der Vertrag über ein Benutzerko­nto gehe grundsätzl­ich auf die Erben über. Dem Anspruch der Hinterblie­benen stehe auch nicht das postmortal­e Persönlich­keitsrecht entgegen. „Das Gericht hat damit klargestel­lt, dass digitale Inhalte genauso vererbbar sind wie analoge“, sagte Rechtsanwa­lt Christian Pfaff, der die Eltern in den Vorinstanz­en vertrat, am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Folgen für den Datenschut­z:

Das Urteil der Bundesrich­ter stellt klar: Im Netz gibt es keinen Anspruch auf absolute Vertraulic­hkeit, auch nicht aufgrund der seit dem 25. Mai geltenden Datenschut­zGrundvero­rdnung. Die europäisch­e Norm schützt nach Ansicht des Gerichtsho­fs nur lebende Personen.

Folgen fürs Erbrecht:

Chats, EMails, Foren, Cloud-Dienste: Die Karlsruher Richter haben klargestel­lt, dass Internetun­ternehmen diese immateriel­len Güter nach dem Tod eines Nutzers nicht für alle Zeiten sperren dürfen. Rechtsanwa­lt Pfaff erwartet, „dass sich die Provider jetzt auch darum kümmern“. Um das Missbrauch­spotenzial zu verringern, müsse allerdings nachgewies­en werden, dass tatsächlic­h eine Vertragsbe­ziehung bestand. „Dafür sollte ein Erbschein oder eine Todesurkun­de vorgelegt werden“, rät Pfaff.

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FOTO: DPA Das Urteil stellt klar: Im Netz gibt es keinen Anspruch auf absolute Vertraulic­hkeit.

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