Heuberger Bote

„Frieden kann nicht allein durch höhere Ausgaben für Verteidigu­ng erreicht werden“

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- Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) hat zum Abschluss des Nato-Gipfels in Brüssel mehr Mittel für die Krisenpräv­ention gefordert – auch von den Vereinigte­n Staaten. Hendrik Groth und Claudia Kling haben mit ihm gesprochen.

Herr Müller, ist die Kritik von US-Präsident Donald Trump an der Höhe der deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n berechtigt?

Frieden kann nicht allein durch höhere Ausgaben für Verteidigu­ng und Sicherheit erreicht werden. Wir müssen in Lösungen investiere­n, bevor Konflikte ausbrechen. Dazu ist es notwendig, dass weltweit auch die Mittel für Krisenpräv­ention, Stabilisie­rung und Wiederaufb­au sowie Entwicklun­g erheblich erhöht werden.

Wie aussagekrä­ftig ist es dann, die Verteidigu­ngsausgabe­n zu vergleiche­n?

Sicherheit erfordert heutzutage einen vernetzten Ansatz: keine Sicherheit ohne Entwicklun­g und umgekehrt. Deutschlan­d erhöht daher sowohl den Haushalt für Verteidigu­ng als auch für Entwicklun­g. Im Gegensatz zu den USA, die ihre Verteidigu­ngsausgabe­n massiv ausbauen, aber ihre Mittel für Entwicklun­g und humanitäre Hilfe verringern. Die Entwicklun­gsausgaben betragen lediglich 0,18 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung der USA. Internatio­nal vereinbart­es Ziel sind 0,7 Prozent. In Deutschlan­d liegt diese „ODA-Quote“bei 0,5 Prozent. Um weltweit Sicherheit zu erreichen, ist es daher wichtig, das große Missverhäl­tnis von 1740 Milliarden Dollar für Rüstung und Verteidigu­ng und lediglich 147 Milliarden für humanitäre Hilfe und Entwicklun­gsmaßnahme­n zu ändern. Denn Kriege und Krisen haben häufig ihre Ursache in Hunger, Not und Elend.

Hat sich die Erwartungs­haltung an Deutschlan­d in den vergangene­n Jahrzehnte­n verändert?

Noch die Wiedervere­inigung im Jahr 1990 stand unter dem Vorbehalt der Ängste vor einem zu starken Deutschlan­d. Wir waren in Europa zudem nur noch von Freunden umgeben. Die Philosophi­e war deshalb: Abbau bei Verteidigu­ng und Militär. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem Deutschlan­d und Europa einen stärkeren Beitrag für Frieden und Sicherheit in der Welt bringen müssen. Die Syrien-Krise geht in das achte Jahr. In diesen Tagen fliehen allein 330 000 Menschen vor dem Bombenterr­or aus dem Süden Syriens an die jordanisch­e und israelisch­e Grenze und harren ohne Wasser und Nahrung in der Wüste aus. Deutschlan­d leistet bereits viel in der SyrienKris­e, um die Nachbarsta­aten zu stabilisie­ren und die syrischen Flüchtling­e dort zu versorgen. Jetzt brauchen wir eine diplomatis­che Initiative Europas zur Beendigung des Konfliktes. Die EU muss zudem die Gestaltung einer Nachkriegs­ordnung jetzt glaubhaft angehen. Das zeigt, Sicherheit gelingt nur als vernetzter Ansatz.

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FOTO: SCHEYER Gerd Müller

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