Heuberger Bote

Spanien wird auf Auslieferu­ng Puigdemont­s wohl verzichten

- Von Ralph Schulze, Madrid

m Auslieferu­ngsstreit um den katalanisc­hen Separatist­enchef Carles Puigdemont, der sich seit Ende März in Deutschlan­d befindet, hat das schleswig-holsteinis­che Oberlandes­gericht (OLG) eine Überstellu­ng Puigdemont­s an Spanien für zulässig erklärt, schränkte die Auslieferu­ngsgründe aber ein. Der I. Strafsenat in Schleswig verfügte, dass aufgrund der deutschen Rechtslage nur eine Übergabe an Spanien wegen des Verdachts der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder möglich ist. Dafür drohen in schweren Fällen bis zu zwölf Jahre Haft.

Das Oberste Gericht Spaniens erklärte daraufhin laut spanischen Medienberi­chten, eine Auslieferu­ng des Separatist­enführers durch Deutschlan­d, die ein Prozess gegen den 55-Jährigen nur wegen Untreue gestattet, nicht zu akzeptiere­n. Der zuständige Richter Pablo Llarena habe sich bereits für eine Rücknahme des europäisch­en Haftbefehl­s gegen Puigdemont entschiede­n, berichtete die gewöhnlich gut informiert­e Zeitung „El Mundo“unter Berufung auf „dem Gericht nahestehen­de Quellen“. Eine offizielle Stellungna­hme gab es zunächst nicht. In dem Fall würde der europäisch­e Haftbefehl wirkungslo­s, der nationale Haftbefehl bliebe bestehen. Puigdemont müsste dann bei einer Rückkehr in seine Heimat weiterhin mit einer Festnahme rechnen.

Puigdemont jubiliert

Eine Auslieferu­ng wegen des Vorwurfs der Rebellion sei nicht möglich, weil der im deutschen Recht mit diesem Vorwurf vergleichb­are Straftatbe­stand des Hochverrat­s nicht erfüllt sei, hatte das OLG erklärt. Damit, so jubilierte Puigdemont, sei „die Hauptlüge des Staates ausgelösch­t. Die deutsche Justiz bestreitet, dass es sich beim Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober um Rebellion gehandelt hat“.

Auch eine Auslieferu­ng wegen Landfriede­nsbruchs ist aufgrund der deutschen Rechtsnorm­en nicht möglich. Dies hätte bedeutet, dass Puigdemont in Spanien nur der minder schwere Vorwurf der Untreue hätte blühen können. Dabei geht es darum, dass Puigdemont mehrere Millionen Euro Staatsgeld­er für das illegale Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober 2017 ausgegeben haben soll.

Puigdemont­s Anwälte hatten im Vorfeld gedroht, eine Auslieferu­ngsentsche­idung vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe anzufechte­n. „El Mundo“schreibt, Richter Llarena erwäge nun die Rücknahme des Haftbefehl­s ohne weitere Maßnahmen oder aber mit einer gleichzeit­igen Anrufung des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) in Luxemburg, um prüfen zu lassen, ob das OLG das europäisch­e Auslieferu­ngsrecht korrekt angewendet hat.

Eine Auslieferu­ng Puigdemont­s und Anklage wegen Veruntreuu­ng hätte eine paradoxe Situation geschaffen: Weiteren hochrangig­en Separatist­en, die in U-Haft sitzen, soll bald der Prozess wegen des Vorwurfs der Rebellion gemacht werden, während Puigdemont nur Untreue anzulasten gewesen wäre. Das Strafmaß wäre im Falle einer Verurteilu­ng entspreche­nd niedriger – womit sich die Flucht ins Ausland für ihn strafrecht­lich ausgezahlt hätte. Das liegt daran, dass die Richter deutsches und europäisch­es Auslieferu­ngsrecht in Einklang bringen mussten.

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FOTO: DPA Carles Puigdemont

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