Überschaubar, konzentriert, ambitioniert
Heute startet die dreitägige art bodensee in Dornbirn
- Zur Begrüßung zeigt die Glasfassade der art bodensee eine überdimensionale Rockerfaust mit Totenkopf und Megaringen. Die von einem elliptischen Rahmen eingefasste, mit roter Folie applizierte Silhouette nennen die Künstlerinnen Gabriele Fulterer und Christine Scherrer „hellsbells“. Na denn, willkommen bei der „internationalsten“Messe in Dornbirn! Dieses Jahr sind 65 Galerien und Institutionen vertreten, bis auf vier spanische und drei französische Galerien alle aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. In Halle 11 – hoch, luftig, angenehm weiträumig – haben sie Platz.
Diese Kunstmesse sei für ihn fast wie eine Art Urlaub, findet Victor Lope, Galerist aus Barcelona. Das sieht völlig ein, wer die überfüllte katalanische Metropole kennt. Lope ist schon zum zehnten Mal hier und genießt die entspannte Atmosphäre. Neu dabei ist die 2017 eröffnete Galerie 21.06 aus Ravensburg. Die Galeristinnen Andrea Dreher und Stefanie Büchele haben Malerei von Richard Schur, Glasskulpturen von Julius Weiland, zarte Aquarelle von Ute Robitschko und skurrile Stoffobjekte von Anne Carnein dabei. Gespannt sind sie, wie die aufwendigen Carbonskulpturen des Briten Alastair Gibson ankommen: ein Hai oder ein Tintenfisch, geformt aus Carbon und Originalmaterial aus der Formel-1-Welt, ziemlich crazy, aber unerhört dekorativ und von eindrucksvoller Perfektion der Oberflächen.
Bei Bege Galerien Ulm fallen besondere Papierarbeiten von Thomas Röthel neben dessen differenziert bearbeiteten Stahlskulpturen ins Auge. Röthel hat hier mehrere Schichten von weißem oder schwarz bemaltem Karton mit dem Hammer effektvoll durchlöchert und geformt. Galerie Tobias Schrade aus Ulm zeigt gewaltige Ölbilder, mit den Fingern gemalt von Christopher Lehmpfuhl, neben denen sich die zart-pastelligen Friesbilder von Isabelle Roth wie Palimpseste ausnehmen. Von oben schauen Thomas Putzes rudimentär-ausdrucksvolle Holztiere herunter, in der Andeutung von Kontur und Bewegung liegt hier die Kraft.
Mal meditativ, mal laut und bunt
Gegenüber fasziniert ein Blick auf die suggestiven Grisaille-Kleinformate mit Landschaftsmotiven von Susanne Knaack bei der Semjon Contemporary in Berlin, die auch zarte Stickwerke von Ute Essig und Papierarbeiten von Takayuki Daikoku zeigt. Bei Obrist Essen fallen leuchtende Plexiglasobjekte von Christiane Grimm oder eindringliche Fotografien des hauptberuflichen Kabarettisten Dieter Nuhr ins Auge.
Laut und bunt, nicht nur in der Lichtinstallation von zwei modifizierten Ampelmännchen von Markus Brenner, ist die Kunst bei Michael Oess’ Neuer Kunst Gallery aus Karlsruhe. Dagegen hat sich Galerie Knecht und Burster, ebenfalls aus Karlsruhe, diesmal auf die meditativstille Malerei von Franziska Schemel konzentriert.
Bei Michael Sturm aus Stuttgart, der lange Zeit im Fachbeirat der Messe fungierte, hängen drei hinreißende Miniaturen im Format 20 x 20 cm der Britin Mary Waters: scheinbar Ausschnitte von Frauenporträts aus dem Barock, ebenfalls in Grisaille, von ähnlicher Irritation wie Arbeiten bei der Skulpturale Galerie Lindau. Dort sind düstere altmeisterliche Bildnisse von Ben Beyer und gemalte Fleischbatzen wie auf barocken spanischen Stillleben zu sehen. Wie viel Anleihen und Zitate aus der Kunstgeschichte gibt es doch bei den Zeitgenossen. Und davon ist auf der art bodensee noch vieles mehr zu entdecken.