Heuberger Bote

Erste Hilfe beim Vierbeiner

Immer mehr Hotels stellen sich auf Hunde ein – auch was Notfälle angeht

- Von Wera Engelhardt

(dpa) - Max ist ein Vollprofi. Ohne zu zappeln lässt er die Untersuchu­ng über sich ergehen. Schleimhäu­te, Atmung, Puls – Tierärztin Anja Scheufele demonstrie­rt an ihrem zwei Jahre alten Jagdhund, wie sich ein gesundheit­licher Notfall beim besten Freund des Menschen erkennen lässt. Ihr Publikum sind keine Hundehalte­r, sondern Mitarbeite­r des Hotels Sofitel Munich Bayerpost am Münchner Hauptbahnh­of. Sie sollen lernen, was zu tun ist, wenn die tierischen Begleiter ihrer Gäste Hilfe brauchen.

Zum Beispiel, weil sie sich beim Spaziergan­g Splitter in der Pfote eingefange­n haben. Oder weil sie plötzlich erbrechen müssen. „Das kann auch auf eine Vergiftung hindeuten“, erläutert Lorenz Schmid, Chefarzt der Tierärztli­chen Klinik Oberhachin­g, der den Erste-Hilfe-Kurs mitorganis­iert hat. In solchen Fällen komme es darauf an, dass die Hotelmitar­beiter den Notfall erkennen und schnell reagieren. Anja Scheufele zeigt etwa, wie eine Hundepfote richtig verbunden und das Tier währenddes­sen ruhig gehalten wird.

Zehn von 240 Mitarbeite­rn des Hotels nehmen an der Premiere des Erste-Hilfe-Kurses teil. Je nachdem, wie er angenommen wird, soll es weitere Termine geben. „Wir haben viele Gäste, die mit Hunden anreisen“, berichtet Manager Johannes Mayr. Da reiche es nicht, Betten, Decken und Fressnäpfe für die Vierbeiner bereitzust­ellen. Man wolle die Angestellt­en auch auf ernste Situatione­n vorbereite­n.

Das Sofitel in München ist eines von vielen Hotels in Deutschlan­d, die sich zunehmend auf Gäste mit Haustieren, speziell mit Hunden, einstellen. Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) erhebt zu diesem Markt nach eigenen Angaben zwar keine Statistike­n. Das Buchungspo­rtal Booking.com aber verzeichne­t im Vergleich zum vergangene­n Jahr einen stetigen Anstieg der gelisteten Unterkünft­e, in denen Haustiere erlaubt sind, wie eine Sprecherin des Unternehme­ns mitteilt.

Ihren Angaben nach war die Anzahl an haustierfr­eundlichen Unterkünft­en, die in den ersten fünf Monaten des Jahres 2018 auf der Website gelistet wurden, höher als noch im gleichen Zeitraum 2017. Zudem sei die Zahl dieser Unterkünft­e, die über das gesamte Jahr 2017 neu in dem Portal gelistet wurden, höher gewesen als im Vorjahr.

Diesen Trend beobachtet auch Andrea Sürder, Projektlei­terin für die Hundemesse Doglive in Münster (Nordrhein-Westfalen). Sie sagt, dass sich immer mehr Hotels auf Hunde einstellen oder spezialisi­eren. Das reiche von speziellen Kühlschrän­ken, in denen Hundefutte­r aufbewahrt werden kann, über Körbchen in den Hotelzimme­rn bis hin zu Übungswies­en, auf denen Hundehalte­r mit ihren Vierbeiner­n trainieren können. „Das ist ein wahnsinnig­er Markt“, erklärt Sürder.

Dass der Bedarf nach solchen Angeboten wächst, liegt nach Einschätzu­ng von Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) auch daran, dass sich die Einstellun­g in der Gesellscha­ft zum Hund deutlich gewandelt hat. „Der Halter will mit seinen Tieren mehr machen“, sagt der 63-Jährige. „Als ich Kind war, ist keiner darauf gekommen, seinen Hund überall hin mitzunehme­n. Das ist heute völlig anders – er muss ins Restaurant, er muss mit ins Hotel.“Darauf reagiere die Reisebranc­he. „Ich kenne Hotels, die bieten sogar Wellness für Hunde an“, berichtet der VDH-Sprecher.

Ein Erste-Hilfe-Kurs für Hotelmitar­beiter könne „nicht schaden“, jedoch seien Notfälle mit Hunden nach seiner Erfahrung eher ungewöhnli­ch. „Hunde sind robust, die verletzen sich nicht so häufig.“Andrea Sürder sieht es kritischer. „Man weiß nicht, wie sich ein verletzter Hund verhält – er schnappt vielleicht“, gibt sie zu Bedenken. Sie selbst sei Hundebesit­zerin und habe bereits einen Erste-Hilfe-Kurs besucht, „aber für mein eigenes Tier“.

Dass ein Hund unberechen­bar sein kann, lehrt Tierärztin Anja Scheufele auch ihren Schülern in München. Deshalb soll am Anfang jeder Begegnung eine vorsichtig­e Kontaktauf­nahme stehen: den Hund ansprechen, ihm in die Augen schauen, prüfen, wie das Tier reagiert. Erst dann sollte Hand angelegt werden. Nicole Brühl, Präsidenti­n des Tierschutz­bunds Bayern, begrüßt es, „dass die Vierbeiner, die mitgebrach­t werden, genauso versorgt werden“wie Menschen. „Im Ernstfall ist Hilfe besser als keine Hilfe.“Dann aber sollte so schnell wie möglich der Tierarzt gerufen werden.

„Im Ernstfall ist Hilfe besser als keine Hilfe.“Nicole Brühl, Präsidenti­n des Tierschutz­bunds Bayern

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FOTO: DPA Nur zur Übung: Hund Max bekommt bei einem Erste-Hilfe-Kurs einen Verband an der Pfote.
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FOTO: DPA Auch Zahnfleisc­h und Lefzen werden kontrollie­rt.

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