Trump irritiert auch auf der Insel
Der US-Präsident widerspricht sich auch in Großbritannien – Neue Kritik an Deutschland
- Donald Trump sorgt bei seiner Europa-Reise weiter für Verwirrung und Irritationen. Mit harscher Kritik und überschwänglichem Lob hat der US-Präsident am Freitag bei seinem Besuch in Großbritannien die Gastgeber irritiert. In einem Interview kritisierte Trump zunächst den Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May und stellte sich an die Seite ihrer innerparteilichen Gegner. Trump ging sogar so weit zu sagen, dass der zurückgetretene Außenminister und Brexit-Hardliner Boris Johnson ein „großartiger Premierminister“wäre. Am Nachmittag beim Treffen mit Premierministerin May auf dem Landsitz der britischen Regierung in Chequers lobte Trump dann Mays Führungsstärke und bezeichnete sie als „grandiose Frau“. Nach dem Treffen sagte er, das Verhältnis sei „so stark wie nie zuvor“und behauptete, er habe May gar nicht kritisiert.
In der Hauptstadt London demonstrierten derweil Zehntausende Menschen gegen Trumps Besuch. „Donald Trump ist nicht willkommen“und ähnliche Parolen skandierten die Teilnehmer, die am Nachmittag über die Oxford Street zum Trafalgar Square liefen.
Trump hatte seine Visite auf der Insel zuvor mit einer unverhohlenen Breitseite gegen May gestartet. Der Präsident hatte der Zeitung „The Sun“gesagt, er hätte den Brexit anders gestaltet. „Ich habe Theresa May sogar gesagt, wie sie es machen soll“, aber „sie hat nicht auf mich gehört“. Mays Pläne für eine weitere enge Bindung an die EU würden das angestrebte Handelsabkommen „wahrscheinlich töten“. Wenig später spielte er dann auch diese Kritik herunter. Trump und May kündigten nach dem Treffen ein groß angelegtes Freihandelsabkommen an – nach dem EU-Austritt der Briten.
Die Premierministerin ließ nur einmal in ihrem vierminütigen Statement durchblicken, dass es nicht nur gemütlich zuging hinter verschlossenen Türen. Auf der Weltbühne müsse man „gelegentlich auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen“. Danach betonte sie, dass Großbritannien gemeinsam mit den USA entschieden gegenüber Russland auftreten werde. May sagte, sie sei sich mit Trump einig gewesen, dass ein Dialog mit Moskau aus einer Position der „Stärke und Einigkeit“erfolgen müsse. Der US-Präsident kommt am Montag in Helsinki mit Russlands Staatschef Wladimir Putin zusammen.
Erneut schwere Vorwürfe erhob Trump am Freitag gegen Deutschland wegen seiner Gasimporte aus Russland. „Es ist furchtbar, was Deutschland macht, es ist ein furchtbarer Fehler“, sagte Trump. Während sich sein Land um „Frieden in der Welt“bemühe, zahle Deutschland „Milliarden Dollar in die russischen Kassen“. Bereits zum Auftakt des Nato-Gipfels am Mittwoch in Brüssel hatte Trump eine Tirade gegen Deutschland wegen der Gasimporte losgelassen.
Nur einmal in ihrem vierminütigen Eingangs-Statement spielt Theresa May auf das Thema ein, das ihr Treffen mit Donald Trump überschattet hat. Auf der Weltbühne müsse man „gelegentlich auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen“.
Das muss sie sein, die Anspielung auf jenes Zeitungsinterview, mit dem US-Präsident Trump am Abend zuvor die Krise der britischen Regierung wegen des EU-Austritts mutwillig vergrößert hat. Er habe May gesagt, wie sie die Verhandlungen mit der EU führen solle, wird der USPräsident im Boulevardblatt „The Sun“zitiert. „Aber sie hat nicht auf mich gehört.“Die im neuen Weißbuch angestrebte enge Kooperation mit Brüssel sei „nicht das, wofür die Menschen gestimmt haben“. Hingegen lobt Trump den als Außenminister zurückgetretenen Brexit-Cheerleader Boris Johnson für dessen „richtige Einstellung: Er wäre ein großartiger Premierminister“.
Die Freitag-Ausgabe des Millionenblattes mit der Schlagzeile „May hat den Brexit ruiniert“ist von Donnerstagabend in Regierungs- und Parlamentszirkeln das Thema Nummer Eins. „The Sun“gehört zum Medien-Imperium des US-australischen Medienzaren Rupert Murdoch, welcher der EU seit langem feindselig gegenübersteht. Das Interview hatte der Politikchef des Blattes am Mittwoch in Brüssel geführt, ehe Trump am Donnerstagnachmittag in Großbritannien eintraf.
Verzweifeltes Zurückrudern
In der gemeinsamen Pressekonferenz versucht Trump noch, das Interview als „fake news“herunterzuspielen. Damit knüpft er an die verzweifelten Schadensbegrenzungsversuche an, die Mays und Trumps Teams vom frühen Freitagmorgen an unternommen hatten. Das Brexit-Weißbuch sei ja erst am Donnerstagmittag vorgestellt worden, hieß es in der Downing Street. Der Präsident habe „nie irgendetwas Schlechtes“über May gesagt, halte sie im Gegenteil für eine „wirklich tolle Person“, teilte Sarah Huckabee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, mit.
Nur einmal prallen die unterschiedlichen Weltsichten von Trump und May in der gemeinsamen Pressekonferenz aufeinander. Die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte sei „schlecht gewesen für Europa“, behauptet der Amerikaner pauschal und setzt erkennbar Immigranten mit Terroristen gleich. Hingegen bekräftigt May: „Alles in allem war die Einwanderung gut für unser Land. Die Kontrolle über unsere Grenzen gehört dazu.“
Am Nachmittag empfing Queen Elizabeth II. den US-Präsidenten und First Lady Melania auf Schloss Windsor. Die 92 Jahre alte Monarchin begrüßte die beiden mit militärischen Ehren und zog sich wenig später mit ihnen zum Tee zurück.
Trumps erster offizieller Termin auf der Insel war am Donnerstagabend ein Besuch auf Schloss Blenheim bei Oxford, dem Geburtsort des berühmten Weltkrieg-Premiers Winston Churchill (1874 bis 1965). Dort wurden der Präsident und seine Gattin Melania von May und ihrem Mann Philip mit militärischen Ehren empfangen, ehe beide Paare mit Industrievertretern schottischen Lachs, englisches Beef und Erdbeeren mit Sahne verzehrten.
Bei dem Gala-Dinner habe Trump höchst positiv über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Atlantik-Anrainern gesprochen, teilte Außenhandelsminister Liam Fox mit. Das klang in Trumps „Sun“-Interview ganz anders. Die vor Wochenfrist festgelegte weichere Brexit-Linie, die den Rücktritt Johnsons sowie des Brexit-Ministers David Davis nach sich gezogen hatte, mache den ins Auge gefassten Freihandelsvertrag unmöglich, heißt es darin.
Zehntausende protestieren
Von den Protesten gegen seine Person und Politik dürfte Trump wenig mitbekommen haben. Zehntausende von Briten demonstrierten am Freitag in London, Glasgow und Edinburgh gegen die Anwesenheit des Staatsgastes, geleitet von einem sechs Meter hohen Heliumballon in Form eines zornigen Trump-Babys in Windeln.
Es habe „keine rechtliche Möglichkeit“gegeben, den Antrag der Trump-Gegner abzulehnen, hatte Londons Bürgermeister Sadiq Khan seine Genehmigung für die unfreundliche Geste gerechtfertigt. In Wahrheit dürfte Khan durchaus Spaß gehabt haben am albernen und aus dem Herzen kommenden Protest gegen Trump. Der reagiert beleidigt. Im „Sun“-Interview wiederholt Trump, was er via Twitter mehrfach zum Besten gegeben hatte: Khan verhalte sich wenig gastfreundlich, sei aber viel zu nachgiebig gegenüber islamistischen Terroristen.