Asylminister
Im Fall Sami A. sitzt NordrheinWestfalens FDP-Integrationsminister mit Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU in einem Boot: Beide müssen sich des Verdachtes erwehren, dass sie, um einen Gefährder abzuschieben, es mit den Regeln des Rechtsstaats nicht so genau nehmen. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Minister sonst wenig verbindet: Ein seit Langem für diese Woche angesetztes Treffen wurde kurzfristig abgesagt – es seien auf Arbeitsebene noch zu viele Fragen offen geblieben, wie es hieß.
Zwar will Stamp Gefährder und kriminelle Asylbewerber konsequenter abschieben als die rot-grüne Vorgängerregierung und dafür „alle rechtlichen Möglichkeiten ausreizen“. Gleichzeitig wirbt er für ein Bundeseinwanderungsgesetz und für eine Stichtagsregelung. Diese soll Migranten einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen, wenn sie Arbeit gefunden haben und nicht kriminell sind. Ausdrücklich bekennt sich Stamp zu einer „Willkommenskultur“. Das würde man von Seehofer so nicht hören.
Als er mit dem Regierungswechsel in NRW zum stellvertretenden Ministerpräsidenten aufstieg, hatte Stamp beim Zuschnitt seines Ressorts freie Hand. Er holte den Bereich Ausländerrecht vom Innenministerium in sein neu gebildetes Familienund Integrationsministerium. Inzwischen ist er für die FDP auch über NRW hinaus ein wichtiges Gesicht in asylpolitischen Fragen. Für die Partei, der vor nicht allzu langer Zeit noch vorgeworfen wurde, medial nur aus Christian Lindner zu bestehen, ist das ein erheblicher Gewinn. Ulrich Mendelin Chaostage bei der CSU, die Nerven liegen blank. Grund sind die miserablen Umfragewerte. Drei Monate vor der Landtagswahl sind die Christsozialen auf 38 Prozent abgestürzt, verlieren drei Punkte gegenüber Mai. Die absolute Mehrheit scheint verloren. Seehofer selbst erhält im „Bayerntrend“nur noch die „Schulnote“3,9, ein Negativrekord. Und weil fast 80 Prozent der Bayern glauben, dass der brutale Asylstreit mit der CDU der CSU geschadet habe, macht Ministerpräsident Markus Söder Horst Seehofer für die einbrechende Beliebtheit der Partei verantwortlich. Der Negativtrend sei „überwiegend geprägt von Berliner Entscheidungen“, lautet seine unverhohlene Attacke auf den Bundesinnenminister.
Seehofer verbockt es – mit der Meinung steht Söder längst nicht allein bei den Christsozialen. Der Parteichef ist angezählt. „Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerweile viele“, meldete sich Ex-CSUChef Erwin Huber kürzlich zu Wort. Aber Selbstkritik und verbale Abrüstung sind Seehofers Sache nicht. Er holt zum Gegenschlag gegen seinen ärgsten Rivalen aus. „Blendend“stehe Bayern da, Spitzenkandidat Söder stütze sich im Landtagswahlkampf „auf eine absolute Mehrheit, die wir 2013 unter meiner Führung geholt haben“, schiebt er dem Ministerpräsidenten alle Verantwortung für die Umfragedämpfer zu. Söder sei „auf keinen Koalitionspartner angewiesen, das ist ein großer Vorteil für den Wahlkampf “, stichelt er am Mittwoch und hängt die Latte für den Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten extra hoch: Die absolute Mehrheit bei der Wahl im Oktober sei noch immer möglich.
Grabenkämpfe und Selbstzerfleischung bei den Christsozialen – dahinter steckt neben den persönlichen Rivalitäten auch die Rat- und Planlosigkeit im Umgang mit der AfD. Die zunächst noch gemeinsamen Versuche, die Rechtspopulisten zu bekämpfen, indem man ihre Forderungen und ihre Rhetorik kopiert, scheinen gescheitert. Söder hat als Erster umgeschaltet, sich von Begriffen wie „Asyltourismus“distanziert, gibt plötzlich den Geläuterten. Ein Kurswechsel, der Seehofer überrumpelt hat. Jetzt sieht sich der Parteichef zu Unrecht in die Schmuddelecke gestellt.
Der Bundesinnenminister wirkt angeschlagen. Im Bundeskabinett, wo sich die Regierungsmitglieder vor Sitzungsbeginn stets begrüßen, hocke sich Seehofer gleich auf seinen Platz, gehe den anderen aus dem Weg, heißt es. Ausgelaugt und dünnhäutig zeigte er sich Mitte der Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin. Und während die Kanzlerin ab dem Wochenende eine Sommerpause einlegen kann, muss der Bundesinnenminister weiterarbeiten, mit den resistenten Italienern über die Rücknahme von Flüchtlingen verhandeln.