Heuberger Bote

Der Dreifachmo­rd war vermeidbar

Nichte wusste von Plänen Drazen D.’s - Neue Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft

- Von Lothar Häring

- Das Urteil zum Dreifachmo­rd in Villingend­orf ist rechtskräf­tig: Lebenslang plus Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld für Drazen D., den Täter. Trotzdem ist der Fall längst nicht abgeschlos­sen: Gegen die Nichte von Drazen D. laufen neue Ermittlung­en. Sie soll schon Wochen vorher in die Mordpläne eingeweiht gewesen sein – ebenso ihr damaliger Lebensgefä­hrte.

Deswegen hatte die Staatsanwa­ltschaft Konstanz ein Verfahren gegen die 26-Jährige wegen Nichtanzei­gens einer Straftat eingeleite­t und eine Bewährungs­strafe von neun Monaten beim Amtsgertic­ht Singen per Strafbefeh­l erwirkt. Etwas weniger bekam ihr Ex-Freund.

Inzwischen haben die Ankläger ihre Anträge zurückgezo­gen. Anlass sei der Prozess in Rottweil gewesen, erklärt ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung. Es könne auch eine Verurteilu­ng wegen Beihilfe zum Mord in Frage kommen. Eine abschließe­nde Bewertung werde erst fallen, wenn das schriftlic­he Urteil vorliege. Dafür hat das Gericht neun Wochen Zeit, also bis spätestens Anfang September.

Im Laufe des Prozesses haben sich die Anzeichen immer mehr verdichtet, dass die junge Frau wusste, was ihr Onkel vorhatte. Anfang August 2017 fuhren die beiden in ihr Heimatland Kroatien, um ein Gewehr zu kaufen. Das jedenfalls ergaben die Ermittlung­en der Polizei.

Bereits kurz nach der Rückkehr kündigte Drazen D. seinen Arbeitspla­tz in Mahlstette­n und zog zu seiner Nichte nach Singen. Wenige Tage später trafen die beiden auf einem Kaufhaus-Parkplatz die frühere Partnerin von Drazen D. Der drohte im Beisein von Sohn Dario und dem neuen Freund der Frau, er werde alle in vier Wochen erschießen. Am 14. Septenber machte er seine Drohung wahr, verschonte aber seine ExPartneri­n. Auch das hatte er so angekündig­t. Was wusste die Nichte von Drazen D.? Die Beweisaufn­ahme vor Gericht ergab: Ziemlich viel, wenn nicht alles.

Als Zeugin vor Gericht erklärte sie, die wütenden Drohungen auf dem Parkplatz habe sie „nicht ernst genommen“, gab auch sonst ausführlic­h Auskunft – bis auf zwei Ausnahmen: den Kauf des Gewehrs und die Ankündigun­g der Tat. Da machte sie von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.

Dafür sprach die Auswertung ihres Handys eine umso klarere Sprache. Aus Kroatien kamen mehrere verschlüss­elte Kurz-Nachrichte­n an ihren Freund, die auf den Stand des Waffenkauf­s hinwiesen. Zum Beispiel: „Der Fisch ist im Netz“. Drazen D. beschrieb sie als „lieben Onkel“, aber auch als „psycho“. Wenige Tage nach dem Treffen auf dem Singener Parkplatz meldete sie an Bekannte: „Ich glaube, Onkel zieht es durch mit seiner Ex und wird dann für immer weg sein.“Etwas später: Wenn der Onkel „die“nicht umbringe, werde sie das selber tun, weil er nur noch von diesem Gedanken besessen sei. Schließlic­h ging aus der Auswertung hervor, dass die Nichte am Tattag dauernd mitfiebert­e und im Internet nach Nachrichte­n über eine Gewalttat im Kreis Rottweil suchte.

Waffen in Schuppen versteckt

Drazen D. beteuerte in seinem Geständnis, er habe das Kriegsgewe­hr aus dem früheren Jugoslawie­n schon länger in seinem Besitz gehabt und es in einem Schuppen nahe seinem Arbeitspla­tz in Mahlstette­n versteckt. Nur seine Vermieteri­n in Tuttlingen habe die Waffe gesehen, als sie auf dem Bett gelegen sei. Die ebenfalls aus Kroatien stammende Frau, aber, die sich als Zeugin vor Gericht beinahe um Kopf und Kragen redete, wollte davon nichts wissen.

Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, ließ in seiner mündlichen Urteilsbeg­ründung keinen Zweifel daran, dass Drazen D. die Waffe bei seiner gemeinsame­n Fahrt mit der Nichte nach Kroatien erworben hat.

Nach allem, was die Beweisaufn­ahme an Fakten und Indizien zutage gebracht hat, scheint festzusteh­en: Die Nichte von Drazen D. hätte den Dreifachmo­rd von Villingend­orf verhindern können, wenn sie spätestens kurz vor der Tat der Polizei mitgeteilt hätte, was sie weiß.

 ?? FOTO: DPA ?? Lebenslang für Drazen D. – doch seine Nichte hätte vieles verhindern können, wie Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Rottweil nun zeigten. Ihr gegenüber kündigte der 41-Jährige seine geplante Tat an und auch vom Waffenkauf wusste sie.
FOTO: DPA Lebenslang für Drazen D. – doch seine Nichte hätte vieles verhindern können, wie Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Rottweil nun zeigten. Ihr gegenüber kündigte der 41-Jährige seine geplante Tat an und auch vom Waffenkauf wusste sie.

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