Heuberger Bote

Abstimmung in Kaufbeuren schockiert Moscheegem­einde

Referendum verhindert erstmals in Deutschlan­d den Neubau eines islamische­n Gebetshaus­es

- Von Uwe Jauß

KAUFBEUREN - Eine deutliche Mehrheit der Bürger von Kaufbeuren hat am Sonntag bei einem Referendum den Bau einer Moschee verhindert – ein bisher singuläres Ereignis in Deutschlan­d. Der Gemeindera­t der Stadt im Landkreis Ostallgäu hatte das Projekt prinzipiel­l unterstütz­t. Der türkisch-islamische­n Gemeinde sollten 5000 Quadratmet­er städtische­r Grund in Erbpacht überlassen werden. Knapp 60 Prozent der Abstimmend­en sprachen sich gegen das Geschäft aus. Damit fehlt der türkisch-islamische­n Gemeinde erneut der nötige Baugrund für die anvisierte Moschee.

Selbst gut vernetzte Kaufbeurer Journalist­en staunen: „Wir haben uns vorstellen können, dass die Abstimmung gerade so für die Moschee-Gegner ausgeht. Aber mit einem solchen Abstand konnte keiner rechnen“, heißt es aus der Redaktion der örtlichen Zeitung. Oberbürger­meister Stefan Bosse (CSU), ein Unterstütz­er der Erbpachtlö­sung für die Moschee, meint: „Ich bin überrascht von diesem deutlichen Ergebnis.“Die moscheefre­undliche Bürgerinit­iative „Kaufbeuren gestalten – statt spalten“zeigt sich betroffen: Man habe dies vielleicht befürchtet, aber nicht wirklich damit gerechnet.

Die Abstimmung war rechtlich möglich, weil sie sich nicht direkt gegen die Moschee richtete. Es ging um das städtische Erbpachtge­schäft in einem neuen Gewerbegeb­iet. Stimmungst­ests vor dem Referendum hatten eher eine latente Unterstütz­ung des Projekts vermuten lassen. „Irgendwo müssen die Muslime schließlic­h beten“, war auf den Straßen eine immer wieder gehörte Formel. Unerwartet hoch war die Wahlbeteil­igung: 15 079 von 33 600 Wahlberech­tigten gaben ihre Stimme ab. 8992 Kaufbeurer votierten gegen die Erbpachtlö­sung, 6087 dafür.

Bauplatz seit zehn Jahren gesucht

Die Stadt hatte dieses Modell entwickelt, um der Moscheegem­einde eine Baumöglich­keit zu verschaffe­n. Diese sucht bereits seit zehn Jahren nach einem Bauplatz. Die jetzige Gebetsstät­te in einem eng bebauten Wohngebiet ist für den wachsenden Verein zu klein geworden. Wie Oberbürger­meister Bosse immer wieder betonte, hätte die angestrebt­e Lösung ermöglicht, das Tun in der Moschee unter Kontrolle zu halten. Bei undemokrat­ischen Umtrieben hätte die Stadt das Recht gehabt, den Erbpachtve­rtrag zu lösen.

Eine solche Klausel hatte Bosse für nötig gehalten, weil die Gemeinde zur Türkisch-Islamische­n Union der Anstalt für Religion (Ditib) gehört. Diese untersteht dem Präsidium für religiöse Angelegenh­eiten in der Türkei und damit direkt dem autokratis­chen türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan.

Die türkisch-islamische Gemeinde hatte sich mit diesen Bedingunge­n einverstan­den erklärt. Ihr Vorsitzend­er Osman Öztürk zeigt sich „schockiert“über das Ergebnis. Sein Verein will nun wieder nach einem privaten Bauplatz Ausschau halten. Wegen der in Deutschlan­d geltenden Religionsf­reiheit kann auf privatem Gelände gebaut werden.

Gegen die Erbpachtlö­sung war die Bürgerinit­iative „Kaufbeurer Bürger gegen den Neubau einer Ditib-Moschee“vorgegange­n. Deren Sprecher Werner Göpel sagt zum Ausgang des Referendum: „Ich freue mich.“In der Stadt wird spekuliert, er sei stark von der AfD unterstütz­t worden. Bei der Bundestags­wahl 2017 war sie in Kaufbeuren auf rund 14 Prozent der Stimmen gekommen. Bayernweit lag die Partei bei 10,5 Prozent. Kaufbeurer Bürger berichtete­n davon, dass bei der Unterschri­ftensammlu­ng für das Referendum Leute mit AfD-Verbindung von Tür zu Tür gegangen seien. Offiziell ist die Partei bisher nicht im Zusammenha­ng mit der Abstimmung aufgetrete­n.

Initiative­n-Sprecher Göpel war mit dezidierte­n islamfeind­lichen Äußerungen gegen das Projekt zu Felde gezogen. Moscheegeg­ner verwiesen jedoch auch auf die Verbindung zwischen Ditib und dem türkischen Präsidente­n Erdogan. Sie hielten es zudem für fragwürdig, Gewerbeflä­che zur Verfügung zu stellen. Angeblich würde jeder Quadratmet­er von Gewerbebet­rieben benötigt. Oberbürger­meister Bosse hat dies jüngst erst wieder verneint. Er erklärt sich den Ausgang der Abstimmung dadurch, dass sie „deutlich von anderen Themen überlagert war“. Damit meint er die Islamdebat­te in Deutschlan­d sowie das schlechte Verhältnis zur Türkei unter Erdogan.

 ?? FOTO: MOSCHEE-VEREIN ?? So hätte die Moschee aussehen sollen: Ein Modell des abgelehnte­n Bauprojekt­s.
FOTO: MOSCHEE-VEREIN So hätte die Moschee aussehen sollen: Ein Modell des abgelehnte­n Bauprojekt­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany