Lebenslange Haft im Mordfall Zech
Gericht hält 37-Jährigen für nicht therapierbar – Mitangeklagter wird freigesprochen
(dpa/bau) - Weil er in ein Haus im Lindauer Stadtteil Zech einbrach und den Besitzer ermordete, ist ein 37-Jähriger zu lebenslanger Haft samt Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Landgericht Kempten sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass der Rumäne im März 2017 den Rentner erwürgte, weil er Angst hatte, wegen des Einbruchs gefasst zu werden. Was genau in der Nacht passiert ist, ließ sich auch nach sechs Verhandlungstagen, 20 Zeugenaussagen und vier Sachverständigenvorträgen nicht komplett rekonstruieren.
- Er sei „der Gefährlichste, der in den letzten Jahren hier gesessen ist“. Mit diesen Worten schloss Richter Gunther Schatz seine Urteilsbegründung am Donnerstagnachmittag. Das Kemptener Landgericht hat einen 37-jährigen Rumänen zu lebenslanger Haft verurteilt und die Sicherungsverwahrung des Mannes angeordnet. Er hat nach Überzeugung des Gerichts einen Rentner in Lindau ermordet und dann dessen Haus in Brand gesteckt. Uneinig blieben sich Schwurgerichtskammer und Staatsanwaltschaft bis zum Ende darüber, ob die Verbrechen das Werk eines einzelnen waren – oder das einer ganzen Bettlergruppe.
Den als Komplizen angeklagten 27-Jährigen sprach die Kammer frei, von einem in der Anklageschrift als Mittäter aufgeführten „Adrian“fehlt bis heute jede Spur. Was genau in der Nacht zum 9. März 2017 passiert ist, ließ sich auch nach sechs Verhandlungstagen, 20 Zeugenaussagen und vier Sachverständigenvorträgen nicht vollständig rekonstruieren.
Doch die Kammer geht davon aus: Der 37-jährige Hauptangeklagte war allein unterwegs. Er ist in ein ehemaliges Bahnwärterhäuschen im Lindauer Stadtteil Zech eingebrochen, vielleicht hat er sich dort eine Weile im Keller versteckt. Irgendwann, es muss gegen 22 Uhr gewesen sein, hat der 76-jährige Hausbewohner ihn beim Stehlen erwischt. Daraufhin hat der Ertappte dem Rentner erst den Kiefer gebrochen und ihn dann erwürgt. Um die Tat zu vertuschen, zündete er das Haus an.
Schon zweimal verurteilt
Laut Richter Schatz war dies nicht das erste Mal, dass der Angeklagte in einer solchen Situation „extrem“reagiert hat: Bei einem Einbruch in Rumänien vor einigen Jahren hatte er eine Frau vergewaltigt, bei einem anderen Einbruch hatte er seinem Opfer mit einer Eisenstange ins Gesicht geschlagen. Beide Male wurde er zu Gefängnisstrafen verurteilt. Doch sobald er auf freiem Fuß war, wurde er wieder kriminell. „Wenn er stiehlt, ist er normal“, sagte Schatz. Zum Zeitpunkt der Tat in Lindau stand der 37-Jährige unter Bewährung, weil er kurz vorher versucht hatte, eine Frau zu vergewaltigen. „Er ist eine tragische Figur, die nicht kontrollierbar ist“, sagte Schatz.
Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt kam für die Schwurgerichtskammer nicht infrage – obwohl ein Gutachter dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung attestiert hatte. „Der Angeklagte ist nach Ansicht der Kammer nicht therapierbar“, so Schatz. Zu dieser Einschätzung habe auch das vollkommen wirre letzte Wort des Angeklagten beigetragen: „Es tut mir leid, diese Tat, die von einem anderen begangen wurde“, hatte er gesagt – und dann plötzlich ein zusammenhangloses Alibi für die Tatnacht konstruiert.
Doch die Indizien, die den Angeklagten mit dem Tatort in Verbindung bringen, sind erdrückend: Ermittler hatten einen Kapuzenpullover am Tatort gefunden, an dem sowohl DNA-Spuren des Opfers als auch die des 37-Jährigen waren. Außerdem waren die DNA-Spuren des Rumänen noch an weiteren Kleidungsstücken, an einem Schlüsselbund und an dem Diebesgut, das der Angeklagte zum Abtransport bereitgestellt hatte. Und zwei Zeugen hatten den Mann am Tatabend in der Nähe des alten Bahnwärterhäuschens gesehen.
Verteidigung forderte Freispruch
Die Anwältinnen des Hauptangeklagten hatten für ihren Mandanten einen Freispruch gefordert. „Wären wir im Film, dann würden wir hier in der Mitte einen Galgen sehen, und der einzige, der hängen würde, wäre mein Mandant“, sagte Rechtsanwältin Simone Balzert-Eß. Das Verhalten der Bettlergruppe habe nur einen Sinn gehabt: Dem entferntesten Verwandten die Schuld in die Schuhe zu schieben. „Er kann bei der Tat nicht allein gewesen sein.“
Dieser Ansicht war auch Staatsanwalt Martin Slach, der für den Hauptangeklagten 14 Jahre und neun Monate, für den als Fahrer des Fluchtautos angeklagten 27-Jährigen drei Jahre Haft gefordert hatte. Diesen bezeichnete er am Donnerstag als „Mastermind“der Bettlerbande. „Er ist der Anführer der Gruppe, da gibt es keinen Zweifel“, sagte Slach. Auf die überwachten Telefonate, bei denen die Mitglieder der Bettlergruppe den 27-Jährigen stets geschützt und den 37-Jährigen als alleinigen Täter bezeichnet hatten, dürfe man nichts geben. „Die waren inszeniert.“
Für die Schwurgerichtskammer gab es am Ende der Verhandlung zu wenig Beweise dafür, dass der 27-jährige Mitangeklagte in der Tatnacht tatsächlich am Tatort war. „Natürlich ist er der Chef der Bettlergruppe“, sagte Richter Schatz. „Aber ein Zwischenfall wie dieser ist für die Gruppe geschäftsschädigend und vernichtend.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Anwälte und Staatsanwaltschaft haben eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Und in diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass beide diese Möglichkeit wahrnehmen.