Architektur trifft virtuelle Räume
Tuttlinger Startup Numena ist gemeinsam mit Aesculap für VR Award 2018 nominiert
TUTTLINGEN - Virtuelle Realitäten schaffen und gleichzeitig in der klassischen Architektur beheimatet: Diesen interessanten Spagat schafft das Tuttlinger Startup-Unternehmen Numena, das seit März in den Räumen beim Solidschuhwerk an der Ehrenbergstraße zu finden ist. Der jüngste Coup: Numena wurde gemeinsam mit dem Tuttlinger Medizintechnik-Hersteller Aesculap für die internationalen VR Awards 2018 in der Kategorie „Healthcare of the Year“(zu Deutsch: Gesundheitswesen des Jahres) nominiert.
Hinter Numena stecken Andreea Cojocaru und Benjamin Bach, die jetzt mit dem Medizintechnik-Unternehmen möglicherweise den Branchen-„Oscar“für die Virtual Reality-Anwendung „Asculap Spine VR“bekommen. Diese beinhaltete eine Simulation der Wirbelsäulenchirurgie, bei der zwei Produkte von Aesculap im Mittelpunkt stehen. Ihre Funktion wurde in der virtuellen Welt hervorgehoben und als komplexe und realitätsgetreue Operationsvorgänge dargestellt. Zudem gibt es eine begehbare Knochenstruktur, durch die sich die Anwender im Miniformat bewegen. „Aesculap Spine VR“soll bei internen Veranstaltungen sowie bei externen Messen und Kongressen zum Einsatz kommen.
Andreea Cojocaru hat nach ihrem Architektur-Studium, unter anderem an der renommierten Universität Yale, lange Zeit in New York und Stuttgart gelebt, bis sie schließlich nach Tuttlingen gekommen ist. Ihr Ziel war es, die klassische Architektur mit ihrer Leidenschaft fürs Programmieren, die sie von ihrem Vater geerbt hat, zu verbinden. Sie habe lange überlegt, wie sie beide Bereiche zusammenbringen könnte, schließlich brauche man in der Architektur keine Programmierung.
Eine andere Art der Architektur
„Nachdem ich in Stuttgart zum ersten Mal die virtuelle Realität erlebt hatte, war mir klar, dass es das ist, was ich machen will“, sagt Andreea Cojocaru. Schließlich brauche die virtuelle Realität auch eine Umgebung, und diese kann sie mithilfe ihrer Architektur-Software herstellen. Das Bonbon: In der virtuellen Welt gibt es keine Schwerkraft, die Statiker mit ihrer Schwerkraft haben dort nichts zu melden: „Das ist eine total andere Art der Architektur. Das ist mein Antrieb“, sagt sie. Wer etwas in der virtuellen Welt simuliert habe, könne laut Andreea Cojocaru sein Wissen neun Mal mehr abrufen, als durch das Schauen eines Videos.
Bei Numena dreht sich alles um Räume. Vier Bereiche nennt Benjamin Bach: virtuell, real, mixed sowie Forschung und Entwicklung. Der Anteil der Architektur und der virtuellen Welt hält sich derzeit die Waage. So entwickelt Numena etwa mit der HIS Unternehmensberatung um Markus Breinlinger das geplante Ärztehaus in Liptingen. „Wir wollen das Eine tun, aber das Andere nicht lassen“, erklärt Benjamin Bach.
Die Idee, ein Startup zu gründen, hatten die Beiden im Jahr 2016. Den Schritt vollzogen sie bereits im vergangenen Jahr. Das Aesculap-Projekt kam Mitte Dezember 2017 rein und wurde bereits im Januar dieses Jahres fertig, da es am 5. und 6. Februar für die Aesculap Spine Days in Berlin verfügbar sein musste. „Das war Rekordzeit“, sagt Benjamin Bach. Der Vorteil dabei: die kurzen Wege. War ein weiterer Teil der virtuellen Realität fertig, konnten ihn sich die damit betrauten Mitarbeiter des Medizintechnik-Unternehmens innerhalb kürzester Zeit anschauen. Daher konnten sich Numena und Aesculap für den VR Award 2018 bewerben, da sie die Bewerbungsfrist einhalten konnten.
Eine Kooperation gibt es mit dem Tuttlinger Unternehmen für Film und Animation Dejo Media. „Wir arbeiten auch mit Leuten in den USA und Osteuropa zusammen“, betonen Andreea Cojocaru und Benjamin Bach. Denn die Experten in der virtuellen Realität würden sie wohl nicht unbedingt nach Tuttlingen bekommen. Einen Programmierer für den Standort Tuttlingen zu finden, gestalte sich aktuell als schwierig. „Wir könnten auch woanders sein, unsere Kunden sind aber hier“, sagt Benjamin Bach. Wer das ist, das dürfen die Beiden nicht sagen – Verschwiegenheitsklauseln sind unterzeichnet.
Verleihung am 16. Oktober
Die Nominierung für die Auszeichnung, die am 16. Oktober in London vergeben wird, sei für sie jedenfalls eine Bestätigung dafür, dass sie vieles richtig gemacht haben – und Ansporn diesen Weg weiter zu gehen. „Viele wissen gar nicht, dass wir so etwas in Tuttlingen anbieten“, sagt Benjamin Bach. Jetzt gilt es aber zunächst, mit dem „Aesculap Spine VR“die 40-köpfige Fachjury zu überzeugen, die die Finalisten auf Herz und Nieren prüft. Dann steht der Branchen-„Oscar“vielleicht schon bald in Tuttlingen.