Das „dritte Geschlecht“wird amtlich – Einige Fragen bleiben
M enschen, die weder männlich noch weiblich sind, sollen nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2017 die Möglichkeit haben, ihre geschlechtliche Identität im Geburtenregister eintragen zu lassen. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.
Die Bundesregierung will das Personenstandsgesetz modernisieren. Bei der Geburt eines Kindes ist auch dessen Geschlecht im Geburtenregister zu beurkunden. Bei Kindern, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, soll nun neben den Varianten „weiblich“, „männlich“und dem Verzicht auf jegliche Angabe die Möglichkeit „divers“geschaffen werden. Das Innenministerium hatte zunächst die Kategorie „anderes“vorgesehen. Im Justiz- und im Familienministerium wurde diese Bezeichnung, die auf eine Empfehlung des Ethikrats zurückgehe, für herabsetzend gehalten.
Die Bezeichnung Intersexualität bezieht sich auf Menschen, die sich aufgrund von körperlichen Besonderheiten nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Früher wurden diese Menschen als Zwitter oder Hermaphrodit bezeichnet. Intersexualität kann sich an den Chromosomen, den Hormonen oder den anatomischen Geschlechtsmerkmalen zeigen. Der Begriff der Intersexualität wird zum Teil auch für Personen verwendet, die genetisch eindeutig dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, aber aufgrund hormoneller Störungen eine Vermännlichung der äußeren Geschlechtsorgane aufweisen. Im Gegensatz dazu sind Transsexuelle Menschen mit einem eindeutigen biologischen Geschlecht, die sich jedoch psychisch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und deshalb für sich oft medizinische Eingriffe zur Anpassung ihres Körpers an das psychische Geschlecht wählen.
Mit dem Zusammenschluss von Intersexuellen in der Intersex Society of North America (ISNA) 1990 und dem damit beginnenden öffentlichen Auftreten der Betroffenen wurde das Grundproblem eines uneindeutigen Geschlechts in einer zweigeschlechtlich geprägten Gesellschaft erstmals zu einem öffentlichen Thema.
Betroffene kritisieren Medizin
Viele Betroffene kritisieren den Umgang der Medizin mit dem Phänomen: In der Vergangenheit wurden zumeist in der frühen Kindheit genitalangleichende Operationen vorgenommen, ergänzt durch eine langfristige hormonelle Nachbehandlung. Intersexuelle Menschen sehen darin teilweise eine biologische Normierung und Zwangsbehandlung. Kritik wurde auch am rechtlichen Umgang geäußert: Lange waren sogenannte intersexuelle Menschen verpflichtet, sich für „Mann“oder „Frau“zu entscheiden.
Die Deutsche Bischofskonferenz bewertete die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2017 als „nachvollziehbar“. Der Münsteraner Theologe Thomas Schüller sieht nun innerkirchlichen Klärungsbedarf. Auf Basis der katholischen Lehre sehe das Kirchenrecht eine Ehe zwischen Mann und Frau vor. Auch der Zugang zur Priesterweihe bleibe verwehrt, wenn keine eindeutige Geschlechtszuweisung erkennbar sei. Theologisch sieht der Kirchenrechtler vor allem den Vatikan gefragt: Was die Sakramentenlehre anbelangt, Taufe, Ehe, Weihe, aber auch die Frage des Eintritts in einen Männer- oder Frauenorden – damit müsse Rom sich befassen. (KNA)