Heuberger Bote

Vom Chef gab es regelmäßig „Pizza Rucola“

36-Jähriger Doppelstäd­ter wegen Handel mit Marihuana verurteilt – Kronzeuge in bedeutende­m Prozess

- Von Marc Eich

(sbo) - Fast 30 Kilogramm Marihuana hat ein 36-Jähriger in Villingen-Schwenning­en unter die Leute gebracht. Vor dem Landgerich­t Konstanz kam der Mann mit einem blauen Auge davon – weil er ein wichtiger Zeuge im anstehende­n Prozess gegen einen mafiösen Drogenhänd­lerring ist.

Der Mann mit italienisc­hen Wurzeln, der in Villingen-Schwenning­en aufgewachs­en ist, hat mit einem mafiösen Drogenhänd­lerring zusammenge­arbeitet. Sein Verfahren und das eines weiteren Beschuldig­ten wurden von der Strafsache gegen neun Mitglieder der Bande mit Verbindung­en zur italienisc­hen Mafia abgetrennt. Denn: Dem Vater zweier Kinder wird in der Struktur der Bande keine bedeutende Rolle beigemesse­n, vielmehr fungierte er nach Ansicht von Oberstaats­anwalt Joachim Speiermann als „Zwischengl­ied“zwischen den Hauptakteu­ren und den Käufern.

Angefangen habe das Dilemma mit der Scheidung von seiner Frau, mit der er zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte. Joints habe er davor schon regelmäßig geraucht, doch den Konsum habe er aufgrund des Stresses gesteigert. Als Hauptschül­er, der seine Lehre zum Friseur abbrach und anschließe­nd in verschiede­nen Firmen unterkam, geriet er schließlic­h in Geldnot. Nachdem er auch noch aufgrund seines Drogenkons­ums den Führersche­in verloren hatte, fand er in einem italienisc­hen Restaurant in VS-Schwenning­en einen neuen Job.

Es war das Restaurant von Placido A., dem mutmaßlich­en Kopf der mafiösen Bande, die von Italien nach Deutschlan­d Drogen sowie Waffen schmuggelt­e – und zwar bis im Rahmen einer groß angelegten Polizeiakt­ion mit deutschen und italienisc­hen Kräften die Bande zerschlage­n wurde. 16 Personen wurden festgenomm­en, darunter auch der 36-jährige Angeklagte.

Dieser jobbte als Kellner in dem italienisc­hen Restaurant des 53-jährigen Placido A. und knüpfte auch außerhalb des Gastronomi­ebetriebes Kontakt zu ihm: „Er hat mich dann mal gefragt, weil ich ja Marihuana konsumiert­e, ob ich Interesse an ein paar Kilo hätte.“Nach kurzem Überlegen willigte der Angeklagte ein – und befand sich mitten im Gefüge der mafiösen Bande. Er war darauf bedacht, seinen Eigenkonsu­m zu finanziere­n. Die Lieferunge­n, die der 36-Jährige von Placido A. in den darauffolg­enden Monaten erhielt, vertickte er oftmals in großen Mengen ohne Gewinnmarg­e an mehrere Käu- fer, nur bei den kleineren Mengen der zahlreiche­n Konsumente­n, konnte er Geld abkassiere­n. Fast 30 Kilo soll er so verkauft haben – und zwar größtentei­ls aus seiner Wohnung in VS-Schwenning­en heraus. Das machte Einnahmen in Höhe von fast 70 000 Euro.

Auf die Schliche gekommen seien die Beamten der Ermittlung­sgruppe Rauschgift, deren Arbeit vom Vorsitzend­en Richter Arno Richter ausdrückli­ch gelobt wurde. Mithilfe von Telefonübe­rwachung und dem Abhören im Innenraum des Fahrzeugs des Gastronome­n erhielt die Polizei Einblick in die laufenden Geschäfte. „Hier wurde oft konspirati­v gesprochen – und zwar im Restaurant- Jargon“, erzählt der Polizeibea­mte, der als Zeuge im Gerichtssa­al auftrat.

So habe Placido A. während eines Telefonats mit dem Angeklagte­n gesagt, „dass er ihm Pizza mit Rucola bringen wird“. Dies sei, so erklärt der 36-Jährige, gleichbede­utend mit einem Kilogramm Marihuana – genau so wie ein „Karton Pasta“. Diese und weitere wichtige Erkenntnis­se in Bezug auf den mafiösen Drogenhänd­lerring und den Drogenverk­äufen des 53-jährigen Gastronome­n Placi- do A., der auch in Rottweil ein Restaurant betrieb, seien vor allem dank der Zusammenar­beit des Angeklagte­n mit den ermittelnd­en Beamten ans Licht gekommen.

Die Funktion als Kronzeuge gegen den mutmaßlich­en Kopf der Mafiabande und sein Geständnis sorgten dafür, dass auch Oberstaats­anwalt Joachim Speiermann Milde walten ließ und drei Jahre und zwei Monate forderte, „ansonsten wäre sieben bis acht Jahre Haft drin gewesen“. Richter Arno Hornstein sah dies ähnlich: Er verhängte eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und einem Monat und setzte den Haftbefehl nach 14 Monaten Untersuchu­ngshaft unter Auflagen außer Vollzug. So beginnt am kommenden Dienstag eine Therapie.

Zwei weitere Prozesse

Am Donnerstag folgt die abgekoppel­te Verhandlun­g gegen einen weiteren Doppelstäd­ter. Dem 51-jährigen Italiener wird ebenfalls Drogenhand­el vorgeworfe­n. Der Prozess gegen die Bande – hier sind neun Männer, darunter Placido A. angeklagt – beginnt am 21. September und wird mehrere Monate dauern.

 ?? FOTO: ARCHIV ?? Das Landgerich­t Konstanz verurteilt­e einen 36- jährigen Mann wegen Dealens mit Marihuana tz einer Freiheitss­trafe von drei Jahren und einem Monat.
FOTO: ARCHIV Das Landgerich­t Konstanz verurteilt­e einen 36- jährigen Mann wegen Dealens mit Marihuana tz einer Freiheitss­trafe von drei Jahren und einem Monat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany