Seehofer bereitet Einwanderungsgesetz vor
Entwurf zielt auf qualifizierte Fachkräfte – Kein Punktesystem – Debatte um „Spurwechsel“
- Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Damit will die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag beschlossen, qualifizierten ausländischen Fachkräften den Zuzug nach Deutschland erleichtern. Kriterien für die Einwanderung sollen Qualifikation, Alter, Sprachkenntnisse, der Nachweis eines Jobangebots und die Sicherung des Lebensunterhalts sein. Der Entwurf, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, ist zwischen Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium abgestimmt und soll bald im Kabinett beraten werden.
Ein Punktesystem etwa nach kanadischem Vorbild ist in dem Papier nicht erwähnt. Das Gesetz zielt nicht auf Hochschulabsolventen ab, sondern auf Einwanderer mit Berufsausbildung. Eine Bevorzugung einheimischer Bewerber bei der Besetzung offener Stellen gibt es nicht. Zudem gibt es für beruflich ausreichend Qualifizierte die Möglichkeit, befristet nach Deutschland einzureisen, um sich einen Job zu suchen. Die „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ soll aber auf alle Fälle verhindert werden.
Der umstrittene „Spurwechsel“wird in dem Papier nicht erwähnt. Dabei geht es um die Frage, ob abgelehnte Asylbewerber in den Arbeitsmarkt wechseln können. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), plädiert für eine Stichtagsregelung. Integrierte Menschen mit einer Duldung, die bereits in Deutschland arbeiten, sollten eine Bleibeperspektive erhalten, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“. BadenWürttembergs Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) hält eine solche Regel ebenfalls für sinnvoll. Sie würde nur auf Menschen angewandt, die vor einem bestimmten Datum eingereist sind. „Wir müssen abgelehnten, aber gut integrierten Asylbewerbern einen Weg in den deutschen Arbeitsmarkt öffnen“, erklärt Lucha. Nicht festlegen wollte sich CDU-Bundesvize Thomas Strobl. „Eine Ausreisepflicht, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt wurde, ist grundsätzlich durchzusetzen. Andererseits sehe ich die berechtigten Interessen der Unternehmer.“
– Die Eckpunkte gibt es bereits – und im Herbst will die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte vorlegen, das zwischen Arbeitsministeirum, Wirtschaftsministerium und Innenministerium abgestimmt ist. Unstrittig zwischen den Koalitionspartnern ist, dass mit diesem Gesetz festgelegt werden soll, wer eine Chance hat, nach Deutschland einzuwandern. Da geht es um Alter, Fachkenntnisse, Deutschkenntnisse und ein vorliegendes konkretes Arbeitsangebot.
Doch was ist mit Flüchtlingen, die schon in Deutschland sind? Immer wieder machen sich Arbeitgeber dafür stark, dass sie „ihren“Flüchtling behalten dürfen. Der Anteil der Flüchtlinge mit abgeschlossener Berufsausbildung liegt bei rund 20 Prozent.
SPD und FDP halten es für richtig, einen „Spurwechsel“zwischen Asylverfahren und neuem Einwanderungsrecht vorzusehen. Auch der grüne Sozialminister Manfred Lucha aus Baden-Württemberg setzt sich für einen mit einer Stichtagsregelung verbundenen Spurwechsel ein. Das heißt, dass man jene Asylbewerber, die schon länger in Deutschland und gut integriert sind, eine Chance auf Einwanderung haben.
Kauder gegen Spurwechsel
In der Union ist der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit der Forderung nach einem Spurwechsel vorgeprescht. Viele Reaktionen darauf waren skeptisch, an vorderster Front von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Es sei nicht zielführend, wenn abgelehnte Asylbwerber im Land bleiben könnten, die Arbeit haben. Auch die CSU sprach sich dagegen aus. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er lehne es ab, abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Sonderregelungen könne er sich nur für den Pflegebereich vorstellen. Und der Wirtschaftsrat der CDU warnt davor, es dürfe keine weiteren Anreize für irreguläre Zuwanderung geben.
Ganz anders hat sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz positioniert. Sie kommt aus Baden-Württemberg und kennt den Wunsch aus der Wirtschaft gut, keine gut integrierten Arbeitskräfte wieder abzuschieben. Trotzdem war es eine kleine Überraschung, dass sie klar Stellung bezieht und sich für einen möglichen Spurwechsel ausspricht. Man kann davon ausgehen, dass sie dies nicht ohne Rücksprache mit der Kanzlerin getan hat.
Widmann-Mauz sagt der „Schwäbischen Zeitung“: „Jeder versteht unter dem Schlagwort Spurwechsel etwas anderes. Es muss um Menschen mit Duldung gehen, die bereits hier arbeiten, Deutsch sprechen und sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Sonst schaffen wir einen neuen Einwanderungsweg über das Asylrecht. Wir müssen deshalb im Zuge des Fachkräfte einw an derungs gesetzes überein e Stichtags regelung sprechen für diejenigen, die bereits hier sind.“
AuchRa in erBrüd erle, heute Präsident desbpa-Arbeitg eber verbands, der für die privaten Anbieter in der Pflegebranche steht, und ehemals FDP-Vizechef, macht sich für einen Spurwechsel stark. „Wir brauchen diesen Spurwechsel. Denn niemand in Deutschland kann es sich leisten, auf Fachkräfte zu verzichten.“Für Brüderle ist es „ein Unding“, wenn Menschen mitten aus einer Altenpflegeausbildung heraus abgeschoben werden, obwohl überall in der Republik Altenpflegefachkräfte händeringend gesucht werden. „Wer nun weiterhin Menschen abschiebt, die sich in Ausbildung befinden oder hier bereits einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, der handelt völlig gegen die Interessen unseres Landes.“
Vielleicht aber beruht die heftige Debatte um den sogenannten „Spurwechsel“auch nur auf einem Missverständnis. Schließlich soll nicht generell ermöglicht werden, dass jemand, der in Deutschland Asyl sucht und abgelehnt wird, einen zweiten Anlauf über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nehmen kann. Sondern es geht nur um die, die schon da sind. Für die werde man über eine Stichtagsregelung reden, so Annette Widmann-Mauz.