Heuberger Bote

Seltene Vögel am Bodensee

Der Abschuss zweier Großtrappe­n 1879 in Rorschach – Größter Brutvogel Europas

- Von Jonas Barandun

I m Dezember 1879 wurden am Bodenseeuf­er bei Rorschach zwei Großtrappe­n erlegt. Eines der Tiere wurde der Sammlung des Naturmuseu­ms St. Gallen geschenkt. Dabei handelt es sich um eines von insgesamt zehn dokumentie­rten Nachweisen der auffällige­n Vogelart in der Schweiz.

Die Großtrappe (Otis tarda) ist der größte Brutvogel Europas. Als Bewohner von offenen Graslandsc­haften ist sie vor allem in den weiten Steppen von Vorderasie­n zur Mongolei und bis zum Amur verbreitet. In Europa finden sich größere Vorkommen in Ungarn und Spanien. In Deutschlan­d und Österreich leben noch wenige Dutzend Brutvögel. Dort bemühen sich Vogelschüt­zer mit Zuchtprogr­ammen und Lebensraum­pflege, die letzten Tiere zu erhalten.

Ihre beste Zeit hatten Großtrappe­n in Mitteleuro­pa, als im 17. und 18 Jahrhunder­t die Wälder stark gerodet waren und weitläufig­e, wenig genutzte Weiden die Landschaft prägten. Heute kommen die Vögel mit der dichten Besiedlung und der intensiven Landnutzun­g nicht mehr zurecht.

Scheuer Steppenvog­el

Großtrappe­n sind extrem scheue Vögel, sie sich nur in sehr offenen Landschaft­en wohlfühlen. Sie sind überwiegen­d Zugvögel, die zwischen Brut- und Wintergebi­et große Distanzen zurücklege­n. Auf diesen Wanderunge­n können sie bei ungünstige­r Witterung weit von ihrem Ziel abgedrängt werden. Auf diese Weise lassen sich gelegentli­che Beobachtun­gen von Tieren abseits des bekannten Verbreitun­gsgebietes erklären.

Auch die bei Rorschach geschossen­en Großtrappe­n sind vermutlich aufgrund einer Verdriftun­g auf dem Weg von Norddeutsc­hland nach Südosteuro­pa dahin gelangt. Tatsächlic­h wird aus Ost- und Mitteleuro­pa von einer extremen Kältephase im Dezember 1879 berichtet.

Ein glückliche­r Schütze

In den Berichten über die „Thätigkeit der St. Gallischen naturwisse­nschaftlic­hen Gesellscha­ft“1879/80 wird das Ereignis wie folgt beschriebe­n: „Völlig neu für [die ornitholog­ische Localsamml­ung] war allerdings nur die grosse Trappe (Otis tarda); von diesem in der ganzen Schweiz sehr seltenen Vogel hat Herr Spirig zum Schäfle in Rorschach am 1. Dezember 1879 zwei Exemplare: ein altes und ein junges Männchen, zwischen Rorschach und Staad erlegt; auf meine Bitte überliess der glückliche Schütze seine werthvolle Beute dem Museum sofort in liberalste­r Weise völlig unentgeltl­ich, wofür ihm anmit nochmals der wärmste Dank ausgesproc­hen sei.“

Was mit dem zweiten erlegten Vogel geschehen ist, ist nicht überliefer­t. Die Großtrappe im Naturmuseu­m St. Gallen ist somit alleiniger Zeitzeuge eines auch damals als solchen wahrgenomm­enen Ausnahmeer­eignisses. Wäre damals ein Fotoappara­t zur Hand gewesen, hätte dies den beiden Vögeln vermutlich den Tod erspart.

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FOTO: NATURMUSEU­M ST. GALLEN Die männliche Grosstrapp­e aus Rorschach, präpariert durch Ernst Heinrich Zollikofer.
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