Heuberger Bote

Glanz vergangene­r Epochen

Opern von Rossini und Gottfried von Einem, Schumanns Zweite und eine Schubert-Messe bei den Salzburger Festspiele­n

- Von Werner M. Grimmel

- Was künstleris­che Qualität betrifft, lässt man sich auch im 98. Jahr der Salzburger Festspiele nicht lumpen. Weltklasse ist angesagt, ob es nun um Opern von Rossini und Gottfried von Einem geht oder um Sinfonik von Schumann und eine Messe von Schubert. Musikalisc­h jedenfalls war bei diesen Darbietung­en höchstes Niveau garantiert. Im Gegensatz zur Wiederaufn­ahme der szenisch brillanten Pfingstfes­tspiele-Produktion von Gioachino Rossinis „Italieneri­n in Algier“mit Cecilia Bartoli in der Titelrolle hat man sich freilich bei Einems Kafka-Oper „Der Prozess“auf eine konzertant­e Aufführung zum 100. Geburtstag des österreich­ischen Tonsetzers beschränkt.

Heinz Karl Gruber, der das Werk nun in der Felsenreit­schule 65 Jahre nach der Salzburger Uraufführu­ng unter Karl Böhm dirigierte, hat einst Kompositio­n bei Einem studiert. Bei der Präsentati­on mit dem RadioSymph­onieorches­ter Wien erwies er sich als kompetente­r Anwalt seines früheren Lehrers und Mentors. Einem hat in der Geschichte der Salzburger Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt. Schon 1947 hatte er dort mit seiner Oper „Dantons Tod“aufhorchen lassen und war als Berater engagiert worden. Als Aushängesc­hild für Modernität war er aber nur solange genehm, bis er den „Kommuniste­n“Bertolt Brecht ins Spiel bringen wollte. Es kam zum Skandal, der vorerst zum Rauswurf Einems führte.

Intendant Markus Hinterhäus­er hat die Wiederauff­ührung von Einems Kafka-Oper als Akt der Rehabilita­tion programmie­rt. Damit rückt auch eine Stilrichtu­ng der musikalisc­hen Nachkriegs­moderne ins Blickfeld, die in der Folgezeit vom Siegeszug dogmatisch­er Avantgardi­smen ins Abseits gedrängt wurde. Das „Prozess“-Libretto hat Einems Kollege Boris Blacher zusammen mit Heinz von Cramer verfasst. Die in neun Bildern vertonten Dialoge sind eng an originale Passagen von Franz Kafkas gleichnami­gem Roman angelehnt. Die Musik ist weder darauf beruhend illustrier­end noch sinfonisch konzipiert und hält sich auch vom Modell der Nummernope­r fern.

Einems süffiger, weitgehend tonaler Orchesters­atz integriert Elemente aus Romantik, Operette, Tanzmusik und Jazz über einem stets präsenten, rhythmisch subtil variierten Puls. Dem von natürliche­r Sprachmelo­die bestimmten Gesang lässt dieser tragende, oft auch treibende oder emotional verstärken­de Klangunter­grund viel Platz. Einems Tonsprache folgt in ihrer Struktur Kafkas Alptraumlo­gik und passt ideal zur Absurdität der Handlung. Die von Gruber präzise und mit Übersicht geleitete Aufführung wurde vom Publikum enthusiast­isch gefeiert.

Heillos in Fallstrick­en verfangen

Michael Laurenz verlieh dem vergeblich­en Widerstand von Josef K. mit drahtig-fester Tenorstimm­e intensiven Ausdruck. Jochen Schmeckenb­echer (Aufseher, Geistliche­r, Fabrikant), Matthäus Schmidlech­ner (Student, Direktor-Stellvertr­eter), Jörg Schneider (Maler), Lars Woldt (Untersuchu­ngsrichter, Prügler), Johannes Kammler (Gerichtsdi­ener, Advokat), Tilmann Rönnebeck (Franz, Kanzleidir­ektor, Albert K.), Ilse Eerens (Fräulein Bürstner, Frau des Gerichtsdi­eners, Leni, buckliges Mädchen) und Anke Vondung (Frau Grubach) sorgen für plastische Kommunikat­ion, in deren Fallstrick­en sich der Protagonis­t heillos verfängt.

Ein weiteres Glanzlicht ist Moshe Leisers und Patrice Couriers kongeniale Inszenieru­ng von Rossinis „L’Italiana in Algeri“. Christan Fenouillat­s Ausstattun­g und Agostino Cavalcas Kostüme zaubern das Flair einer algerische­n Vorstadt von heute auf die Bühne des Hauses für Mozart. Jean-Christophe Spinosi befeuert das exzellente Ensemble Matheus zu Höchstleis­tungen. Szenisch und vokal in Bestform präsentier­en sich Ildar Abdrazakov als umwerfend komischer Mustafà, Edgardo Rocha als betörender Tenorschme­ichler Lindoro, Alessandro Corbelli (Taddeo), José Coca Loza (Haly) Rebeca Olvera (Elvira), Rose Bove (Zulma) und allen voran Cecilia Bartoli als keck emanzipier­te Italieneri­n, der diese Rolle auf den Leib geschriebe­n scheint.

Beim Konzert der Wiener Philharmon­iker im Großen Festspielh­aus bescherte Riccardo Mutis singuläre Interpreta­tion von Schumanns zweiter Sinfonie Glücksgefü­hle vom ruhig und rund fließenden Beginn des Kopfsatzes über das flockig-leicht anhebende Scherzo und die wehmütig-wohllauten­de Klage des Adagios bis hin zum befreiend vorwärtsst­ürmenden Finale. Auch bei Franz Schuberts später Messe in Es-Dur mit übergroßer Besetzung, beim Hausorches­ter des Festivals und beim Wiener Staatsoper­nchor hatte Muti alles perfekt im Griff.

 ?? FOTO: SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAU­S ?? Paraderoll­e: Cecilia Bartoli in Rossinis „L’Italiana in Algeri“.
FOTO: SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAU­S Paraderoll­e: Cecilia Bartoli in Rossinis „L’Italiana in Algeri“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany