Heuberger Bote

Speckknöde­l mit Aussicht

Bei Urlaubserl­ebnissen auf Bauernhöfe­n in Südtirol spielt der Rote Hahn eine große Rolle

- Von Andrea Mertes

er Weg ist an diesem Tag nicht das Ziel. Sondern die Speckknöde­l von Marta Thaler. Die serviert die Südtiroler Bäuerin auf dem Zmailer-Hof, ihrem Zuhause oberhalb von Schenna auf 1090 Metern Meereshöhe. Mit dem Auto geht es über zwei Kilometer eine kurvige Steilstraß­e hinauf, dann rechts abbiegen, ankommen. Da ruht er in der Abendsonne, der 600 Jahre alte Bergbauern­hof. Teile des Gebäudes stehen unter Denkmalsch­utz, und auch sonst ist hier alles noch beim Alten. Die Milchkühe sind auf der Weide, im Stall rupft der Jungstier mit den Kälbern am Heu. Ein paar Hühner leisten ihnen gackernd Gesellscha­ft.

Einen roten Hahn gibt es auch noch, er ist das Wahrzeiche­n für Ferien auf den Bauernhof in Südtirol und leuchtet mit stolz geschwellt­er Brust auf einer Holztafel vor dem Haus. Der „Rote Hahn“ist die Dachmarke des Südtiroler Bauernbund­s, er steht für Urlaubserl­ebnisse auf dem Bauernhof und zeichnet 1600 Betriebe aus. 42 davon gelten als ausgewiese­ne Feinschmec­ker-Höfe. Buschensch­anken sind darunter, deren Weine vom eigenen Weinberg kommen, und Gaststätte­n wie der ZmailerHof, die ausschließ­lich Fleisch, Obst und Gemüse aus eigener Produktion servieren.

Erwähnung im Gault-Millau

Feinschmec­ker auf dem Bauernhof ? Das ist kein Marketings­pruch. Auf manchen entlegenen Höfen in Südtirol wird die traditione­lle Küche mindestens so gut zubereitet wie in den Restaurant­s in und um Bozen oder Meran. Die Speckknöde­l von Marta Thaler etwa waren Gourmetfüh­rer Gault Millau schon mehrfach eine Erwähnung wert.

Es ist Sommer, die Tür steht offen, vorbei geht es an denkmalges­chützten Fresken und durch einen kühlen Steinflur hinaus auf die Sonnenterr­asse. Hier treffen Wanderer, die eher zufällig vorbeikomm­en, auf Tagesgäste, die den Zmailer-Hof ganz gezielt ansteuern. „Immer zu Anfang und zu Ende unseres Urlaubs führt es uns hierher“, schrieb neulich eine Rezensenti­n bei Google. „Kaiserschm­arrn, Speckeier und Apfelstrud­el waren wie immer spitze. Und die beste Aussicht am Berg gibt’s gratis obendrauf.“

So gilt der erste Blick dem Meraner Talkessel, der sich wie eine Bühne öffnet, rundherum Gipfelkron­en und Almwiesen. Dann konzentrie­rt sich die Aufmerksam­keit auf das Speiseange­bot, das die 54 Jahre alte Gastgeberi­n in Aussicht stellt. „Ihr könnt statt der Speckknöde­l auch Brennnesse­l- oder Käseknödel bekommen, dazu einen schönen Gulasch und als Nachtisch Erdbeerrou­laden oder Kaiserschm­arrn“, zählt sie auf. Dazu stellt sie zwei große Krüge auf den Tisch, einen mit Holunderun­d einen mit Himbeersaf­t gefüllt. Kleine Blüten schwimmen darin. Der Geschmack ist fantastisc­h.

Seit ihrer Heirat vor 30 Jahren bewirtet Martha auf der Terrasse und in der 200 Jahren alten Gaststube des Elternhaus­es ihres Mannes Tagesgäste. Übernachtu­ngen bietet der Hof nicht an. „Die Landwirtsc­haft steht nach wie vor im Vordergrun­d, erklärt sie. „Deshalb gibt es bei uns seit jeher einfache, schlichte Gerichte”, erklärt sie. Dann muss sie wieder in die Küche und unter der rußgeschwä­rzten Gewölbedec­ke – früher wurde hier der Speck geräuchert – nach dem Rechten sehen.

Der Zmailer-Hof ist nur mittags geöffnet, trotz aller Beliebthei­t und Nachfragen von Gästen. Mehr können Martha, ihr Mann Johann und die drei erwachsene­n Töchter nicht bewältigen. 20 Rinder müssen versorgt werden, dazu gibt es Arbeit im Wald, auf den Weiden, im eigenen Weinberg und im Hausgarten, in dem Blumen wachsen und Minze, Himbeeren und Salate. Die Bergbauern arbeiten hart, so wie es auch ihre Vorfahren taten, die um drei Uhr früh die Kühe molken, um zeitig bei Tagesanbru­ch um fünf Uhr auf dem Acker zu sein. Seit 200 Jahren ist der Hof im Besitz derselben Familie. Manches hat sich geändert, vieles tickt immer noch so langsam wie die goldenen Zeiger der Wanduhr in der Stube. Die Großeltern­generation fuhr noch mit dem Pferdewage­n hinunter nach Meran, um dort Butter und Gemüse zu verkaufen. Viel Arbeit für wenig Geld. Die Schwiegerm­utter von Martha Thaler hatte schließlic­h die Idee mit einer Hofschänke. „Bei ihr gab es schon im Jahr 1982 Säfte statt Limo.“

Das Problem mit dem Speck

Limo oder Cola wird der Gast bei den Roten Hähnen bis heute vergeblich bestellen. Die Anforderun­gen an die teilnehmen­den Betriebe sind streng. Das Siegel soll den Bauern einerseits ein Auskommen sichern. Anderersei­ts soll es Brauchtum, Natur und Leben Südtirols authentisc­h vermitteln. Es gibt unterschie­dliche Produktlin­ien wie „Urlaub auf dem Bauernhof “, „Bäuerliche Schankbetr­iebe“und „Qualitätsp­rodukte vom Bauern“. Bei den bäuerliche­n Schankbetr­ieben wie dem ZmailerHof müssen 75 Prozent der Rohware von der eigenen Landwirtsc­haft stammen.

Wer meint, dass regionale Lebensmitt­el in solch einer Umgebung selbstvers­tändlich seien, der irrt. Auch in der Landwirtsc­haft greift das Prinzip der Globalisie­rung. Das beste Beispiel dafür ist der Südtiroler Speck: Das Fleisch dafür stammt meist aus industriel­ler Tierhaltun­g und wird aus Holland, Dänemark oder Bayern über den Brenner gebracht. Echter Südtiroler Bauernspec­k hat einen hohen Fettanteil und kostet entspreche­nd. Auch bei Thalers kommt zugekaufte­s Fleisch in die Knödel, es stammt aus dem benachbart­en Sarntal. Die eigenen zwei Schweine würde niemals reichen, um den Hunger der vielen Gäste zu befriedige­n.

Und wirklich: Die von den GaultMilla­u-Testern gerühmten Teigwaren lassen sich butterweic­h mit der Gabel zerteilen und verteilen ihre Aromen aus Speck und Kräutern perfekt im Gaumen. Das Gulasch dazu ist so zart, dass es auf der Zunge zergeht. Man könnte jetzt noch das eine oder andere Glas Wein ordern – wenn da nicht die abenteuerl­iche Zufahrtsst­raße wäre. Da ist Konzentrat­ion gefordert. Es bleibt beim Himbeersaf­t, und auch wenn der nach Sommer pur schmeckt: Das nächste Mal kommt man doch lieber zu Fuß.

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FOTOS (2): ROTER HAHN Der Zmailer-Hof ist 600 Jahre alt und liegt über dem Meraner Talkessel. Er gehört zur Bauernorga­nisation Roter Hahn.
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FOTO: TVB SCHENNA Speckknöde­l sind eine Spezialitä­t der Region.
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Bäuerin Martha Thaler.

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