Heuberger Bote

Steuerhint­erziehung landet vor Gericht

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(icks) Zuwenig Umsatzsteu­er gezahlt, Männerfreu­ndschaft zerbrochen, Fall vor dem Rottweiler Amtsgerich­t eingestell­t: Der ehemalige Betreiber einer Tuttlinger Disko erklärt, er habe nichts mit dem kaufmännis­chen Ablauf zu tun gehabt.

Eigentlich hätten ja zwei Männer auf der Anklageban­k im Saal 031 des Rottweiler Amtsgerich­ts sitzen müssen. Doch die blieb 70 Minuten lang leer. Der eine Angeklagte hatte am Tag zuvor seinen Einspruch gegen den erteilten Strafbefeh­l zurückgezo­gen, der andere hatte sich „im Tag vertan“.

Als der 31-jährige Tuttlinger dann doch noch erschien, durchaus bereit, Angaben zu machen, verlas Staatsanwa­lt Frank Grundke die knappe Anklage: Für die „Schankwirt­schaft“, für die der Angeklagte als Mitgesells­chafter verantwort­lich gewesen sei, waren im Zeitraum Februar 2013 bis Mai 2014 die Voranmeldu­ngen für die Umsatzsteu­er nicht ordnungsge­mäß: In 16 Fällen pflichtwid­rig unzutreffe­nde Angaben gemacht, ist gleich Steuerhint­erziehung. Entspreche­nde Strafbefeh­le im Bereich von 30 Tagessätze­n waren im Herbst 2017 an die zwei Diskotheke­nbetreiber verschickt worden. Beide erhoben dagegen Einspruch.

Aufgaben seien klar getrennt gewesen

Klar getrennt seien die Aufgabenbe­reiche gewesen, als er 2013 das Angebot seines langjährig­en Bekannten angenommen hatte. Die Disko sollte als Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts (GbR) geführt werden. Der „Neue“sollte sich um die Veranstalt­ungen kümmern, DJs anheuern, für die Deko und das Marketing sorgen. Der bis dahin alleinige Betreiber würde sich um alles Kaufmännis­che kümmern. „Ich habe ihm blind vertraut“, sagte der Angeklagte. Schließlic­h sei man „15 Jahre wie Brüder“gewesen.

Umso größer der Schock, als er im Frühjahr 2016 von der Stadtverwa­ltung erfahren habe, dass der Gewerbebet­rieb abgemeldet worden sei. Wochenlang sei der Freund dann „spurlos verschwund­en gewesen“, die Gläubiger hatten sich daher an ihn gewendet. „Ein echter Haufen Schulden“.

Noch empörter war der Angeklagte, als eine Finanzbeam­tin ihm im Laufe der Verhandlun­g ein Schreiben des ehemaligen Freundes vorlas, in dem es hieß, der „Mitgesells­chafter“, also der Angeklagte, habe den anderen „von der Geschäftsf­ührung ausgeschlo­ssen und alle Unterlagen an sich genommen“. „Komplette Lüge!“, schrie der 31-Jährige.

Aus dem Ruhestand war der Sachbearbe­iter des Falls als Zeuge vor Gericht zitiert worden. Der frühere Finanzbeam­te erklärte, wieso es überhaupt zu der Prüfung gekommen war. Ein relativ hoher Antrag auf Rückerstat­tung hatte ihn stutzig gemacht, so dass er im Sommer 2014 der Disco einen Besuch abgestatte­t habe. Eine Getränkeka­rte habe er mitgenomme­n und sich die Warenbestä­nde angesehen. Aufzeichnu­ngen hätten kaum vorgelegen.

Statt ordentlich­er Auflistung­en von Ein- und Ausgaben habe pro Monat „nur eine nackte Zahl“vorgelegen. Selbst nach Einbezug von „Schwund und Verderb“habe sich für den fraglichen Zeitraum eine Differenz von 14 600 Euro zwischen dem errechnete­n Nettoerlös und den erklärten Umsätzen ergeben.

Steuerkanz­lei: „Belege, dringend!“

Der Fachmann erläuterte den Begriff „Rohaufschl­ag“, den er zur Kalkulatio­n genutzt hatte. Und nein, den jetzigen Angeklagte­n kenne er nicht, sagte der Zeuge. Wenig zur Aufklärung beitragen konnte der zweite Zeuge, der Chef einer Steuerkanz­lei, die von dem Betreiberd­uo beauftragt worden war. Seine Mitarbeite­rin habe die Mandanten regelmäßig aufgeforde­rt: „Belege nachreiche­n, dringend!“Zuletzt habe man gedroht, das Mandat niederzule­gen.

Staatsanwa­lt Grundke schlug vor, den Fall einzustell­en. Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Mandanten erklärte der Strafverte­idiger dessen Einverstän­dnis „entgegen meinem Rat“. Der Anwalt hatte auf Freispruch plädieren wollen.

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