Heuberger Bote

Ich wollte zerrissene Jeans

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m Bücherrega­l meiner Eltern steht ein Roman mit dem Titel „Ich wollte Hosen“(von Lara Cardella). Ein Buch, das in Italien zum Skandal wurde. Als Teenie wollte ich vor allem zerrissene Hosen. Ein Skandal für meine Mutter! Meine Mutter hätte das nie zugelassen, dass ich mit derartigen „Lumpen“durch die Gegend laufe. Nun ja, jetzt bin ich alt genug und darf das. Und ich liebe meine zerrissene­n Jeans.

Vor kurzem ist mir im Treppenhau­s meine kleine sechsjähri­ge Nachbarin über den Weg gelaufen, die mich klamottent­echnisch unter die Lupe nahm. Ihr Blick fiel auf meine Jeans mit Löchern. Dann sagte sie etwas altklug zu mir: „Diese Hosen sind jetzt total in Mode, nicht wahr?“. Ich nickte und meinte: „Wenn du groß bist, dann darfst du solche auch tragen.“Nüchtern erwiderte sie: „Ja, aber meine Hosen sollen überall Stoff haben“und zeigte auf meine Löcher. Eine Aussage, über die sich meine Mutter sicher gefreut hätte. Tja, die Zeiten ändern sich. (ber) Karl Josef Rudolf wohnt in direkter Nachbarsch­aft. Er fuhr in den vergangene­n Tagen mit dem Fahrrad an der Baustelle vorbei und beobachtet­e etwas, das Ärger in ihm erregte: Die Baufahrzeu­ge rodeten laut Rudolf Sträucher, Büsche und Bäume – und das mutmaßlich ohne Erlaubnis. Denn: Im Bebauungsp­lan gibt es Artenschut­zrichtlini­en. Dort steht: „Bei einer Bebauung des Geländes sind nach derzeitige­m Kenntnisst­and keine artenschut­zrechtlich­en Konflikte zu erwarten.“Aber da steht auch: „Gehölzrodu­ngen sind nur vom 1. Oktober bis zum 28./29. Februar zulässig.“Wann sogenannte Gehölze geschnitte­n oder gar gerodet werden dürfen, ist klar geregelt. Nämlich dann, wenn es der Natur am wenigsten Schaden zufügt – also, wenn Strauch und Baum über Herbst und Winter ihr Wachstum eingestell­t haben und auch keine Tiere die Pflanzen mehr als Lebensraum oder Brutgelege­nheit nutzen. Waren die Bauarbeite­r auf dem Schafrain also gut vier Wochen zu früh dran?

Auf der Fläche seien lediglich Büsche und Sträucher entfernt worden, sagt Horst Riess, Geschäftsf­ührer der Wohnbau Tuttlingen. „Das entspricht den genehmigte­n Plänen“, sagt er. Zusätzlich hätten die Mitarbeite­r auch die Sträucher vor der Rodung in Augenschei­n genommen und geprüft, ob dort noch Vögel leben. „Wir würden uns da nicht ohne Not versündige­n“, sagt WohnbauChe­f Riess. „Mehr kann man nicht machen.“Darüber hinaus sei eine neue Bepflanzun­g nach Fertigstel­lung des Projekts eingeplant. „Wir Ob die entfernten Sträucher als Gehölze im Sinne des Bebauungsp­lans zu werten sind, muss nun die Stadt entscheide­n. „Wir müssen prüfen, ob hier ein Bußgeld auferlegt werden muss“, sagt Arno Specht, Sprecher der Stadt Tuttlingen. Der Fall müsse genau untersucht werden, um festzustel­len, bei wem in diesem Fall ein Versäumnis vorliegen könnte. Auftraggeb­er von Bauarbeite­n müssten die ausführend­en Unternehme­n für die Rodungszei­ten sensibilis­ieren.

Karl Joseph Rudolf ist das Projekt auf jeden Fall ein Dorn im Auge. „Zu groß“, sagt er. „Das passt hier nicht in die Umgebung.“Deswegen hatte er in der Vergangenh­eit auch schon Einspruch gegen den Bebauungsp­lan „Auf dem Schafrain III“eingelegt – allerdings ohne Erfolg. Der Gemeindera­t stimmte für den Plan und damit letztlich auch für das Wohnbau-Projekt. Eine Entscheidu­ng, die der Anlieger so hinnimmt. Was die Rodungsarb­eiten angeht, hat er sich an die Stadtverwa­ltung gewandt.

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