Heuberger Bote

„Es ist ein Weinen in der Welt“

Theatergru­ppe „Rolle Vorwärts“regt mit Nachkriegs­stück zum Nachdenken an

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(wr) – Die Theatergru­ppe „Rolle Vorwärts“hat mit dem Nachkriegs­stück „Es ist ein Weinen in der Welt“das Publikum im Schafstall im Freilichtm­useum Neuhausen ob Eck beeindruck­t und zum Nachdenken gebracht.

Lilo Braun, die für den Text und Regie verantwort­lich war, hatte mit den Geschichte­n von zehn Trümmerfra­uen auf der Schwäbisch­en Alb eine schwer zu verdauende Kost dem Publikum serviert. Lediglich einzelne Situations­komiken lösten ein verhaltend­es Lächeln beim Publikum aus. Beim Eingangsli­ed „After the Storm“von Mumford & Sons war die melancholi­sche Stimmung im Schafstall zu spüren.

Das Schicksal der Frauen

Zehn Frauen in Kittelschü­rze und Kopftuch stehen auf der Bühne und schauen in die Ferne. Sie warten, warten auf ihre Männer, die in den Krieg zogen und obwohl der Krieg vorbei ist, noch nicht wieder zu Hause sind. Als aus der Ferne eine Fremde, sie hat keine Kittelschü­rze an, sich der Gruppe nähert, wird sie als Flüchtling mit kritischen Blicken durchleuch­tet. „Und wo eine ist, sind weitere nicht weit weg“, dachte eine laut nach. Gertrud aus Hamburg wollte nur bei ihrer Schwägerin Anna für eine Weile unterkomme­n. Und Buchhalter­in Gertrud wurde nicht gerade freundlich aufgenomme­n. „Das ist auf der rauhen Alb so üblich“, sagten die Frauen.

Und um die Männer dreht sich alles, die gefallen, vermisst oder in Kriegsgefa­ngenschaft geraten sind. Das Warten, die Sehnsucht nach ihnen, sowie Angst und Misstrauen, die die Frauen als die „Nebenwirku­ngen des Krieges“wahrnehmen, geben ihnen Halt und Zusammenha­lt. Denn ohne den Zusammenha­lt sei das Leben wie ein zerbrochen­er Krug.

Auf dem Land haben es die Menschen noch verhältnis­mäßig gut, während die Städter, wie Gertrud, zum Hamstern kommen. Doch der Hunger ist auch auf der rauhen Alb allgegenwä­rtig. Sie rücken die Sehnsüchte nach Bohnenkaff­ee oder einer Ananas in den Hintergrun­d. Wünsche nach sauberem Wasser, tanzen, einen Film anschauen oder keine Feinde mehr zu haben, treten immer mehr ans Tageslicht. Dabei wissen sie nicht einmal mehr, wie sie vor dem Krieg gelebt haben. Sie wollen nur, dass ihre Kinder leben und nicht nur überleben.

Zum Ende der Aufführung wurden noch die Einzelschi­cksale der zehn Frauen erzählt. Die eine hat das Leben ohne gefallenen Mann gemeistert, eine andere konnte den Tod des Mannes nicht verwinden und brachte sich um. Die nächste versteht sich nicht mit dem Heimkehrer und lässt sich scheiden. Eine weitere bekommt mit dem Mann noch Zwillinge und verlässt ihn, nachdem die Kinder das Haus verlassen haben.

Alles hat sich verändert. Die Welt hat sich verändert. Die Menschen haben sich verändert und es ist nichts mehr, wie es einst mal war. Die Theatergru­ppe hat diese Wirklichke­it eindrucksv­oll wiedergege­ben. Mit dem nachdenkli­chen Song „The Blower`s Daughter“von Damien Rice wurde das fesselnde Stück zur Realität, an der man schwer schlucken musste. Die zehn Darsteller­innen wurden mit stehenden Ovationen für ihre beeindruck­enden Darbietung­en belohnt.

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FOTO: WINFRIED RIMMELE Die Theatergru­ppe „Rolle Vorwärts“beeindruck­te das Publikum im Neuhausene­r Schafstall.
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