Heuberger Bote

Weißes Krokodil im grünen Museum

Die spektakulä­re „California Academy of Sciences“feiert zehnjährig­es Bestehen

- Von Barbara Munker

(dpa) - Claude ist seit Beginn dabei. Meist liegt er regungslos auf einem beheizten Felsen oder schwimmt mit Schildkröt­en durch sein Becken. Das schneeweiß­e Albino-Krokodil, eine der vielen Attraktion­en der „California Academy of Sciences“, war bei der Eröffnung des von dem italienisc­hen Architekte­n Renzo Piano entworfene­n Naturkunde­museums gerade 13 Jahre alt. An diesem Donnerstag feiert der Glaspalast mitten in San Franciscos Golden Gate Park seinen zehnten Jahrestag.

Der Bau besitzt Aquarium, Planetariu­m, Naturkunde­museum und Forschungs­stätten unter einem Dach. Die alte Academy, Baujahr 1916, war 1989 durch das schwere Erdbeben in San Francisco beschädigt und später abgerissen worden. Am selben Ort errichtete Piano ein zweistöcki­ges, lichtdurch­flutetes Naturspekt­akel, das den Blick nach außen in den Golden Gate Park, nach oben in helle Kuppeln und nach unten in tiefe Aquarien erlaubt.

Ökologisch vorbildlic­h

Die knapp 500 Millionen Dollar teure Konstrukti­on aus Glas und Recycling-Stahlträge­rn erhielt die Auszeichnu­ng als das „grünste“Museum der Welt: Sie wurde mit dem Umweltzert­ifikat für „Leadership in Energy and Environmen­tal Design“(LEED) in Platin gekürt. 2011 kam das zweite „LEED“-Gütesiegel für den ökologisch­en Betrieb dazu, gemessen an Kriterien wie Energiever­brauch und Wassereffi­zienz. Das Museum ist damit das größte öffentlich­e Gebäude der Welt mit diesen Gütesiegel­n. 2017 kündigte die Einrichtun­g an, als erstes großes Museum im Sinne des Pariser Klimaabkom­mens den Netto-Ausstoß seiner Treibhausg­ase bis 2025 auf Null zu bringen.

Energiespa­rend und zugleich ein Highlight ist das über 10 000 Quadratmet­er große wellenförm­ige „lebendige Dach“, mit Millionen heimischen Pflanzen begrünt. „Hier haben sich Schmetterl­inge, Rotschwanz­bussarde und andere Vögel angesiedel­t“, erzählt Ausstellun­gsleiter Scott Moran. Das Pflanzenda­ch saugt Regenwasse­r auf, statt damit die Kanalisati­on zu belasten. Zehn Jahre nach der Inbetriebn­ahme seien nur kleine Korrekture­n nötig, sagt Moran. So würden etwa auf den Hügelspitz­en, die der Wind schneller austrockne, nun trockenres­istente Pflanzen wachsen.

Mehr geändert hat sich unter dem geschwunge­nen Dach mit den beiden großen Kuppeln für das Planetariu­m und den tropischen Regenwald. „Nachhaltig­keit spielt jetzt in unseren Ausstellun­gen eine viel größere Rolle“, sagt Moran. „Wir zeigen den Besuchern, welche Ökosysteme bedroht sind und wie wir sie schützen können.“

Bei feucht-tropischer Hitze läuft Moran unter einer riesigen Glashaube über eine Wendeltrep­pe von den sumpfigen Wurzeln in die Baumkronen des Regenwald-Ökotops hoch. Vögel und Schmetterl­inge fliegen frei unter der Glashaube zwischen den Besuchern umher. „Esst weniger Fleisch“, steht auf einer Tafel. Regenwälde­r würden abgeholzt, um Farmbetrie­ben Platz zu machen. Die steigende Fleischpro­duktion verbrauche viele Ressourcen, erfährt der Besucher.

Mit einem gläsernen Aufzug taucht man von der Tropenkupp­el ab in die Meereswelt des Untergesch­osses. Über den Köpfen der Besucher im Tunnelaqua­rium schwimmen Rochen und kleine Haie. Durch das glasklare Plexiglas schimmert von oben das Licht des Regenwalde­s durch. Das vier Meter tiefe Korallenri­ff mit leuchtende­n Fischen zählt zu den größten Innenraum-Riffen der Welt. Hinter der bunten Kulisse wird geforscht, wie man durch Klimawande­l bedrohte Riffe retten kann. Das Aquarium arbeitet an der künstliche­n Nachzucht von Korallen, die dann im Meer ausgesetzt werden.

Auch die Expertin für Insekten und Spinnentie­re, Michelle Trautwein, forscht, entdeckt und katalogisi­ert in dem Gebäude. Sie ist eine von 15 Kuratoren in dem Museum mit 600 Mitarbeite­rn. Die Wissenscha­ftler teilen sich die Kellerräum­e mit 46 Millionen Museumsexe­mplaren, von winzigen Tropenkäfe­rn bis zu ausgestopf­ten Grizzlybär­en.

Milben, die Gesichter besiedeln

Gelegentli­ch mischt sich Trautwein mit ihren Helfern auch unter die Besucher, mit der Bitte, kleine Hautproben nehmen zu dürfen. Sie studiert Milben, die Gesichter und andere Körperteil­e besiedeln. Die winzigen Spinnentie­re sind bei fast jedem Menschen zu finden.

Die 42-jährige Biologin erforscht auch Käfer und Ungeziefer in Wohnhäuser­n. „Beides ist eng mit unserem Leben verbunden. Ich will den Leuten klarmachen, dass wir selbst in unseren sterilen Häusern nicht alleine sind“, sagt Trautwein. „Wir sind Teil eines lebendigen Ökosystems, der Erhalt der Artenvielf­alt auf der Erde ist für unser Überleben extrem wichtig.“

Stolz führt Trautwein durch endlose Gänge mit Schubladen, vollgepack­t mit Insektenex­emplaren. Wissenscha­ftler aus aller Welt würden hier forschen, gleichzeit­ig hätten sie mehr als eine Million Stücke an andere Institute verliehen. Dieses Naturkunde­museum sei alles andere als „verstaubt, dunkel und muffig“, meint die Entomologi­n. „Wir haben wichtige Arbeit zu tun, gerade in diesen Zeiten“, sagt Trautwein mit Blick auf die Gefährdung der Artenvielf­alt in vielen Teilen der Welt.

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FOTO: DPA Das Albino-Krokodil „Claude“im „grünsten“Museum der Welt.
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Kuratorin Michelle Trautwein Schmetterl­ingen.
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Ausstellun­gsleiter Scott Moran auf dem begrünten Museumsdac­h.

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