Das Rathaus ist 24 Stunden am Tag geöffnet
Virtuelle Behörde wird umgesetzt – Direkte Ansprache ist nach wie vor möglich
- Stellen Sie sich vor, Sie können an sieben Tagen der Woche, 24 Stunden lang, Behördengänge erledigen. Ihren Bewohnerparkausweis beantragen, ebenso die Geburtsurkunde Ihres Kindes und Ihre Gewerbeanmeldung. Zukunftsmusik? Von wegen! Die Tuttlinger Stadtverwaltung plant, bereits im kommenden Jahr ein Bürgerportal zu starten, das diesen Service als virtuelles Rathaus nach und nach anbietet.
„Sobald wir einen positiven Förderentscheid haben, beginnen wir mit der Umsetzung“, sagt Carla Warnick, die zusammen mit ihrer Kollegin Stefanie Ries in der Stadtverwaltung Tuttlingen die Schnittstelle für das Thema Digitalisierung bildet. Sie hofft, dass es Tuttlingen ins Programm Future Communities 2018 des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden Württemberg schafft, um das Portal angehen zu können. Rund 62 000 Euro werden benötigt, die beantragte Zuschusshöhe beläuft sich auf 31 000 Euro.
In einem ersten Schritt sollen darin alle Dienstleistungen, die sich digital erledigen lassen, übersichtlich dargestellt sein. Wer sich mit einem Benutzerkonto registriert –„ähnlich wie bei einem Online-Shoppingportal“, erklärt Ries – soll auch vertrauliche Dokumente online abwickeln können – zum Beispiel eine Geburtsurkunde beantragen. Das steht und fällt aber mit der Möglichkeit, die händische Unterschrift digital hinterlegen zu können, erklärt Arno Specht, Pressesprecher der Stadt Tuttlingen: „Als Behörde sind wir an Vorschriften gebunden. Für uns gelten andere Regeln als in der freien Wirtschaft.“
Terminal im Bürgerbüro
Noch in diesem Jahr wird im Bürgerbüro der Stadtverwaltung ein Selbstbedienungs-Terminal in Betrieb gehen. Dafür werden derzeit alle bereits verfügbaren Online-Formulare einheitlich nutzbar gemacht. Der betont der Presseprecher der Stadt Tuttlingen, Arno Specht
Antrag für einen neuen Ausweis oder Reisepass kann dann selbst erfasst werden – inklusive Fingerabdruck, biometrischen Daten und Passbild. Das digitale Formular- und Antragswesen soll über die Homepage www.service.tuttlingen.de auch vom heimischen Computer aus zu nutzen sein.
„Wir fahren in den nächsten zehn Jahren auf alle Fälle Doppelwege“, betont Warnick und meint damit, dass auch die direkte Ansprache im Bürgerbüro und anderen Bereichen der Stadtverwaltung beibehalten werden soll. Deshalb sieht sie auch keine Gefahr für Arbeitsplätze durch die weiter fortschreitende Digitalisierung. „Persönliche Ansprechpartner für den Bürger wird es immer geben.“Statt eines Personalabbaus geht sie eher von Verschiebungen aus.
Handlungsfelder abstecken
„Es ist ja nicht so, dass wir bei Null anfangen“, sagt Specht und verweist auf mehrere Projekte, bei denen die Stadtverwaltung vorne dabei war: Papierlose Ratsarbeit seit 2013, die Bürgerapp, das Online-Bewerbungsverfahren und der Mängelmelder, digitale Gehaltsakten und Online-Ticketing. Doch durch Fördermittel in Höhe von 40 000 Euro, die im Mai dieses Jahres für eine Digitalisierungsstrategie in die Stadtverwaltung geflossen sind, bekommt das Thema eine noch stärkere Bedeutung. Online-Terminvereinbarung mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung oder die erwähnte E-Signatur sind dabei nur weitere Bausteine hin zu einem umfassenden digitalen Servicegedanken, bei dem E-Rechnung und E-Bezahlen ebenso selbstverständlich werden sollen wie elektronische Archivierung, Online-Umfragen und Online-Diskussion.
Der digitale Aufbruch soll im Übrigen nicht nur die Verwaltung betreffen: „Wir stecken gerade Handlungsfelder ab, in welchen Themenfeldern wir uns mit Partnern vernetzen könnten“, so Warnick. Breitband – wie geht es da weiter? Wirtschaft – was kann die Stadtverwaltung dafür tun? Und schließlich Einzelhandel – denkbar wäre im Prinzip sogar eine Online-Plattform der Tuttlinger Händler, inklusive Bestellservice. „Das muss gut durchdacht sein“, ergänzt Specht. „Wir schauen, was Sinn macht, und was die Bürger von uns erwarten.“
Bis Jahresende sollen die Felder, die bespielt werden, dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt werden. Bereits angegangen wurde die Medienentwicklungsplanung der Schulen. Das Immanuel-Kant-Gymnasium und die Wilhelmschule sollten laut Specht beispielsweise bei der geplanten Bildungsplattform Ella – die Abkürzung steht für Elektronische Lehr- und Lernassistenz – des Kultusministeriums dabei sein. Die ist allerdings erst mal verschoben.
Begleitet wird die Stadt in allen Bereichen vom externen Berater Jürgen Kientz von der Hochschule für Verwaltung in Kehl. Dazu gibt es seit Juli diesen Jahres eine Projektgruppe Digitalisierung im Rathaus, die Anstöße gibt und Ideen entwickelt. 2019 soll eine eigene Stelle geschaffen werden: Gesucht wird ein Digitalisierungskoordinator für die Stadtverwaltung.
„Für uns gelten andere Regeln als in der freien Wirtschaft“,