Heuberger Bote

EM oder nix – Tag der Wahrheit

Mit der Vergabe des Turniers 2024 ist auch die Zukunft des DFB-Präsidente­n verknüpft

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

- Für die Zwickmühle verantwort­lich ist Michel Platini. Oder besser: Eine der charmanter­en Ideen des damaligen UEFA-Präsidente­n. 2012 hielt der einstige Weltklasse­mittelfeld­spieler es plötzlich für eine tolle Idee, die Fußball-EM 2020 statt in einem oder zwei Ländern in halb Europa austragen zu lassen. Um das 60-jährige Bestehen des Wettbewerb­s zu feiern, aber auch als Beitrag des Fußballs für die europäisch­e Idee. Lang ist’s her.

Mit den rasch durchgewun­kenen präsidiale­n paneuropäi­schen Planspiele­n waren alle vorherigen Absprachen zwischen der Türkei, Deutschlan­d und England obsolet. Und erst so konnte die nun in Nyon anstehende Vergabe der EM 2024 zum „wichtigste­n Tag des Jahres“nicht nur für DFB-Präsident Reinhard Grindel und zu einer weiteren Bewährungs­probe für die deutschtür­kischen Beziehunge­n werden.

Eigentlich hatten die großen Fußballver­bände untereinan­der ausgemacht, dass die EM 2020 an die Türkei gehen sollte; das fußballfan­atische Land hatte sich bereits dreimal – trotz teils herausrage­nder Bewerbunge­n – erfolglos für die EM beworben. Für 2020 konnten sich die Türken und Staatschef Recep Tayyip Erdog an, damals noch Ministerpr­äsident und als Reformer und Europäer unterwegs, der Unterstütz­ung sicher sein. Die EM 2024 sollte dann an Deutschlan­d gehen.

Derlei Absprachen sind üblich – und durchaus auch erwünscht. Um eben solche Kampfabsti­mmungen zwischen Schwergewi­chten wie heute in Nyon, bei denen es im Grunde nur Verlierer geben kann, zu vermeiden. England etwa verzichtet­e auf eine Bewerbung für 2024 – weil Deutschlan­d seine Meldung für die Finalrunde 2020 zurückzog und außerdem die englische Bewerbung für 2028 unterstütz­en wird.

Der DFB geht als leichter Favorit in die Wahl. Die Abstimmung aber ist geheim – und Prognosen hatten sich nicht nur in der Politik, sondern auch in der Fußballwel­t zuletzt nicht immer an der Wahlurne bestätigt. Katar etwa hatte bei der skandalumt­osten FIFA-Wahl für die WM 2022 vorab keiner auf dem Zettel.

DAS SPRICHT FÜR DEUTSCHLAN­D:

Stadien:

Die Arenen sind bereits vorhanden, für die EM braucht es keine Umbauten. Von den zehn türkischen Arenen werden hingegen zwei erst komplett neu gebaut, in Antalya stehen zudem umfangreic­he Renovierun­gen an. Die deutschen Stadien bieten im Schnitt knapp 8000 Zuschauern mehr Platz – was auch deutlich höhere Einnahmen in sechsstell­iger Summe bedeutet.

Wirtschaft­liche Stabilität:

Die größte türkische Schwäche ist ein wichtiger Pluspunkt für Deutschlan­d. Die Finanzkris­e in der Türkei lässt geplante Investitio­nen als Fragezeich­en erscheinen.

Menschenre­chte:

Werbewirks­am kündigte der DFB kurz vor der EMVergabe an, eine Menschenre­chtsstrate­gie in seine Satzung aufnehmen zu wollen. Der Aktionspla­n wird in der Evaluation der UEFA gerühmt, erstmals spielt das Thema eine Rolle bei der EM-Bewerbung. Bei der Türkei fehlt ein solches Konzept hingegen, dies sei „problemati­sch“.

Die Vergangenh­eit:

Der DFB rühmt sich seiner Erfahrung in der Ausrichtun­g großer Turniere. Die bislang einzige EM in Deutschlan­d liegt bereits 30 Jahre zurück. Die späteren schweren Makel durch die Affäre um das Sommermärc­hen 2006 werfen auf internatio­naler Bühne kaum einen Schatten auf die stimmungsv­olle und organisato­risch perfekte WM.

DAS SPRICHT FÜR DIE TÜRKEI

Land und Leute wären mal dran:

Wir sind jetzt dran – so lautet eine der zentralen Botschafte­n der Türkei. Dreimal nacheinand­er bewarb sich der Verband um eine Europameis­terschaft. Im Rennen gegen Frankreich für die EM 2016 gab es eine äußerst knappe 6:7-Niederlage, den Ausschlag gab die deutsche Stimme von Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger. Die UEFA lobt die Türkei als „begeistert­e Fußballnat­ion“, in der die Bevölkerun­g „voll“hinter der Bewerbung stehe.

Der DFB erklärt, Staatsgara­ntien in bislang in Deutschlan­d nie da gewesener Form erhalten zu haben. Die Versprechu­ngen der Regierung des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyep Erdogan übersteige­n dies allerdings. Der Rechtsschu­tz läge auf „hohem Niveau“schreibt die UEFA und erwähnt Erdogan in ihrem Bericht explizit – in Deutschlan­d nur auf „recht gutem Niveau“.

Erdogan: Causa Özil:

Mit dem Zickzackku­rs um das Erdogan-Foto des ehemaligen DFB-Nationalsp­ielers und 2014er-Weltmeiste­rs hat sich der DFB keinen Gefallen getan. Erdogan versucht vehement, aus der Causa Özil Kapital für die eigene Bewerbung zu schlagen. Der Erfolg scheint aber fraglich.

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