Die Haut der anderen
Das Leben bietet dem Mutigen ein Füllhorn von Möglichkeiten. Aber alle Wünsche können natürlich nicht in Erfüllung gehen, wie die Rolling Stones schon vor Jahrzehnten erkannt haben. Das war, als Jagger & Co. noch glaubten, das Alter sei nur etwas für Leute, die sich nicht getrauen, vorher zu sterben. Wenig Erfolg versprechend ist zum Beispiel der lang gehegte Wunsch, mal in einer anderen Haut zu stecken, um zu sehen, wie das Leben so ist als Frau, als Big Boss, als Rockstar oder als Astronaut. Unser Freund Horst Seehofer, Direktor des deutschen Heimatmuseums, träumt seit Jahren davon, einmal in der Haut von Mutti zu stecken. Daraus wird aber nichts: Seehofers Aufstieg zum Kanzler ist weniger wahrscheinlich als der Bundesliga-Abstieg des soeben bezwungenen FC Bayern.
Der Ruhestand dagegen ist eine durchaus reale Perspektive für den ehrgeizigen Horstl, denn im Gegensatz zu ihm schickt sich seine Partei tatsächlich an, bald in der Haut von anderen zu stecken. Den Umfragen zufolge macht sich die CSU auf den gleichen Weg, den die SPD gerade mit Erfolg hinter sich gebracht hat: den von der Volks- zur Splitterpartei. Es ist noch nicht lange her, da galten der CSU bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern 40 Prozent als unterste Untergrenze. Doch inzwischen steht schon die 35. So wird dem Seehofer Horstl am Ende seiner Karriere noch ein Licht aufgehen: Die „Mutter aller Probleme“in der Politik ist nicht die Flüchtlingsfrage, sondern der unaufhaltsame Bedeutungsschwund der sogenannten Volksparteien und ihrer Vertreter. (hü) ●»