Verzicht auf Plastik
Susan Rößner aus Konstanz braucht nur einen Gelben Sack im Jahr
Eine Konstanzerin stellt ihr Leben komplett um
- Im Produzieren von Abfall sind die Deutschen Europameister. 220 Kilo Verpackungen schmeißt jeder Bürger im Schnitt pro Jahr weg. Doch es geht auch anders. Die Konstanzerin Susan Rößner braucht nur einen Gelben Sack pro Jahr. Anfangs war das eine Herausforderung. Heute ist es ihr Geschäftsmodell. Seit 2015 betreibt die 40-Jährige den Onlineshop Monomeer – eine Plattform für plastikfreie Produkte.
Nur noch wenige Wochen, dann ist es wieder so weit. Wenn im November am Bodensee der Nebel aufzieht, heißt es für Susan Rößner Abschied nehmen. Fast ein Jahr lang wird die 40-Jährige dann den Sack in ihrem Apartment gehütet haben. „Noch passt er in mein Schrankfach. Aber bald ist er zu groß.“Wenn er dann richtig voll ist, wird Susan Rößner ihn ein letztes Mal in die Hand nehmen und vor ihre Türe tragen.
Während die meisten Verbraucher wohl froh sind, ihren Gelben Sack schnell loszuwerden, zögert Susann Rößner den Abschied so gut es geht hinaus. Schließlich will sie so wenig Müll wie möglich produzieren. Die Idee dazu kam ihr auf einer Eisbärenstation in Kanada. 2013 arbeitete sie dort als Freiwillige und sah den Film „Plastik Planet“von Werner Boote. Schlagartig wurde der jungen Frau das Ausmaß des Klimawandels und der weltweiten Vermüllung bewusst.
Susan Rößner ist weder eine sentimentale Spinnerin noch eine lärmende Öko-Aktivistin. Die Historikerin, die über europäische Ideengeschichte promoviert hat und in der Marketingabteilung der Uni Konstanz arbeitet, wirkt sehr besonnen. Doch nach dem Erlebnis in Kanada beschloss sie, ihr Leben radikal umzukrempeln. Stichtag war der 1. November 2013.
Einfach war das nicht. Wer ohne Plastikverpackungen auskommen will, müsse sein Einkaufsverhalten komplett ändern und bereit sein, zu verzichten. „Früher brauchte ich einen Gelben Sack pro Monat, heute brauche ich einen pro Jahr“, sagt Susan Rößner stolz.
Das Problem mit dem Plastikmüll ist ein weltweites Phänomen. Aus Mangel an funktionierenden Recyclingsystemen haben vor allem Länder in Afrika und Südamerika bereits die Notbremse gezogen. Kenia, Ruanda, Chile und Costa Rica haben Plastiktüten bereits seit Längerem verbannt. Costa Rica strebt sogar an, das weltweit erste Land ganz ohne Einwegplastik zu werden. In Kalifornien gilt bereits ein Verbot für dünne Plastiktüten.
In der EU dürfen seit 2018 keine kostenlosen Plastiktüten mehr herausgegeben werden. Ein Verbot von Einmalgeschirr, Luftballons und Trinkhalmen soll folgen.
Doch auch ohne Verbote können Verbraucher schon jetzt etwas tun. Bei Lebensmittelverpackungen fällt am meisten Abfall an, erklärt Susan Rößner. Joghurt und Milch werden nur noch in Pfandgläsern gekauft. Tetrapacks oder Plastikflaschen sind tabu, das Wasser kommt aus dem Hahn. „Die meisten Dinge findet man auf dem Wochenmarkt“, sagt sie. Mittlerweile gibt es auch in kleineren Städten wie Ravensburg, Markdorf, Konstanz oder Schwäbisch Gmünd sogenannte Unverpackt Läden.
Zweiter großer Posten beim Plastikmüll sind Pflegeprodukte. Statt Duschgel und Shampoo benützt die Umweltschützerin Seife und Haarseife. Die gebe es mittlerweile sogar in Naturkostläden. Da die Konstanzerin anfangs jedes Stück von der Zahnbürste bis zum Deo oder Textmarker mühsam selbst zusammensuchen musste, kam sie auf die Idee, selbst alles aus einer Hand anzubieten und gründete ihren eigenen Onlineshop Monomeer dafür.
Gemessen am Sortiment ist Monomeer, den sie seit 2014 betreibt, mittlerweile nach eigenen Angaben Europas größter Onlineshop für plastikfreie Produkte. Zudem werden dem umweltbewussten Verbraucher mit Ratgeberbüchern Hilfestellungen für den Ausstieg aus der bunten Plastikwelt angeboten.
Zahnpasta in Tablettenform
Manches, das sich in der Firmenzentrale – einem schlichten Büroraum im Konstanzer Industriegebiet – in den Regalen stapelt, wie die weiße Brotdose aus Emaille, der Büro-Tacker aus Holz, die gusseiserne Pfanne oder die Holzklobürste mit Naturborsten (!) erinnert an das Angebot von Manufaktum. Ziemlich speziell wird es bei den Pflegeprodukten: Deo aus dem Gläschen, der Papiertube oder einer Korkhülle, Kosmetikpads aus Stoff oder Wattestäbchen aus Papier. Ein bisschen wie Pfefferminzbonbons schmecken die Zahnpastatabletten, und auch für Büro und Schule gibt es plastikfreie Produkte.
Teurer ist das plastikfreie Leben nicht unbedingt, erklärt die Gründerin. „Um einen guten Lebensstil zu haben, muss man nicht viel konsumieren. Nur anders.“Vieles, was man brauche, existiere irgendwo bereits. Man müsse nur danach suchen.
Natürlich habe sie als Unternehmerin ein Interesse daran zu wachsen. „Wachstum ist toll, aber nicht auf Teufel komm raus.“Reich geworden sei sie bisher noch nicht. Doch davon leben könne sie. „Es ist nach wie vor ein Nischenmarkt“, sagt Rößner über ihren Shop. Doch immer mehr Menschen würden ihren Verpackungsmüll reduzieren wollen, sodass sie ihre Stelle in der Marketingabteilung der Universität nach und nach reduzieren konnte. Rund 400 Bestellungen gehen derzeit pro Monat bei Monomeer ein.