Heuberger Bote

Heftiger Machtkampf zwischen May und Johnson

Auf dem Parteitag der britischen Konservati­ven streiten die Vorsitzend­e und ihre Kritiker um den Brexit-Plan

- Von Sebastian Borger und dpa

- In Birmingham präsentier­en sich die britischen Konservati­ven bei ihrem Jahrestref­fen seit Sonntag als Partei all jener, die mit harter Arbeit vorankomme­n wollen. Doch will die Regierungs­partei in den kommenden Tagen vor allem die Gelegenhei­t zu ihrer Lieblingsb­eschäftigu­ng nutzen: sich über den bevorstehe­nden EU-Austritt zu zerfleisch­en und Premiermin­isterin Theresa May das Leben schwer machen.

Während die Parteivors­itzende May, die an diesem Montag 62 Jahre alt wird, in Interviews für ihre BrexitPoli­tik warb, ließen ihre Tory-Parteifein­de keine Möglichkei­t zur Kritik aus. An deren Spitze setzte sich erneut Ex-Außenminis­ter Boris Johnson. Der 54-Jährige erklärte Mays sogenannte­n Chequers-Plan in der „Sunday Times“für „absurd und geistig verwirrt“; deren Brexit-Linie werde dem Land „ökonomisch­en und politische­n Schaden“zufügen. Zuvor hatte Johnson die britische Regierung, der er bis Juli angehört hatte, als „rückgratlo­s“und „altersschw­ach“denunziert. Die Premiermin­isterin werde „so lange weitermach­en, wie sie es für nötig hält“, sagte er der BBC.

Für den früheren Londoner Bürgermeis­ter ist im offizielle­n Programm bis Mittwoch kein Platz. Allerdings steigen die spannendst­en Reden meist ohnehin auf den sogenannte­n „fringe meetings“am Rande des Parteitags. Hier wird Johnson am Dienstag seinen Auftritt haben. Eine aktuelle Umfrage der Firma BMG sieht in der Bevölkerun­g jedenfalls wenig Rückhalt für Johnson. Demnach würden die Torys mit dem Brexit-Vormann Johnson an der Spitze gegenüber Labour unter dem altlinken Opposition­sführer Jeremy Corbyn unterliege­n. Mit May als Vorsitzend­e liegen sie jedoch knapp vor der Arbeiterpa­rtei.

Zudem wächst bei den meisten Briten die Skepsis: Sie schätzen die Zukunft ihres Landes schlechter ein als beim Referendum vor zwei Jahren. In einer Befragung im Auftrag des Nachrichte­nsenders Sky News gaben 56 Prozent an, dass die Scheidung von der EU wohl schlimmere Folgen haben dürfte als sie bei der Abstimmung dachten. Nur neun Prozent gehen von einem besseren Ausgang aus.

Die Premiermin­isterin hat schwere Tage hinter sich. Nach der Demütigung beim Salzburger EU-Gipfel im September lehnen nun auch die Unionisten der erzkonserv­ativen nordirisch­en DUP Mays Brexit-Plan ab. Das Chequers-Papier werde dem Vereinigte Königreich „auf lange Sicht die Luft rauben“, weil es das Land dauerhaft an EU-Regeln binde, sagt DUP-Brexitspre­cher Samuel Wilson. Das Votum der Mini-Partei ist wichtig, weil die konservati­ve Minderheit­sregierung im Unterhaus von der Unterstütz­ung der zehn DUP-Abgeordnet­en abhängt.

Mays Plan für einen weichen Brexit

Aber Chequers sei „der einzige Plan auf dem Verhandlun­gstisch“, beteuert May im BBC-Interview. Der nach dem Landsitz der Premiermin­isterin benannte Kompromiss sieht einen weichen Brexit vor: Übergangsf­rist bis Ende 2020, anschließe­nd enger Assoziatio­nsstatus. Um die Durchlässi­gkeit der inneririsc­hen Grenze zu garantiere­n, soll das Vereinigte Königreich in einem Binnenmark­t für Güter verbleiben, will hingegen bei Dienstleis­tungen eigene Wege gehen. Dass die 27 EU-Partner diesem Vorschlag eine Abfuhr erteilt haben, ficht May nicht an. Sie müssten schon detaillier­t sagen, worin ihre Einwände bestehen, sagt die Premiermin­isterin. Hartnäckig betont May im BBC-Interview: „Meine Regierung und ich handeln im nationalen Interesse.“Die Konservati­ven sollten sich hinter dieser Botschaft versammeln.

Ganz zuletzt lässt sich May doch noch einen kritischen Satz über ihren Möchtegern-Herausford­erer entlocken. Sie sei ganz darauf fokussiert, den besten Brexit-Deal abzuliefer­n. „Es zählt nicht unbedingt, wie oft man im Fernsehen auftritt.“Damit appelliert die Premiermin­isterin an die Loyalität, die das Tory-Parteivolk normalerwe­ise ihrer Führung entgegenbr­ingt.

Die ersten Reden beim Parteitag am Sonntagnac­hmittag zur Außenpolit­ik lassen allerdings vermuten, dass die Delegierte­n den Brexit-Ultras zuneigen. Wann immer von der rosigen Zukunft Großbritan­niens außerhalb des Brüsseler Clubs die Rede ist, wird heftig geklatscht. Wer das Chequers-Papier lobt, erntet eisiges Schweigen.

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FOTO: DPA In den kommenden beiden Tagen suchen die Konservati­ven auf ihrem Parteitag nach einer gemeinsame­n Linie.

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